Erstellt am: 20. 12. 2014 - 11:21 Uhr
Ein Monat in Ghana
Ghana Tagebuch
Andreas Spechtl reist einen Monat durch Ghana:
Ankommen in Accra, der erste Tag, der erste Tagebuch-Eintrag
Accra, Ghanas Hauptstadt im Südosten des Landes mit etwas mehr als 2 Millionen Einwohnern, ist eine der kulturellen Metropolen Afrikas. 1957 war Ghana das erste Land Subsahara-Afrikas, das seine Unabhängigkeit erlangte.
Andreas Spechtl
Als britische Kolonie hieß es noch Goldküste, benannt nach dem unglaublichen Reichtum an Bodenschätzen, die man dort immer noch findet. Das heutige Ghana war aber auch der Ort, an dem Millionen von Afrikanern in die Diaspora verschifft wurden.
Ich bin zum ersten Mal mit Ghana über Highlife, einer Symbiose aus Jazz und traditioneller ghanaischer Musik, in Berührung gekommen. Aber dazu in einem späteren Eintrag mehr, wenn wir Samstags auf dem Sabolai Radio Music Festival waren, Westafrikas größtem Indie Showcase Festival.
An einem Sonntag Abend komme ich also nach einer 18 stündigen Reise mit meinen drei ReisebegleiterInnen B., F. und R. am Kotoka International Airport in Accra an. Es ist heiß, dunstig und unglaublich gloomy. Ich glaube, ich war noch nie in einer derart dunklen Großstadt unterwegs. Straßenbeleuchtung ist anscheinend nicht üblich, oder sagen wir es so, es gibt durchaus die eine oder andere Straßenlaterne, nur funktionieren die meisten ganz einfach nicht. Einen Monat werden wir durch Ghana reisen, vom quirligen Accra an die kleine Küstenstadt Cape Coast, aber auch in die riesigen Naturschutzgebiete im muslimischen Norden und den Regenwald um die kleine Stadt Kumasi in der Mitte des Landes.
Andreas Spechtl
In der ersten Nacht schlafe ich überraschend gut, auch wenn ich mich mein Leben lang nicht mehr an die harsche Kühle einer Klimaanlage gewöhnen werde. Auch die fiebrigen Träume, die der Beipackzettel meiner Malariaprophylaxe vorausgesagt hat, bleiben vorerst aus.
Andreas Spechtl
Morgens laufen wir dann das erste Mal durch Accra. Kojo Thompson Road, Farrar Avenue, bis runter zum Black Star Independence Square, dem sozialistisch anmutenden Denkmal zur Unabhängigkeit Ghanas, dann ostwärts in das geschäftige junge Viertel Osu, wo sich auf der Oxford Street das erste Mal eine leichte Überforderung einstellt. Verkehr, Lärm, Marktgeschrei, laute Musik, und vor allem eine Menge Müll. Überall wird Wasser in kleinen gekühlten Säckchen verkauft, die man an der Spitze aufschneidet, auszuzelt und dann einfach fallen lässt. Wo soll man auch hin damit, ich habe auf unserem Weg hierher nicht einen Mülleimer gesehen. An einigen Stellen gibt es offene Abwasserleitungen, die durch die grauschlierige Flüssigkeit schonmal mit der Straße verwechselt werden können. So passiert es auch gleichmal und F. steht mit einem Bein bis zur Hüfte im dampfenden Sud. Das Gute daran: Wir lenken die beistehenden Straßenverkäufer davon ab uns Armbänder, Gürtel oder Holzelefanten verkaufen zu wollen. Im Gegenteil, sie eilen uns sofort mit Wasser zur Hilfe. F. wird trotzdem noch Stunden später ein recht eigenwilliges Odeur anhaften und er wird sich am nächsten Morgen in einem reizenden kleinen Laden eine neue Hose schneidern lassen.
Andreas Spechtl
Wie so oft, wenn man Mitteleuropa hinter sich gelassen hat, ist die Freundlichkeit, die uns als Gästen entgegenschlägt, entwaffnend, „Akwaaba! Welcome in Ghana!“ Mit Scham denke ich an die menschenverachtende Situation zu Hause und spüre den Groll gegen Deutschland und seinen grotesken "Wurmfortsatz" in Rotweißrot in mir aufsteigen.
Von Osu aus fahren wir mit dem Taxi in Richtung Jamestown. Ein Viertel an der Küste im ehemals britischen Teil der Stadt. Von der Kolonialzeit übriggeblieben sind im groben noch die Einteilung in einen dänischen, holländischen und einen britischen Distrikt. Wir besteigen den Leuchtturm am Rand des kleinen Fischerdorfs, der im Jahre 1871 erbaut wurde. Der Aufstieg im Inneren des charmant heruntergekommenen Turms entspricht nicht so ganz den gewohnten Sicherheitsstandards.
Andreas Spechtl
Von oben hat man einen beeindruckenden Blick über die Stadt und das Meer. Am Pier reparieren Fischer ihre Netze oder arbeiten an ihren riesigen, aus einem einzigen Holzstück geschnitzten Booten. Etwas klamm ob des rostigen Geländers schießen wir nur ein paar Fotos und sind bald wieder froh, unten angekommen zu sein.
Andreas Spechtl
Mehr Fotos& Videos finden sich während der nächsten Tage auch hier. Montags folgt der nächste FM4 Blog von Andreas Spechtl über Highlife und Musik in Ghana.
Kurz nach 18 Uhr wird es langsam dunkel in den Straßen. Über einen Fußballplatz erreichen wir das Restaurant Osaka, das sehr schön zum Meer hinunter in die Klippen gebaut ist. Für mich gibt es
Palmnut Soup und Fisch, für die Vegetarier gebratenen Reis mit Ei. Wir trinken ghanaisches Club -Bier im praktischen 625ml Gebinde.
Über uns hupen sich Accras Taxifahrer in eine lange staubige Nacht und ich freue mich wie ein kleines Kind über jede Schweißperle, die mir von meiner bleichen Stirn tropft. In Berlin hat es gerade 6 Grad. Angeblich soll es viel regnen.