Erstellt am: 28. 12. 2014 - 14:40 Uhr
Gib Mir Alles
Sind die besten Liebschaften die gefährlichen? Die riskanten, die uns aufschürfen und das Gemüt ausmergeln? Wie lange kann die Anspannung halten, der Nervenkitzel gutgehen? Vielleicht sollten wir dann bald einmal die Vernunft wählen, das Leben im Ohrensessel, die Blümchenwiese.
Freilich gibt es dreihundert Formen und Entwürfe dazwischen, zwischen dem Dasein als flammendem Leder-Gigolo oder heißkalter Peitschen-Mademoiselle und dem biedersinnigen Dösen im flauschigen Hafen der Heimeligkeit. George Lewis Jr. jedoch kokettiert in der Musik seines Projekts Twin Shadow immer wieder gerne mit den vermeintlich anrüchigen Seiten von Liebe und Lust, streicht dunkle Aspekte hervor, lässt Schweiß und Körperlichkeit zwielichtig tuscheln und inszeniert Beziehung als halsbrecherischen Seiltanz. Aufregend, erregend, bringt Kick, Vorsicht, schnell fällt man runter.
Twin Shadow
Im März 2015 wird unter dem Titel "Eclipse", das heißt Finsternis oder Verdunkelung, das dritte Album von Twin Shadow erscheinen. Nach dem Anfang dieses Jahres veröffentlichten geilen Schmalzhit "To The Top" hat Lewis Jr. vor Kurzem eine Vorabsingle in die Welt geschickt, mit der er wieder nach ganz oben will: "Turn Me Up". Man darf das sicherlich teilweise auch als ein "Turn Me On" verstehen.
Twin Shadow zieht uns ins Zentrum einer Beziehung, die nicht sein soll, aber sein muss. Einige Dämonen scheinen sie zu umschwirren, Abhängigkeiten quälen und liebkosen. "You got me needing you like you're some religion / You told me go away like it's my decision / But as soon as I pull away / You're fallin' back into my arms so I never forget you". Ein Stechen, ein Zerren, ein Rangeln, wir haben keine Wahl, wir wollen keine Wahl haben, wir wollen uns hingeben und am Ende wieder verbeult und zerzaust aus der Nacht schleichen.
"Turn Me Up, I'm Coming Around", heißt es später, "Turn Me Up, I'm Falling Down". Innerhalb dieses emotionalen Bündnisses, dieser Umschlingung wollen wir einander das Äußerste geben, uns an die Spitze treiben - in jeder Hinsicht. Es geht an den Gipfel, es geht in den Abgrund.
Bislang hat sich Twin Shadow in seiner Musik katzenhaft zwischen den Rändern der Chillwave, kuschelrockenden Mopedrock-Powerballaden und schön glitschigem 80ies-Pomp bewegt, auf "Turn Me Up" entwirft er einen Darkroom auf Synthesizer- und Drum-Machine-Basis. Ein finsterer Wave-Song mit Goth-Einschlag, der die Turbulenzen und die Zerrissenheit im Text unterstreicht, Bass-Störgeräusche schlagen ein.
Es ist zwar schwierig, es ist aber so prickelnd: Es darf dann also auch geschmeidig und schlafzimmersäuselig werden, im Hintergrund erklingt ein zärtliches Gitarrenlick. "My Love Won't Go From You", singt George Lewis Jr., und, "My Love Will Grow". Vielleicht ist es genau so richtig, wie es ist, und alles andere langweilig.