Erstellt am: 15. 12. 2014 - 19:13 Uhr
Warum wir klettern?
Für Laien ist Klettern ein relativ simpler Sport. Es gibt eine Felswand, es gibt einen Berg und das Ziel ist einfach oben anzukommen. Doch dieser Befund ist über hundert Jahre alt. Schon lange geht es nicht mehr in erster Linie darum, wo man hinkommt, also auf welchen Gipfel oder durch welche Wand, sondern vor allem darum, wie man das macht.
Für dieses Wie gibt es Regeln, die für jede Spielart des Kletterns unterschiedlich sind. Beim Bouldern werden einzelne Griffe und Tritte definiert, beim Sportklettern nur die Linie, wobei es dann darum geht, ob man die on sight, rotpunkt oder solo geklettert wird. Manche Routen dürfen technisch angegangen werden, also mit Hilfsmitteln wie Strickleitern, bei anderen ist jede Modernisierung verboten und sogar Absicherungen dürfen nicht erneuert werden.
Wie sehr ethische Fragen die Kletterszene dominieren sieht man etwa beim Streit um die freie Begehung des Cerro Torre von David Lama und Peter Ortner.
Ethische Fragen spielen beim Klettern eine große Rolle. Das ist ein erster Anknüpfungspunkt mit der Philosophie. Doch der Sport hält noch eine Reihe weiterer Fragen bereit. Wie viel Risiko soll oder darf man beim Klettern eingehen? Ist Free Solo Klettern, also Klettern ohne Absicherung überhaupt vertretbar? Darf man Haken oder Griffe in den Fels schlagen? Was ist authentisches Klettern?
mairisch verlag
Im Sammelband "Die Philosophie des Kletterns" versuchen Kletterprofis, Philosophen und Journalistinnen Antworten auf all diese essentiellen Fragen im Klettersport zu geben. Sie alle sind KletterInnen, wenn auch in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung. Da das Buch aus dem Amerikanischen übersetzt wurde und "climbing" dort sowohl Klettern als auch Bergsteigen bedeutet, geht es auch in der deutschen Ausgabe, die um einige Aufsätze ergänzt wurde, um beides.
In "Die Philosophie des Kletterns" wird etwa mit den altgriechischen Stoikern argumentiert, dass Klettern eine einzigartige Möglichkeit bietet, Freiheit zu erfahren. Mit Aristoteles kann man beweisen, dass man durchs Klettern ein besserer Mensch wird und der John Stuart Mill muss herhalten, um das richtige Risiko fürs Klettern abzuschätzen.
Die Fragen, die die Autorinnen und Autoren aufwerfen und versuchen zu beantworten, sind wohl fast jedem Kletterer schon einmal untergekommen, manche davon eröffnen neue Sichtweisen, etwa über moralische Aspekte des Free Solo-Kletterns, oder wenn William Ramsey versucht das Schlagen von Griffen in einer Felswand philosophisch zu rechtfertigen.
Dennoch scheint das Buch für ein anderes Publikum geschrieben zu sein: für Menschen, die an konkreten Anwendungen von Philosophie interessiert sind oder die PartnerInnen von KlettererInnen, die die Leidenschaft für den Sport nicht verstehen. Für KletterInnen selbst wirkt dieser Sammelband etwas bemüht, denn die kommen mit einfacheren Erklärungen aus.
"Die Frage, warum wir klettern sollten, ist ohnehin leicht zu beantworten, da sie mehrere gleichsam wahre Antworten zulässt: Wir sollten klettern wegen der körperlichem (sic!) und geistigen Herausforderung, wegen der schönen Gegenden, die man dafür aufsucht, wegen der tiefen Freundschaften, die dabei entstehen können, und dem Vergnügen, das Kletterer aus dem Erklimmen von Schnee, Eis und Fels ziehen."