Erstellt am: 16. 12. 2014 - 11:51 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 16-12-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
Dieser Eintrag sollte Montag erscheinen; ich habe länger gebraucht als erwartet.
#demokratiepolitik #machtpolitik #gläsernermensch
1
Die neue Bankkarte, die ich dieser Tage zugeschickt bekommen habe (das passiert in einer Regelmäßigkeit in der sich die Telekommunikations-Branche wünscht, dass wir ein neues Handy anschaffen; also schon echt häufig) enthält ein neues Symbol: vier nach rechts hin anschwellende Dinger, die ich als Radiotyp als Schallwellen identifizieren würde.
Sagt mir nichts.
Oben drüber steht PayPass.
Das sagt mir was.
Von der Einführung dieser kontaktlosen, nahezu fluiden Zahlungsweise ist ja schon seit längerem die Rede.
Jetzt hab ich's also auch gekriegt. Ungefragt.
Ich nehme zugunsten meiner sorgfältig abwägenden Bank an, es nicht automatisch aufgeschaltet gekriegt zu haben.
2
Mein Supermarkt wird sich schnell rüsten. Und bei einer anderen Bank als meiner, einer, die ihre Kunden duzt, wird erklärt, dass es nur einer Erst-Aktion bedarf um die Freischaltung zu aktivieren.
Ist irgendwie wie beim Dope-Dealer und der allerersten Probe für Teenager. Nur dass die bei dem gratis ist und dass du danach auch wieder aufhören kannst.
3
Dass ich die neue Karte dieser Tage gekriegt habe, halte ich für keinen Zufall. Ganz kürzlich hatte ein heimisches Wirtschafts-Magazin, das (sehr vorsichtig gesagt) dafür bekannt ist, industrierelevante (um nicht zu sagen: eindeutig lobbyistische), positiv-begleitende Berichterstattung zu pflegen, ein entsprechendes Cover: "Bye-bye Bargeld" wurde da gewunken; und die Fragestellung war nicht die österreich-kritisch-typische nach Fluch oder Segen des ersten Schritts zur flächendeckenden bargeldlosen Gesellschaft, sondern die nach dem Tempo dieser als eh klar für nötig und super befundenen Maßnahme.
Schließlich lassen sich mit dem Wundermittel Bargeldlosigkeit die Probleme Schwarzarbeit, kriminelles Schwarzgeld, Geldwäscherei und andere mehr beheben. Und die Weltwirtschaftskrise mit einem Ruck aushebeln; und sicher auch noch ein Mittel gegen Ebola oder Krebs finden.
4
Die schleichend eingeführte Superbequem-Zahlung per automatischer Abbuchung ist der erste, aber entscheidende Schritt zur Komplett-Abschaffung von Scheinen und Münzen. Und auch der erste und entscheidende Schritt zur Komplett-Überwachung unseres Gesamtkonsums. Wenn jede Zahlung, jeder Transfer Daten auswirft, ergeben wir uns vollständig, mit Haut/Haar&Innenleben in die Big Data-Bank der Industrie.
5
Kein Geld ist also super, sagt der Bank.
Der heißt bei mir jetzt so, DER Bank, einfach weil DIE Bank viel zu freundlich-sozial-caring klingt, sich vom Sound her hinter weiblichen Klischee-Freundlichkeiten verschanzt, während DER Bank doch viel eher dem rauhen Charakter der nahenden Negativbezinsung entgegenkommt, viel eher dem instinktlos-drüberfahrerischen Männlichkeits-Ideal entspricht.
Kein Geld ist vor allem super, weil der Bank dann jeglichen Transfer kontrolliert, also sein Geschäftsmodell ins quasi Unendliche ausweiten kann. Jeder Maronibrater, jeder Trinkgeldabhängige, jeder Schnorrer wird involviert, alles muss offiziell gemacht werden. Die Oma muss dem Enkerl das Schoko- oder Schul-Geld (das dann illegal für Games oder Panini-Pickerl eingesetzt wird) paypassen, sich einen Hunderter auszuborgen, wenn der Automat wegen Überziehung Auszahlungen verweigert, ist nimmer möglich und ich kann der Bettlerin, die vor der Bank auf der Mariahilferstraße sitzt, nicht mehr mein Kleingeld-Fach in den Becher werfen, weil es im Börsl kein Kleingeldfach mehr geben wird. Nur noch eins für Karten.
6
Wer kein Konto hat, wird nicht existieren..
Gut, das ist bis zu einem gewissen Grad eh auch schon heute so. Aber: die mit der Kompletterfassung einhergehende Automatik greift dann auch noch existente Kooperativen oder Schlupflöcher ab.
Dass es viel eher darum, geht Mittel- und Unterschicht zu disziplinieren und vollständige Einsicht in den Konsum-Kreislauf zu bekommen als darum das steuerschonende Geschiebe von Oberschicht und den von kriminellen Energien gesteuerten Verbrechens-Bereichen (von Schwarzarbeit bis Drogengeld; was alles auch meist unter Oberschicht-Aufsicht stattfindet) hintanzuhalten, lässt sich an der relativen Tatenlosigkeit der handelnden Definitionsmächtigen, was die Ausschöpfung bereits bestehender Mittel betrifft, ablesen.
7
Alle Spielarten von Steuerbetrug, von durch das Verschieben von Schwarzgeld befeuerten Parallel-Industrien, ließen sich deutlich intensiver bekämpfen als das jetzt der Fall ist. Verhindert wird ein Ausbau der Steuersünder-Fahndung und der Schwarzarbeit-Suche durch die allzu engen Verflechtungen von Politik, Lobbys (zb der von Der Bank an sich) und Industrie. Denn sowohl die illegalen als auch die halblegalen, moralisch erschreckenden (Stichwort: Luxemburg) neoliberalen Gesellschafts-Entstellungen sind Ausflüsse einer globalen Entwindungs-Strategie der Konzerne, die die Nationalstaaten via Kapital/Steuer-Abzug um ihre (demokratisch nötigen) Überlebenskonzepte bringen.
8
Apropos Luxemburg: das aus Irland bekannte und jüngst im Großherzogtum unter großem Getöse aufgeblattelte Patentbox-Modell, das globalen Companies Niedrigststeuern ermöglicht, wurde vom deutschen Finanzminister noch im Juli als großer volkswirtschaftlicher Schaden gebrandmarkt. Als die Luxemburger Rolle öffentlich wurde, forderte Schäble einerseits Transparanz und EU-Initiative um das Unrecht auszugleichen, verteidigte im selbem Atemzug aber den Inszenator, Partei-Kollegen Juncker.
9
Zwischenzeitlich findet der Langzeit-Finanzminister das Modell so super, dass er die Patentbox jetzt auch in Deutschland einführen will: offenbar sind gute Beziehungen mit der Groß-Industrie (auch der global-digitalen) wichtiger als Milliarden Steuer-Entgang.
Die vom Finanzkapital verursachte und von der Politik nicht behinderte Systemstörung jetzt durch eine Beendigung des Geldverkehrs (eh nur notdürftig und für ein paar Jahre Atempause) kitten zu wollen, auf Kosten der breiten Masse, das ist ein weitere Variante des Modells "Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren", nur eine weitere Station auf dem Weg, den der Turbokapitalismus in Richtung Wand fährt.