Erstellt am: 24. 12. 2014 - 15:27 Uhr
Just another Christmas Story
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharov. Jeden Mittwoch in FM4 Connected (15-19h) und als Podcast.
"Die Leiden des jungen Todor"
Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es ab sofort im FM4 Shop.
Eine reiche österreichische Familie entschied sich letztes Jahr zu Weihnachten, eine Reise zu unternehmen. Diese Reise war schon seit langem geplant. Sie beauftragten ihren Gärtner Ivan sich um ihr Haus kümmern.
Ivan ist aus der Ukraine und lebt schon seit zwei Jahren in Österreich. Er arbeitet hart und ohne sich zu beklagen für 30 Euro am Tag. Er mäht den Rasen, schneidet die Bäume, ordnet die Gartenalleen und entfernt das Moos vom künstlichen Brunnen. Die Herren des Hauses wissen nicht, wo Ivan lebt, aber sie wissen, dass er keine Freunde hat, nicht raucht und entgegen der Vorurteile gegenüber einen Ostmenschen, trinkt er keinen Wodka. So gewann Ivan ihr Vertrauen. Die Familie flog in die Tropen und ließ Ivan zurück, unter dem österreichischen Himmel aus Blei, um auf ihr Haus aufzupassen.
Es schien, als ob alle Hauseigentümer dieser Straße auf Weihnachtsreise waren, das normalerweise sowieso schon ruhige Viertel war in Todesstille erfroren. Der Flieger der Hausbesitzer war noch nicht mal abgehoben als Ivan Haus das verließ. Er ging zum Supermarkt und füllte einen ganzen Wagen voll mit Proviant. Ganz oben im Einkaufswagen stand eine Kiste Wodka.
Am nächsten Tag ging Ivan zum Busbahnhof, aus einem Bus stiegen seine beiden Brüder mit ihren Frauen aus. Sie umarmten sich und küssten sich auf dem Mund, so wie es nur Russen und Ukrainer machen. Danach fuhren sie zum Herrenhaus. Dort tranken, aßen und tanzten sie eine ganze Woche lang. Sie gingen nicht einmal in die Stadt spazieren, so gut hat es ihnen in diesem noblen Haus gefallen. Am achten Tag putzten sie das Haus und zur Erinnerung an ihren Urlaub machten sie ein Gruppenfoto vor dem Haus, in dem sie die letzten Tage gefeiert hatten. Und dann stiegen sie wieder in ihren Bus und fuhren in die Heimat zurück.
APA/HERBERT PFARRHOFER
Drei Tage später kamen Ivans Arbeitgeber zurück. Als sie sich in ihrem Taxi ihrer Straße näherten, bemerkten sie die unüblich hohe Polizeipräsenz im Viertel. Überall waren Polizeiautos. Es stellte sich heraus, dass während der Feiertage in fast allen Häuser eingebrochen worden war. Die Einbrecher wussten, dass sie zu Weihnachten dort leere Häuser vorfinden würden.
Nur ihr Haus war unberührt. Die Ukrainer waren ja die ganze Zeit da, sie lachten laut, sangen und gingen in Unterhosen durch den Hof. Welcher Einbrecher würde in so einem Haus einbrechen? Ivan traf seine Arbeitgeber und übergab ihnen die Schlüssel. Sie hatten ihm ein Geschenk aus den Tropen mitgebracht – eine Muschelbox, die singt, wenn man sie öffnet. Danach machte sich Ivan auf dem Weg zu seinem Zimmer in einem anderen, nicht so noblen Viertel.
Währenddessen wurde das Foto von der Villa in Wien in den Häusern seiner Brüder in der Ukraine als Bild an die Wand gehängt.
Diese Geschichte ist letztes Jahr wirklich passiert. Sie kann einem wie ein Märchen vorkommen, aber sie ist wahr. Deshalb immer aufpassen, wenn man zu Weihnachten sein Haus verlässt!
Frohe Weihnachten!