Erstellt am: 11. 12. 2014 - 14:44 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 11-12-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
Wegen Pflegeurlaubs entfielen die Einträge vom Feiertags-Montag, von Dienstag und Mittwoch.
Siehe dazu auch:
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#fußballjournal14
Heute passt es doch echt gut: letztes Europacup-Match für dieses Jahr, das einen weiteren EL-Triumphzug von RB Salzburg beendet; zwei Tage vor der letzten 2014 auszuspielenden Meisterschaftsrunde; mit der abgeschlossenen Hinrunde im Rücken... da lässt es sich ganz gut bilanzieren.
Und zurückrudern.
1
Zurückrudern aus in euphorischen, aber zu kurzen Momenten vorschnell erreichtem, dann aber doch zu gefährlichem, überforderndem Wasser. Die Annahme, dass die unbestreitbaren Fortschritte der Nationalmannschaft und die unbestreitbare Europa-Reife der Salzburger Red Bull-Niederlassung (auch wenn das Standort demnächst degradiert wird) auch die noch verbliebenen Groß-Klubs in einer Art Bandwagon-Effekt nach oben ziehen würde, war zu gewagt.
Die Schuld daran liegt nicht in erster Linie - wie in vielerlei aktueller öffentlicher Diskussion insinuiert - an den vielen Dorfclubs der Liga, die das Niveau (auch und vor allem das infrastrukturelle) zwar automatisch runterziehen, aber nichts für die Level-Balance können.
Es obliegt nämlich immer den trendsettenden Groß-Klubs das zu pushen; vor allem dann, wenn sie die kleinen Vereine personell jede Halbsaison kannibalisieren.
Das, was Salzburg im Verbund mit Kollers ÖFB-Job aber gelungen ist (einen Niveauanstieg zu initiieren), wurde von Rapid, Austria und Sturm nicht genügend effektiv weitergetragen.
2
Mitschuld an dieser Misere ist vor allem die ungesunde Finanzpolitik, die von vielen Vereinen (und den dahinterstehenden Interessens-Clustern aus Lokal-Politik und regionaler Wirtschaft) seit den 80ern betrieben wurde. Weshalb der GAK so gut wie tot ist, der LASK zwischenzeitlich im Koma lag, der Standort Klagenfurt hypo-desastergleich vernichtet wurde und der Standort Innsbruck verseucht ist.
Es lässt sich nach diesem Halbjahr viel mehr das Gegenteil konstatieren: wenn die drei verbliebenen Großklubs aus den Städten mit ihren (durchaus genügenden) Mitteln verschwenderisch umgehen, dann finden sie sich automatisch in Augenhöhe mit jenen Dorfclubs wieder, die aus ihren (gerade einmal ausreichenden, eher ungenügenden) Mitteln das Beste machen. Und können nur die beiden (vor allem in ökonomischer Sicht kaum rettbaren) Problemkinder von der Südbahnstrecke hinter sich lassen.
Dabei sah das schon besser aus: neue Strukturen bei Sturm, neue Perspektiven bei Rapid, verbessertes Nachhaltigkeitsdenken bei der Austria...
Aber irgendwo in diesen sehr gut eingespielten Systemen der Traditionsvereine steckt ein Grundproblem: die vorschnelle Zufriedenheit mit oft zufällig Erreichten, die mangelhafte Innovations-Fähigkeit und die fehlende Chance Löcher durch eigene (kreative) Ideen stopfen zu können, weil da zu viele helfende Kochhände den Brei verderben, weil zu viel mit oberflächlicher Shopping-Politik planiert wird, anstatt sich in die Tiefe gehende Lösungen zu überlegen.
3
Die Verschwender, die Urasser, wie man das in Wien nennt, sind durch die Bank nicht imstande aus dem zweitbestmöglichen Personal das existente Potential rauszukitzeln.
Rapid hätte Wydra, Schaub oder Kainz; die Austria Royer, Grünwald oder Meilinger, Sturm Spendlhofer, Beichler oder Djuricin - und noch mehr Spieler, die sie klar über den Dorfliga-Rest erheben sollten, scheitern aber wegen diverser grundsätzlicher Mängel an dieser Pflichtübung. Gruppentaktische Aus- und Fortbildung, der ausgefeilte und auch gut vermittelte Matchplan, Persönlichkeits-Entwicklung und andere im internationalen Fußball wichtige (und mittlerweile auch in Österreich bekannte) Bereiche laufen bei den Groß-Klubs immer noch gern nebenher oder mit angezogener Handbremse.
Die Urasser können sich darauf verlassen, dass der schnelle Druck der Straße, jene unheilvolle Allianz aus marktschreierischen Fan-Gruppierungen (weniger denen aus der Kurve, sondern eher jenen aus der traditionellen Kleinsponsorerei drumherum) und empörungsgesteuerten Medien ihnen schnellstmöglich neue Mittel oder neues Personal in die Hände spült - sie werden also nie gezwungen sein, sich deutlich zu hinterfragen oder ernsthafte Überlegungen anstellen zu müssen.
Dieses Faulbett aber ist dann, wenn man nicht zufällig an einen farbenlehrentechnisch richtigen Vertrauten, der zufällig auch noch einen Plan hat (zb Peter Stöger/Manfred Schmid) gerät, tödlich. Denn sobald in Zeiten der Krise das faulbettproduzierende Umfeld mehr zur Kursbestimmung beiträgt als das Coaching-Team, ist der Turnaround nur noch durch Krisen der Mitkonkurrenten zu schaffen.
So kann es passieren, dass der Coach, der unter den dreien noch am ehesten so etwas wie einen strategischen Masterplan hat, am schlechtesten dasteht.
4
Dort, wo die Mittel knapp sind und man keine andere Chance hat, als sich durch die ganz gezielte Verbesserung von anderswo vernachlässigten Bereichen stärker aufzustellen als man eigentlich ist, herrscht also eine ganz andere Tonalität. Im Gegensatz zur Verschwender-Mentalität der Groß-Klubs sieht man sich am Dorf als Aufpäppler.
Zum einen für anderswo nicht Angekommene, Gestrauchelte oder Schwierige; zum anderen für Bereiche, die in den einflussreichen Ex-Teamspielerkreisen immer noch als überschätzt gelten.
Wenn also Damir Canadi mit dem dritt- oder viertbesten Personal arbeitet und mit Gercaliu, Prokopic oder Patrick Salomon mehr erreicht als die Groß-Klubs, dann wirft das ein allzu bezeichnendes Licht auf das, was eine Human Ressources-Abteilung können sollte. Nämlich gezielte Personalentwicklung: Profilierung statt Zufallsprinzip, Aufbau statt Friss-oder-Stirb. Etwas, was bei größeren Betrieben (auch bei ganz großen, ich weiß wovon ich spreche) gern vernachlässigt wird.
5
Es ist ein altbekanntes Phänomen: Vereine, die komplett zusammenbrechen, sich vom gewohnten Verschwenden lösen müssen, mit (meist jungen) Notmannschaften und anderswo Ungewollten antreten, können (sofern sie auch gut gecoacht werden) wie Phönix aus der Asche steigen.
Insofern wäre den Groß-Klubs genau eine solche Kur empfohlen: eine ganz ohne Zusammenbruch, eine freiwillige Selbstbeschränkung, ein Verzicht auf hysterische Reparatur-Maßnahmen. Rapid, Austria und Sturm würden mit weniger aufgeblähten Kadern, mit einer Beschränkung auf Schnäppchen und dem Verzicht auf Wegschnappereien besser bedient. Wenn dann noch jemand mit Canadis oder Schmid/ts oder Kleers oder Koglers Können (ein Hasenhüttl ist zurecht schon außer Reichweite) ein gezieltes Coaching übernehmen würde, wären mittelfristig auch wieder Investitionen sinnvoll - einfach weil sie in ein gesundes Umfeld fließen könnten.
6
Derzeit aber ist alles egal.
Die Dorfklubs stoßen an eine gläserne Decke - sie werden zwar Europa erreichen, dort aber nicht andocken können; und mittelfristig ist es Grödig oder Wolfsberg auch nicht möglich ein Top-5-Level in der Liga zu halten.
Die Groß-Klubs ergeben sich in ihrer halbgaren Loch-auf-Loch-zu-Politik, begnügen sich mit substanzlosen Reförmchen.
Und sind sehr zufrieden mit dem aktuell in den Medien gesungenen Klagelied über die Dorfliga - das lenkt von ihrem Unvermögen ab. Ich will da gar keine Orchestrierung unterstellen - die heimischen Sportmedien-Landschaft ist größtenteils tatsächlich so einfach gestrickt, dass sie nicht hinter das ganz Naheliegende (und das im Zudecker-Land Österreich meist Falsche) blicken können.