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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

20. 12. 2014 - 13:00

"Lichtergrenze", "Niveaulimbo", "Läuft bei dir"

Bei manchen Worten des Jahres fraglich, ob sie jemals im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet wurden

Da dieses Jahr trotz 54 Weihnachtmärkten und stattlicher Festbeleuchtung in den Bezirken das Vor-Weihnachtsgefühl sowie das Weihnachtsgefühl in Berlin ganz ausbleiben, kann man sich jetzt schon innerlich auf den Jahreswechsel vorbereiten. Die Jahresrückblicke häufen sich ja seit Anfang Dezember und die allzeit beliebten Jahresend-Listen erscheinen all überall.

Das Wort des Jahres wurde bereits letzte Woche verkündet: Lichtergrenze! Da reibt sich die sprachinteressierte Normalbürgerin erst einmal verwundert die Augen. „Lichtergrenze“ -Wort des Jahres? - Warum? Das Wort wurde doch nur etwa zwei Tage lang medial verwendet, bei der Berichterstattung zu den Feierlichkeiten des 25-jährigen Jubiläums des Mauerfalls.

Lichtgrenze

Daniel Bueche

Und auch wenn diese Lichtergrenze, weiße Ballons, die quer durch Berlin am ehemaligen Mauerverlauf entlang aufgestellt, ein schönes, poetisches Bild ergaben, so wird doch die „Lichtergrenze“ keine weitere Karriere im allgemeinen Sprachgebrauch machen.

Schaut man sich anderen Worte in der Auswahl an, so fällt neben den dummen Fußball-Wortspielen wie Platz 3 „Götzseidank“ oder „Freistoßspray“ höchstens noch das originellere „Russlandversteher“ auf, das es immerhin schon in den englischen Sprachraum geschafft hat. Das hässliche „bahnsinnig“ auf Nummer 5 hingegen, will man so schnell wie möglich wieder vergessen. Auch Platz 10 „Generation Kopf unten“ für junge Leute, die ständig auf ihr Smartphone starren, wird sich nicht durchsetzen.

Junge Frau mit Handy und Kopfhörern

CC BY-SA 2.0 von Garry Knight flickr.com/garryknight

Eine Sensation hingegen bietet das, wie immer vom Langenscheidt Verlag auserkorene, Jugendwort des Jahres. Denn 2014 hat es erstmal kein einzelnes Wort auf Platz 1 geschafft sondern der verstümmelte Satz „Läuft bei dir“.

Der nicht mehr jugendliche Mensch wundert sich da natürlich. Denn auch bei Erwachsenen kann sich ja durchaus folgende Gesprächssituation entstehen: Person 1 erzählt was oder gibt mit Erfolgen an (neuer Job, neue Liebe, tolle Reisen) und Person 2 erwidert anerkennend: „Das läuft ja bei dir!“

Anscheinend macht das reine Weglassen von Artikeln und anderen unnötigen grammatischen Partikeln die Jugendsprache aus. Und „Läuft bei dir“, heißt, glaubt man Langenscheidt, dann einfach „krass“.

Ähnlich verhält es sich bei Platz zwei „Gönn dir!“ als Ausdruck für „Viel Spaß dabei“. Das aus dem Türkischen stammende Wort „Hayvan“ für Tier auf Platz drei kann sowohl positiv als auch negativ verwendet werden - entweder als Synonym für „Muskelpaket“ sowie „treuer Freund“ oder für „ohne Denkvermögen“.

Ein angebliches Jugendwort, das auch die Silverager und Rentner kennen schaffte es nur auf Platz vier – das „Selfie“ gefolgt vom recht konstruiert wirkenden „Senfautomat“ für jemanden, der alles kommentiert, also immer seinen Senf dazu geben muss.

Wie jedes Jahr kommen auch dieses Mal Zweifel an der Authentizität des Jugendworts auf, wird es ja nicht von konspirativen Jugendbeobachtern gekürt. sondern von einer Kommission, die über das Jugendwort berät, und Vorschläge macht. Über diese Vorschläge wird dann erst von echten Jugendlichen abgestimmt.

So ist bei manchen Worten des Jahres fraglich, ob sie jemals im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet wurden. Bei „Niveaulimbo" (2010) geht man heute davon aus, dass dieses Wort niemals von einem jugendlichen Menschen ausgesprochen wurde.

Auch die hinteren Platzierungen des Jugendworts 2014 wirken reichlich konstruiert. Die Tätowierung am Steiß ist längst als „Arschgeweih“ akzeptiert, aber hat jemals jemand das Wort „Assistempel“ gehört? Oder „Fappieren“ (Selbstbefriedigung bei Jungs) und „Bitch, please!“ ("Also Bitte!", "Komm schon")?

„GOML“ (engl.: get on my level – als Ausdruck der Überlegenheit) ist wohl eher in Gamerkreisen en vogue und „Fußpils“, das Bier für Unterwegs heißt in Berlin schon seit Jahr und Tag einfach „Wegbier“.