Erstellt am: 23. 12. 2014 - 14:35 Uhr
Im Weltraum hört dich niemand gähnen
Ich fliege zu einem Gasriesen, der ein bisschen wie der Planet Saturn aussieht. Als ich in seinen Ring hineinfliege, erkenne ich, dass er aus tausenden und abertausenden Eis- und Gesteinsbrocken besteht. Mehrere Minuten vergehen, während ich staunend zwischen den Felsen schwebe. Die Planetenoberfläche hängt majestätisch über mir. Faszinierend. Ich scanne den Planeten. Um später die Messdaten zu Geld zu machen, muss ich mindestens 20 Lichtjahre von der ursprünglichen Entdeckung entfernt sein. Also: weiterfliegen.
Frontier Developments
400 Milliarden Sonnensysteme
Es ist schwer möglich, in einigen Absätzen zu beschreiben, was „Elite Dangerous“ alles ist. Das beginnt bei seiner schieren Größe. Das Spiel simuliert die komplette Milchstraße - also unsere Galaxie, die aus 400 Milliarden Sonnensystemen besteht. In jedem Sonnensystem gibt es Planeten, Monde, Asteroiden, in manchen auch schwarze Löcher, seltsame Phänomene und unbekannte Gefahren. Vielen Spielern dient die simulierte Galaxie als Arena für Dogfights zwischen ihren Raumschiffen. Andere betrachten das Spiel als Wirtschaftssimulation im Weltraum. Beides ist typisch für das Genre und seine Fans. Doch „Elite Dangerous“ bietet etwas, das in Weltraumsimulationen bisher gefehlt hat, obwohl es eigentlich so naheliegend ist. Es belohnt Spieler, die das gigantisch große All im Spiel einfach nur bereisen, entdecken und erforschen wollen.
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Mit seiner Größe und seinen Anreizen zum Entdeckerdasein erfüllt das Spiel einen lang von mir gehegten Wunsch. Als „Star Trek“-Fan habe ich mich oft gefragt, warum in Weltraum-Spielen der Schwerpunkt immer in kriegerischen Auseinandersetzungen liegt, anstatt den Forscherdrang und die Neugierde der Menschheit zu betonen.
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Odyssee im Weltraum
Die virtuelle Galaxie von „Elite Dangerous“ zu erforschen, ist nicht nur schön, sondern manchmal auch so ereignislos wie Stanley Kubricks „2001“. Der behäbigen Pracht gebe ich mich am liebsten mit dem VR-Headset Oculus Rift hin, das den virtuellen Weltraum 360 Grad um mich und in realen Größenverhältnissen erscheinen lässt. Wenn man das Oculus Rift noch nie aufgehabt hat, kann man sich das schwer vorstellen. In eine der – seit dem ersten Elite-Game im Jahr 1984 legendären – Coriolis-Raumstationen zu fliegen, deren Hangar sich kilometerweit zu erstrecken scheint, ist auch nach hunderten Landungen noch beeindruckend. Die Stationen dienen mir, dem neugierigen Erforscher der prozedural berechneten Galaxie, als Geldquelle: Hier verkaufe ich die astronomischen Daten von unbekannten Asteroidengürteln, Monden und Sonnen, die ich besucht habe. Ein leistungsfähigerer Deep Scanner wird praktisch sein, sobald ich ihn mir leisten kann.
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Einem einzelnen Menschen ist es unmöglich, die ganze Milchstraße in „Elite Dangerous“ selbst zu erforschen. Weil das Spiel aber ständig mit dem Onlineserver kommuniziert, wirkt sich das Verhalten der anderen Spieler auf Messdaten, Handelsvolumina und politische Gegebenheiten aus. Das betrifft nicht nur jene Piloten, die im „Open Play“-Modus spielen, sondern auch Spieler im "Solo"- oder "Private-Group"-Modus. Handel, Erforschung, Krieg und politische Ereignisse verändern das Leben im Weltraum. Wer sich in die Politik von Elite einmischt, kann eine lose Geschichte rund um Föderation, Imperium und Allianz der Unabhängigen mitgestalten – sie wird von den Entwicklern ständig weitergesponnen. Mir ist das – zumindest vorläufig – noch zu mühsam. Ich bin glücklich und zufrieden damit, einfach nur zu reisen. In „Elite Dangerous“ kann man sich nicht nur friedlich, sondern geradezu feige verhalten, indem man vor Angreifern (NPCs wie auch Spielern) einfach davonfliegt. Herrlich.
Frontier Developments
Die Videospiele-Firma Frontier Developments hat neben den Spielen der "Elite"-Serie auch Klassiker wie "Dog's Life" und "Rollercoaster Tycoon 3" entwickelt. Ihr Gründer David Braben war außerdem maßgeblich an der Entwicklung des scheckkartengroßen Computers Raspberry Pi beteiligt.
Meilenstein der Gamesgeschichte
Einige Spieler, die an das eingekastelte Weltall der „X“-Serie gewöhnt sind oder das Space-Disneyland von „Wing Commander“ und „Freelancer“ mochten, fühlen sich im gigantischen All von „Elite Dangerous“ einsam und verloren. Enttäuscht scheinen auch manche Spieler zu sein, die sich ein MMO-Game erwartet haben. Denn selbst wenn zigtausende Spieler online sind, ist die Chance, jemanden im Weltraum zu treffen, stets gering – außer man kennt die Sonnensysteme, in denen gerade etwas los ist. Trade Hubs und Zentren politischer Aktivität scheinen sich allmählich zu entwickeln. Ich habe erst einen winzigen Bruchteil des Spiels kennengelernt – aber weil mir das entspannte Gameplay und die Freiheit zum Spielen ohne Kampf so gut gefallen, ist „Elite Dangerous“ für mich schon jetzt der bisher beste Vertreter des Spacesim-Genres. David Braben hat 1984 mit dem ersten „Elite“ die Kunstform Videospiel maßgeblich beeinflusst, und er hat 30 Jahre später mit „Elite Dangerous“ einen weiteren Meilenstein geschaffen.