Erstellt am: 21. 12. 2014 - 15:58 Uhr
Besinnliches Kauderwelsch aus der Echokammer
- Alle Songs zum Sonntag auf FM4
- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Hat man eventuell schon genug gehört vom Animal Collective? Von einer der wichtigsten, prägendsten und besten Bands der Nuller- und ein bisschen auch noch der Zehner-Jahre? Vom ewigen harmonieseligen Geseier, dem himmelhohen Jauchzen, den Beach-Boys-Chören? Der prächtig vibrierenden Verquickung von Weirdo-Folk und Waber-Elektronik? Dem übermäßig lustvollen Schöpfen aus allen Zubern der Musikgeschichte und dem funkelnden Signaloverload? Sicherlich ein wenig.
Das Animal Collective geizt nun auch nicht mit intensivem Aroma, Reiz-Ballung und Nervpotenzial, viele viel schlechtere Epigonen-Bands haben sich ebenfalls eingefunden. Der eine Kopf des Animal Collective, Avey Tare, hat vergangenes Jahr die Freizeit von der Hauptgruppe in eine schöne, wilde Gitarrenplatte investiert, der andere, Panda Bear, wird demnächst, nach seiner feinen "Mr. Noah"-EP, mit einem neuen Soloalbum um die Ecke kommen, bereits seinem fünften.
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"Panda Bear Meets The Grim Reaper" wird die Platte heißen, man muss angesichts dieses Titels aber nicht befürchten, dass Panda Bear kurz vor dem Ableben steht, sondern kann sich die ganze Angelegenheit vielleicht eher als cartoonhaftes Stelldichein mit einem Comicbuch-Sensenmann vorstellen. Wieder einmal bunt, die Vertonung des Kaleidoskops. Nach Panda Bears aktueller Single zu schließen steht der gute Mann nämlich noch bestens im Saft.
Auf dem Song namens "Boys Latin" übt sich Panda Bear in ungewohntem Minimalismus, klingt dabei nicht groß anders als bisher, jedoch zwingend wie lange schon nicht mehr. Panda Bear setzt auf die Stärken der Repetition, das Mantrahafte, die Macht des Loops. "Boys Latin" wogt gemächlich auf einer blubbernden Bassline dahin, der schlicht schlackernde Beat will nach echtem Schlagzeug klingen, weniger nach produziertem Rhythmus. Panda Bear ist Drummer.
Hier glückt wieder einmal die oft beschworene Verschmelzung von Natur, Rituellem, Schamanentum und Digital-Park. So ist "Boys Latin" in seiner Berufung auf die hypnotisierende Wiederholung und in seiner Erforschung des tiefsten Hallraums klar von Dub und Roots-Reggae wie von Lee Perry, King Tubby und den Congos infiziert. Ebenso wie von deren elektronischen Nachfolgern, der Berliner Dub-Techno-Schule von Basic Channel.
"The Boys' Latin School" ist eine Schule in Maryland, der Heimat Panda Bears, mit ihr scheint der Song nicht viel zu tun zu haben, sein Titel wird im Lied selbst nicht vorkommen. Der Panda Bear ist ein Tier, das Animal Collective ist eine Konferenz der Tiere, und wovon singt unser pelziger Freund in "Boys Latin" da so zauberhaft, mit Echo betankt und mit sich selbst überlagert? "Beasts don’t have a second to think / but we don’t appreciate our things" heißt es wieder und wieder. Eine toll naive, unzynische Kalenderblattweisheit im Dienste der Besinnlichkeit. Wir drehen uns im Kreise uns lassen uns von diesem Ansporn zur Selbstreflexion gerne einlullen.