Erstellt am: 22. 12. 2014 - 16:10 Uhr
Roboter auf Sinnsuche
Croteam
Die Sonne brennt vom blauen Himmel, die Zikaden kreischen und rundum ist kein Mensch zu sehen. Dafür umgeben uns antike Ruinen, so weit das Auge reicht. Und dann ist da noch die Stimme Gottes, die uns aus dem Nichts begrüßt und die Aufgabe gibt, durch das Lösen von Rätseln geheimnisvolle Symbolsteine zu sammeln. So beginnt "The Talos Principle", ein First-Person-Puzzler, der nicht nur durch seine cleveren Rätsel, sondern auch durch seine philosophische Story begeistern kann.
Es ist Absicht, dass sich Spielerinnen und Spieler ganz zu Beginn ratlos am Kopf kratzen, denn sowohl Spielmechanik als auch Hintergrundgeschichte enthüllen sich nur stückweise. Scheinbar - auch das offenbart uns das Spiel recht lakonisch und quasi nebenbei - sind wir nämlich ein Roboter, und die Menschheit ist spurlos verschwunden. Durch das Lösen der in der ganzen Welt verstreuten Physikrätsel öffnen wir die Tore zu weiteren Gebieten und Rätseln, die mit nur wenigen Werkzeugen wie einem Jammer, der Energiebarrieren, automatische Drohnen oder Geschütze lahmlegt, Linsen, mit denen wir Laserstrahlen umleiten können, oder Recordern, die uns für kurze Zeit in der Welt verdoppeln, mit ein wenig Nachdenken und Experimentieren zu lösen.
Home alone
Dank der langsamen Steigerung des Schwierigkeitsgrads wachsen Spielerinnen und Spieler im besten Fall an ihren Aufgaben, während sich zugleich die gelungene Story enthüllt. Denn an den in der Welt verstreuten Computerterminals finden wir nach und nach Hinweise auf diesen mysteriösen Ort und auch unser eigenes Schicksal, treten mit einem geheimnisvollen Widersacher der salbungsvollen Gottfigur in Kontakt und erfahren, was es mit dem verbotenen Turm auf sich hat.
Wer sich an den großen Klassiker und Gründervater der Nische der First-Person-Puzzler, das großartige "Portal", erinnert fühlt, liegt völlig richtig: Auch "The Talos Principle" verbindet eine Story mit einer Abfolge von cleveren Rätseln, die sich Spielerinnen und Spielern durch Logik, Experimentieren und so manches Aha-Erlebnis erschließen. Während aber "Portal" letztlich eine Komödie war, versucht "The Talos Principle" etwas ganz anderes. Denn das Spiel wirft seinen Spielern hier philosophische Fragen entgegen - etwa nach der Natur der Welt, der Möglichkeit zur freien Willensentscheidung oder gar danach, was uns zu Menschen macht.
Croteam
Philosophie und Köpferauchen
Das klingt anstrengend und prätentiös? Keine Angst: Die komplexe Science-Fiction-Geschichte kann sich neben dem Puzzle-Gameplay wunderbar entfalten, ohne langweilig oder abgehoben zu werden. Als Autoren liefern Jonas Kyratzes ("The Sea Will Claim Everything") und Tom Jubert ("FTL", "The Swapper") mit diesem philosophischen SF-Labyrinth ein mehr als gelungenes Meisterstück ab.
Alle, die gar keine Lust auf das Durchwühlen der schlicht als Bildschirmtext präsentierten umfangreichen Hintergrundgeschichte samt gespenstisch passenden Zitaten aus Mythologie und Philosophie der Menschheitsgeschichte haben, versäumen zwar etwas, können sich letztlich aber auch nur aufs Lösen der Rätsel beschränken - die fordern Spielerinnen und Spielern im Verlauf der beachtlichen 20 bis 30 Stunden Spielzeit allerdings gegen Ende hin geistige Höchstleistungen ab.
Croteam
"The Talos Principle" ist für Windows, Mac und Linux erschienen.
Wer Spaß daran hat, sich mit schlauen Rätseln und Um-die-Ecke-Denken herauszuforden, findet im Spiel der "Serious Sam"-Macher Croteam (!) eine faszinierende Aufgabe. Doch es ist die Art und Weise, wie hier eine ambitionierte und philosophische Geschichte erzählt wird, die "The Talos Principle" nicht nur zum besten First-Person-Puzzler der letzten Jahre, sondern endlich auch zu einem Spiel macht, das sich neben dem Klassiker "Portal" nicht verstecken muss.
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Das hohe Lob, das mit diesem Vergleich einhergeht, ist wohlverdient. "The Talos Principle" ist ein später - und unerwarteter -Anwärter aufs "Spiel des Jahres".