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Burstup

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11. 12. 2014 - 15:56

Google News, das Mitleid und das Lobbying

Google schaltet die spanische Version von Google News ab - als Reaktion auf eine Reform des Urheberrechts, die unter anderem Lizenzzahlungen für Zitate und Links vorsieht.

Der Konzern Google kündigt den überraschenden Schritt in seinem Blog an - als Reaktion auf ein im Oktober vom spanischen Parlament beschlossenes Gesetz. Dieses wird von vielen Spaniern "Lex Google" genannt - es sieht nämlich vor, dass Betreiber von Suchmaschinen Lizenzzahlungen an Verlage und Autoren leisten müssen, wenn sie Auszüge aus deren Texten anzeigen. Das Gesetz tritt erst am 1. Jänner 2015 in Kraft, trotzdem will Google die spanischen News schon am 16. Dezember abdrehen. Warum hat es der Konzern damit so eilig?

Google Espana

google.es

Google übt damit Druck auf die Verleger aus, denen durch das plötzliche Aus von Google News viele Pageviews entgehen werden. Gleichzeitig heischt Google auch um Mitleid: In seinem Blog schreibt der Konzern nämlich, er würde mit Google News gar kein Geld verdienen, weil dort keine Werbung geschaltet werde. Das ist aus zwei Gründen unglaubwürdig. Erstens finden sich die Meldungen von Google News auch in den Ergebnissen der normalen Suchmaschine wieder – und diese ist dank Werbung ein Milliardengeschäft für Google. Zweitens betreibt der Konzern auf den News-Seiten zwar keine Fremd-, dafür aber kräftig Eigenwerbung. User werden von Google News zu den anderen Serviceangeboten des Konzerns gelockt – heute befindet sich da zum Beispiel ein großer Banner zum hauseigenen Play-Store. So leicht kann sich der Konzern also nicht herausreden mit dem Argument, man würde als News-Aggregator ja nichts verdienen.

Sad panda

Google nützt gegenüber den Verlegern auch geschickt die Tatsache, dass Spanisch die Muttersprache von weltweit mehr als einer halben Milliarde Menschen ist: Geflissentlich weist der Konzern darauf hin, dass bald auch keine Artikel spanischer Medien mehr für Google-News in Lateinamerika erfasst werden. Darüber sei Google "traurig", heißt es im offiziellen Firmenblog. Die Mischung aus Unnachgiebigkeit, Druck und Mitleidsmasche ist eine alte Strategie des Konzerns, die zum Beispiel auch im Streit zwischen GEMA und Google funktioniert hat.

Die GEMA wollte, dass Google den Musikern etwas für Youtube-Videos bezahlt, Google bewegte sich jahrelang keinen Millimeter, blendete dafür aber das berühmte traurige Smiley ein mit dem Hinweis, die GEMA wäre schuld, dass ein bestimmtes Video nicht gezeigt werden „dürfe“. Die öffentliche Meinung richtete sich gegen die GEMA, während die Menschen sich mit dem milliardenschweren Konzern solidarisierten. Die Musiker schauen durch die Finger und erhalten auch weiterhin kein Geld für Youtube-Views. Genauso kann man auch die aktuelle Diskussion rund um Google News sehen: Google wird immer reicher und mächtiger, vielen Verlegern geht es schlecht. Die Verleger – ahnungslos, wie das Internet funktioniert – betreiben Lobbyismus, Google macht geschickte Propaganda. Die Autoren bleiben auf der Strecke.

So wie man Google vorwerfen kann, Verleger zu epressen und die öffentliche Meinung zu manipulieren, muss man aber auch den Lobbyismus der spanischen Verleger kritisieren. Denn das Gesetz, das den Suchmaschinen in Spanien Gebühren für zitierte Artikel vorschreibt, ist auf unappetitliche Weise zustandegekommen. Zuerst verhandelten die Verleger jahrelang mit Google ums Geld. Eine Einigung wurde nie erzielt, woraufhin einige Verleger mit der Lobbyarbeit bei Politikern begannen. Gehör fanden sie vor allem bei der konservativen Partido Popular, der spanischen Volkspartei.

Misslungene Reform

Das Gesetz, das dann dabei herausgekommen ist, kann man getrost als schweren Unfug bezeichnen. Es ist Teil einer Urheberrechtsreform in Spanien, die unter anderem auch geringfügige Textzitate und Hyperlinks unter Urheberrechtsschutz stellt und bei Zuwiderhandeln Strafen von bis zu 300.000 Euro oder sechs Jahren Gefängnis vorsieht. Noch höher können die Strafen für Anbieter illegaler Downloads ausfallen, außerdem erlaubt das Gesetz die schärfere Überwachung von Internetusern – alles natürlich zum Schutz des geistigen Eigentums.

Der Verband spanischer Zeitungsverleger AEDE hat sich enthusiastisch hinter das Gesetz gestellt und spricht vom "wichtigsten Schritt, den jemals eine spanische Regierung zum Schutz der Presse unternommen hat". Kritischer sieht das ganze der Verband IAB, in dem unter anderem die Internet-Werbetreibenden vertreten sind. Laut IAB behindere der Gesetzgeber die Wirtschaft durch die unverhältnismäßige Kriminalisierung der verbreiteten Kommunikationspraxis.

Ähnlichkeiten mit den spanischen Lizenzzahlungen für Zitate und Links finden sich in Deutschland im umstrittenen Leistungsschutzrecht, das dort seit 2013 in Kraft ist. Das Gesetz ermöglicht Verlagen, für die Veröffentlichung von Zeitungsartikeln im Web eine Lizenzgebühr zu erheben. Suchmaschinen dürfen jedoch "einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte" lizenzfrei nutzen.

Auch vor dem Beschluss des Leistungsschutzrechts betrieben einige Verleger (etwa der Springer-Verlag), intensives Lobbying. Andere (z.B. Focus) kritisierten das Gesetz und sagten, dass 40 Prozent ihres Besucherverkehrs durch Google News zustandekommen. Da Google sich in Deutschland trotz des neuen Leistungsschutzrechts weigert, für die Darstellung von Google-News-Ergebnissen zu zahlen, werden bald die Gerichte damit beschäftigt sein. Das spanische Aus für Google News könnte man auch als Rute interpretieren, die Google den deutschen Verlegern ins Fenster stellt.

Letztlich hilft die Diskussion auch, uns die Marktmacht Googles in Erinnerung zu rufen: 90 Prozent aller Suchanfragen in Europa erfolgen über Google (in den USA teilen sie sich etwas besser auf Google, Bing und Yahoo auf). Vielleicht bewirkt die Schließung von Google News in Spanien ja, dass ein paar andere Suchmaschinen-Anbieter in Europa größer werden. Das wäre auch mal nicht so schlecht.