Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Thursday Edition, 18-12-14."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

18. 12. 2014 - 18:36

The daily Blumenau. Thursday Edition, 18-12-14.

Man könnte den Eindruck gewinnen... Ein paar Jahresende-Anmerkungen zur Fußball-Saison. Über Medien-Zerstörung, inexistentes Scouting, indirektes Campaigning und Trainer-Stallgeruch.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

#fußballjournal14

Das Ende von sturm12.at ist bewusst herbeigeführt

Mit Jahresende ist es vorbei.
Sturm12.at schließt den Spielbetrieb. Schlusspfiff.

Die Menschen, die ihre Site (Eigendefinition: Sturm12.at ist ein privates und unabhängiges journalistisches Medium, das seinen Fokus auf Berichterstattung über den Fußballklub SK Sturm Graz richtet) zuletzt beackerten, können nicht mehr.

Und weil sturm12.at nicht nur ein schönfärberisches Fanzine, sondern ein ernstzunehmender Faktor ist/war, was Recherche, Analyse und Kommentierung betrifft, ist das eine echte Katastrophe. Zum einen, weil es kein gutes Zeichen an andere Interessensgruppen, die sich in der nächsten Zeit über Vergleichbares drübergetraut hätten, sendet, und zum anderen, weil es dem Fatalismus, dass gegen die alteingesessenen Seilschaften, im Grazer Fall das kumpanisierende Konglomerat aus Verein & Styria, kein Kraut gewachsen ist, Vorschub leistet.

Dabei hat sturm12 alles ordentlich aufgemischt - da blieb kein Stein auf dem anderen. Die von den alten Playern bis heute nicht durchschauten Regeln der Aufmerksamkeits-Ökonomie katapultierten die herzblutende, aber konstruktiv-kritische Seite sofort ins Zentrum des Fan-Interesses. Das bis dorthin von destruktiver Kommunikations-Politik des Clubs und gezielter Schönschreiberei der alten Medien ein Hort der Verödung war.

Allen Beteuerungen eine solche Initiative zu brauchen, zu wollen und zu fördern zum Trotz arbeiteten die Sturm-Mächtigen systematisch an der Zerstörung der für sie zu anstrengenden Dauer-Begleitmusik. Vor allem die Ära Goldbrich war von zunehmender Informations-Verknappung, Zugangsbeschränkungen und anderen Behinderungen geprägt. Ganz bewusst.
Denn: wer weiß, dass ein solches nicht an Profit orientiertes, von Privatpersonen getragenes Projekt nicht zuletzt über Spaß an der hobbyistischen Selbstausbeutung befeuert wird, der sorgt einfach dafür, dass der Spaß ausbleibt.
Das ist den Sturm-Verantwortlichen gelungen.

Der Austausch unter den Fans wird sich vom virtuellen, nicht immer unproblematischen, aber in seiner Art immer noch vorbildlichsten aller medialen Fan-Stammtische wieder in die Vereinzelung zurückziehen.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass der österreichische Fußball - allen Sonntagsreden zum Trotz - eben keinen echten Reformwillen in sich trägt; sich lieber mit dem Altbekannten, dem schmierigen Geklüngel zufriedengibt, anstatt mediale Möglichkeiten zumindest mitzudenken.

Scouting-Abteilungen gibt's de facto nicht

Apropos Sturm Graz. Dort wurde vor Jahresfrist ja ein ehemaliger Spieler dazu auserkoren eine Scouting-Abteilung aufzubauen; also etwas, wozu es Disziplin, Logistik und Nachhaltigkeit braucht. Der Spieler war Imre "Hudriwusch" Szabics. Der jetzt ein Angebot als Co-Trainer der ungarischen Nationalmannschaft annimmt. Womit sich die "Scouting-Abteilung" bei Sturm, die nie mehr als eine Arbeitsplatzbeschaffungs-Maßnahme war, wieder in Luft auflöst.

Der Check macht schnell klar: außer Red Bull Salzburg (die über ein hervorragendes und weit verzweigtes Netz verfügen) hat nur die SV Ried (mit Gerhard Schweitzer) einen ernstzunehmenden Scout. Die anderen können sich's nicht leisten (Altachs Zellhofer spricht hier von einem Netzwerk, welches das Scouting ersetze) oder haben ein paar Ehrenjob-Ex-Kicker, die den zeitgemäßen Anforderungen nicht standhalten. Vor allem Austria und Rapid (wo die Scouting-Misere seit Jahren Zankapfel zwischen Bewahrern und Modernisieren ist) sind echte Problemkinder.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass der österreichische Fußball - allen Sonntagsreden zum Trotz - eben keinen echten Reformwillen in sich trägt; sich lieber mit dem Altbekannten, der Arbeitsplatz-Beschaffungsmaßnahme und dem Hoffen auf den Zufall zufriedengibt.

Den Sack schlagen und den Esel meinen

Es vergeht keine Meisterschafts-Runde, ohne das kreischige, hysterisch Klagelied der Trainer, Funktionäre und auch Spieler: nicht sie und ihre unzureichenden Leistungen und Maßnahmen seien schuld an der Niederlage, sondern die anderen. Die Schiedsrichter.

In den letzten Wochen haben die Vereins-Verantwortlichen und einige sie unterstützende Boulevard-Medien die Schlagzahl erhöht. Die Aufgeregtheit in den Flash-Interviews hat sich in eine systematische, kampagnenartige Haudrauf-Routine verwandelt.

Gut: Österreichs Schiedsrichter sind bereits seit vielen großen Turnieren nicht mehr gut genug für Top-Jobs. Aber: die besseren der nicht so schlecht Pfeifenden machen zumindest im Europacup (und das nicht nur durch die österreichische Brille) ganz brauchbare Figur.

Der wahre Grund für die Kampagne wurde jetzt, in Phase 2 (Montag in der Krone, heute in Heute) offener angesprochen: es geht gegen Fritz Stuchlik, die graue Eminenz des Schiri-Wesens, den Manager der Elite-Schiedsrichter.
Das ist der Esel; die Schiris sind nur der Sack.

Stuchlik war ein grauenvoller Referee: kleinlich, einsichtslos, ein echter Korinthenkacker mit Ärmelschonern.
Ob Stuchlik als Schiri-Chefeinteiler jetzt den Fehler vieler Chefs begeht und nur Leute fördert, die schwächer sind als er, kann ich nicht beurteilen. Die Kritik der Liga-Lobby und des Boulevards geht aber sehr unkonkret gegen "schlechte" Leistungen und begnügt sich im Vorrechnen von alten Laufleistungen.

So sehr es vielen Vergnügen bereitet, die alte Hass-Figur angepatzt zu sehen: so geht's halt echt nicht.
Zum einen, weil konkrete Anklagepunkte fehlen, zum anderen, weil der Kampf über Rufschädigung und mediale Erpressung - noch dazu auf dem Rücken von Stuchliks Schutzbefohlenen - läuft. Eine widerliche Suppe, die sich die Urheber dieser Kampagne da selber einbrocken.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass der österreichische Fußball - allen Sonntagsreden zum Trotz - eben keinen echten Reformwillen in sich trägt; sich mit der altbekannte Intrige, dem Hintherum, dem schmierigen Geklüngel zufriedengibt, anstatt mit offenem Visier seine Anliegen auszufechten.

Der Altinternationale als Trainerauslauf-Modell

Es war ein Fußball-Jahr, in dem der Begriff des Konzept-Trainers sehr wenig vorkam. Glücklicherweise. Zwischenzeitlich war ja jeder einer, der drei Blatt Papier mit dem Hefter zusammentackern und damit analphabetische Funktionäre ablinken konnte.

Dafür haben Österreichs Exporte eingeschlagen. Roger Schmidt ist mit Leverkusen auf Champions League-Erfolgskurs, Peter Stöger und Manfred Schmid steuern den FC Köln-Kahn recht gut durch die Bundesliga-Wogen, Ralph Hasenhüttl ist mit Underdog Ingolstadt Zweitliga-Herbstmeister und Kogler/Hörtnagl sind mit Erfurt noch in Aufstiegsreichweite. Und alle arbeiten hochkonzeptuell.

Übrigens: die neun deutschen Trainer der deutschen Bundesliga kommen zusammen auf exakt 0 Länderspiele. In Liga 2 sind mit Reck, Lienen oder Dirk Schuster eine Handvoll Berufungen präsent - der Großteil der 14 deutschem Coaches war als Spieler kein übergroßes Licht.
In Österreich sind mit Hütter, Baur, Barisic, Kühbauer und Knaller fünf von acht bewährte Alt-Internationale. Mit Pfeifenberger kommt noch der einzige geschasste Inländer dazu. In Liga 1 sind auch die Hälfte der heimischen Coaches gewichtige Ex-Teamspieler.

Nicht dass die deswegen automatisch-pauschal als schlecht abzuqualifizieren wären und etwa Canadi oder Glasner nur deshalb, weil sie es zwar zu U21-Einsätzen, aber nie ins A-Team geschafft haben, automatisch-pauschal bessere Coaches sind.
Ein Adi Hütter hat sich heuer aus der durch den Abgang von Mane entstandenen Systemkrise letztlich klug herausgearbeitet - aber er war nie der typische Ex-Internationale, der sich mit Hilfe einer augenzugedrückten Lizenz, Vereins- und Medien-Seilschaften in gute Position bringt, sondern einer, der sich's im Wortsinn erarbeitet hat.

Und, ja, letztlich ist am Klischee schon was dran: zu erfolgreiche Spieler sind tendenziell deswegen schwächere Trainer, weil sie davon ausgehen alles geschenkt und zugespielt zu bekommen. Trainer, die früher einmal wenig geschenkt bekamen und eher die Zu/Aufspieler der Großen waren, strengen sich einfach mehr an. Ein System wie das der ÖFB-Trainerausbildung befördert das auch. Die DFB-Trainerausbildung ist einen deutlichen Schritt weiter - was sich in der anderen Struktur der Trainer-Kaste niederschlägt und selbstverständlich auch bessere Resultate zeitigt, während das in der österreichischen Bundesliga noch zu vielen allzu egal ist.

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass der österreichische Fußball - allen Sonntagsreden zum Trotz - eben keinen echten Reformwillen in sich trägt; sich eben mit dem Altbekannten zufriedengibt und zeitgemäßes Anforderungsdenken weit weit wegschiebt.