Erstellt am: 11. 12. 2014 - 13:33 Uhr
Amtsgeheimnis passé?
Öffentliche Ausgaben, Eurofighter-Gegengeschäfte oder mit Steuergeld finanzierte Studien: Oft heißt es bei Anfragen von Journalisten oder Bürgern dazu: "Das unterliegt dem Amtsgeheimnis." Eine der leidigsten und liebsten Antworten von österreichischen Politikern und Politikerinnen, könnte man meinen. Auf das Amtsgeheimnis hat sich im Mai 2013 auch der damalige Umweltminister Nikolaus Berlakovich berufen. Er wollte nicht beantworten, wie viele für Bienen schädliche Pestizide in Österreich in die Umwelt gelangen. Berlakovichs "Sumsigate" hat unfreiwillig auch die Diskussion um das Amtsgeheimnis in Gang gebracht. Und das zu einem gar nicht so schlechten Zeitpunkt. Denn bereits im Jänner 2013 fordert das Forum Informationsfreiheit, ein Team von österreichischen Medienmenschen rund um Josef Barth, ein Informationsfreiheitsgesetz. Die Kampagne Transparenzgesetz.at sammelt über 10.000 Unterschriften für ein Ende des Amtsgeheimnisses.
Das neue alte Informationsfreiheitsgesetz
FM4/ge
Beim "neuen alten" Entwurf, den die Regierung vergangene Woche vorgestellt hat, sei bis auf kosmetische Änderungen nicht viel passiert, kritisiert Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit: "Es gibt zu breite und zu schwammige Ausnahmegründe, unter denen eine Auskunft verweigert werden kann und uns fehlt ein Informationsfreiheitsbeauftragter oder eine Informationsfreiheitsstelle. Diese Stelle wäre eine erste Beschwerdeinstanz für die Bürger und sollte Bürgern helfen, zu ihrem Recht auf Informationsfreiheit zu kommen."
Das Forum Informationsfreiheit fordert für Österreich ein zentrales Inforegister mit Daten und Verträgen der Behörden und einen Beauftragten, der das kontrolliert. Dem Forum Informationsfreiheit fehlt im Entwurf auch eine Abwägungsklausel: Geheimhaltungsinteressen müssen immer gegenüber dem öffentlichen Interesse abgewogen werden - das könnte eine Informationsbehörde übernehmen: "Diese Behörde könnte sich geheime Dokumente anschauen und abwägen: Sind die relevant für die öffentliche Sicherheit, sind hier Geschäftsgeheimnisse betroffen und darf der Bürger das wissen?" sagt Mathias Huter. Denn sonst würden Ausnahmegründe wie Datenschutz, Geschäftsgeheimnisse und wirtschaftliche Interessen immer die Informationsinteressen der Bürger ausstechen, befürchtet Mathias Huter. Offen ist auch noch ob für Anfragen eine Gebühr verrechnet werden soll. Der Zugang zu Information sollte kostenlos sein, meint Mathias Huter.
Vorbilder Irland und Deutschland
Durch Informationsfreiheitsgesetze gestärkt können viele Journalisten im restlichen Europa arbeiten. In Irland zum Beispiel gibt es seit 1997 ein derartiges Gesetz, das laut dem irischen Investigativ-Journalisten Gavin Sheridan zwar nicht perfekt sei, aber zumindest vorhanden. Durch Informationsanfragen wurde beispielsweise aufgezeigt, wohin das irische Steuergeld fließt, und wieviel Geld das irische Finanzministerium für Limousinen-Fahrten oder Essen mit Journalisten ausgibt. Auch in Deutschland gibt es seit 2006 ein Informationsfreiheitsgesetz. Als Vorbild wird immer wieder das Transparenzgesetz für Hamburg genannt. Seit Oktober 2014 müssen Behörden in Hamburg alle relevanten Vorgänge von sich aus ins Internet stellen. Zum Beispiel Verträge von Wirtschaftsunternehmen, an denen die Stadt eine Mehrheitsbeteiligung hält, amtliche Statistiken, Gutachten, Geo-Daten oder Baugenehmigungen. Persönliche Daten und Geschäftsgeheimnisse werden geschwärzt.
Transparenz in Osteuropa
Auch in Osteuropa gibt es in einigen Ländern seit den 1990er Jahren ein Recht auf Informationsfreiheit. In der Slowakei zum Beispiel werden alle Verträge und Rechnungen des Staates online gestellt. Verträge zwischen Firmen und Staat treten sogar erst in Kraft, wenn diese online stehen. Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit: "Bürger können einfach und schnell auf einer zentralen Webseite nachsehen, welche Firmen welche Aufträge bekommen oder wieviel von meinem Steuergeld an der Schule meiner Kinder in Computer investiert wird." Auch Kroatien hat ein Modell, von dem sich Österreich etwas abschauen könnte: Die Bürger haben Zugang zu öffentlichen Informationen und starke Behörden, die die Rechte der Bürger durchsetzen. Mathias Huter erzählt: "Nach viel Korruption in Kroatien im Gesundheitssystem wurden Forderungen nach Transparenz laut. Zum Beispiel danach, dass die Verträge zwischen staatlichen Krankenhäusern und Pharmafirmen offengelegt werden. Eine Informationsbehörde hat dann abgewogen, ob das Geschäftsgeheimnis der Krankenhäuser oder das Interesse der Steuerzahler mehr wiegt. Die Daten wurden offengelegt."
Georgien und die Transparenz
Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit hat fünf Jahre lang für Transparency International in Georgien gearbeitet. Auch in Georgien gibt es mehr Transparenz als in Österreich. Dank der öffentlichen Daten in Georgien konnte Huter untersuchen, welche Firmen vom Staat Aufträge ohne Ausschreibungen bekommen haben: "Anhand öffentlicher Daten konnten wir nachweisen, dass 60% aller Spenden, die die Regierungspartei 2012 offengelegt hatte, von Eigentümern und Direktoren von Firmen kamen, die im selben Jahr öffentliche Aufträge erhalten haben – Aufträge ohne Ausschreibungen."
Looking for freedom?
Die Kultur des Amtsgeheimnisses ablegen und eine neue Kultur der Offenheit einführen, das wünscht sich Mathias Huter für Österreich. Bis dato kann die Zivilgesellschaft den "Freedom of Information Act-Friday" zelebrieren: Journalisten zum Beispiel in Deutschland und Amerika rufen die Bevölkerung dazu auf, jeden Freitag Informationsfreiheitsanfragen zu stellen. In Österreich ist das auf fragdenstaat.at möglich. 2015 verhandelt das Parlament dann weiter über den Gesetzesentwurf zum Informationsfreiheitgesetz.