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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

11. 12. 2014 - 16:56

Quo vadis, Snowboarden?

Anstatt eine vereinte Snowboard-Tour aufzuziehen, spaltet sich die Snowboardszene weiter. Gibt es überhaupt eine Zukunft für Contest-Snowboarden?

Abseits von Metern und Sekunden

Ein wöchentlicher Überblick auf FM4 über sportliche Entwicklungen und anstehende Veranstaltungen

Wenn man letztes Wochenende den Air+Style Contest in Peking verfolgt hat, könnte man den Eindruck bekommen, dass die Entwicklung im Snowboardsport einfach nicht aufzuhalten sei. Allein um ins Finale zu springen, waren Triple Corks 1440s nötig, vier ganze Spins, dreimal kopfüber gedreht, um zu gewinnen, hat Emil Ulsletten aus Norwegen diesen Trick sogar switch ausgeführt.

Hier gibt's übrigens den üblichen Spin-to-win Artikel zum Air+Style.

Doch diese Entwicklung gibt es nur auf Trickebene. Denn kurz bevor der erste Rider in Peking über die riesige Stahlrampe gesprungen ist, wurde der Tourkalender der World Snowboard Tour veröffentlicht, ohne Air+Style Contest und ohne X-Games. Ein gewaltiger Rückschritt für eine vereinigte Contestserie. Dabei hatte dieses Jahr alles so schön begonnen.

World Snowboard Tour 2.0

Im Sommer 2014 gab es Jubelmeldungen aus der Snowboardszene. Der Snowboard Dachverband TTR hatte in seiner Hauptversammlung in Barcelona die Contest-Veranstalter, nationale Verbände, die Snowboardindustrie und zum ersten Mal auch Vertreter der RiderInnen dazu gebracht, sich hinter das Konzept eines vereinigten Snowboardweltcups zu stellen, der World Snowboard Tour 2.0.

Logo der World Snowboard Tour

World Snowboard Tour

Contest-Snowboarden sollte dadurch auf ein neues Level gehoben werden, die fragmentierte Szene zentralisiert und kommerzialisiert werden. Die Kommerzialisierung sollte dabei das Ziel verfolgen, mehr Geld in den Sport zu bringen und die World Snowboard Tour wollte dafür sorgen, dass dieses Geld dann dort ankommt, wo es hinsoll, zu denen, die sich um den Sport bemühen, vor allem zu den RiderInnen.

Die bisherige Tour wurde umgestellt, von zuvor sechs auf vier Ebenen: regional, national, international und Elite. Auf der Elite-Tour sollen die besten RiderInnen der Welt fahren. Gemeinsame Sponsoren und ein gemeinsamer Fernsehpartner sollten das dafür benötigte Geld einspielen.

Im Sommer war man sich über dieses Vorgehen noch einig, jetzt, zu Beginn der Saison, halten auf dem Elite-Level nur mehr drei Contests der World Snowboard Tour die Treue: die European Open und die US-Open, beides Veranstaltungen von Burton Snowboards, dazu der US Grand Prix in Mammoth Mountain. Von den anderen großen Contests sind die X-Games nicht mehr dabei, die Dew Tour war ebenso wie der Schiverband FIS gar nie an Bord und jetzt ist auch die neue dreiteilige Air&Style-Serie abgesprungen. Was ist da passiert?

Hauptversammlung der World Snowboard Tour

World Snowboard Tour

Die Hauptversammlung der TTR

Unterschiedliche Interessen

Bei den Verhandlungen für die gemeinsame Tour ist die TTR vor allem von den Contest-Veranstaltern abhängig, erklärt Reto Lamm, früher Topsnowboarder, heute ehrenamtlicher Präsident der TTR. Denn die TTR selbst hat keine Rechte an den einzelnen Events. In einer Art Maklerposition versucht sie die Interessen der Events, der Industrie, der Fahrer und der Marketingpartner unter einen Hut zu bringen, um mit der World Snowboard Tour ein Produkt zu schaffen, das sich verkaufen lässt. Dafür müssten die Events allerdings einige ihrer Vermarktungsrechte an die WST abtreten und darauf können sich nicht alle einigen. Unterschiedliche Sponsoren und TV-Partner reden mit. Doch wenn die großen Events keine Rechte abgeben wollen, dann hat die TTR kein Produkt, das sie verkaufen kann. In Detailgesprächen habe sich herausgestellt, dass noch sehr viele Sachen ungeklärt sind.

Die Rolle des IOC

Über die Beziehungen von IOC und FIS zur TTR hab ich schon öfter geschrieben, etwa hier.

Schlussendlich ist eine Einigung wie so oft wohl vom Geld abhängig, oder wie es Reto Lamm ausdrückt: "Die kommerziellen Aspekte lassen es momentan nicht zu, ein Großkonzept zu bauen." Snowboarden hat nicht mehr die großen Budgets der 1990er Jahre. Der Kuchen, den es zu verteilen gibt, ist kleiner geworden und an die ganz großen Sponsoren, die noch viel investieren, wie McDonalds oder Coca Cola, kommen die unabhängigen Contests laut Reto Lamm nicht heran. Denn die hätten Exklusivverträge mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und dürften keine Sportverbände außerhalb des IOC unterstützen. Ähnliches gilt für die großen Fernsehstationen. Auch sie hätten Exklusivverträge mit dem IOC oder der FIS, dem Internationalen Schiverband, die sie an die Events dieser Verbände bindet.

Diese Situation ist natürlich wenig zufriedenstellend, vor allem, wenn man weiß, wie viel Snowboarden dem IOC bringt. In den USA hatte es die höchsten Einschaltquoten unter allen olympischen Disziplinen. "Unser Sport liefert dem IOC einen Riesen-Benefit", sagt Reto Lamm, doch der Ertrag daraus werde nicht gerecht verteilt: "Die einzigen zwei, die bis jetzt davon profitiert haben, sind Shaun White und das IOC."

Air+Style

Shaun White ist nicht nur der größte Profiteur davon, dass Snowboarden zur olympischen Disziplin geworden ist, mit der Übernahme der Air+Style Company ist er auch unter die Contestveranstalter gegangen. Was Shaun White mit dem Air+Style genau vorhat, lässt sich aber nur abschätzen. Seine bisherigen Ankündigungen lassen darauf schließen, dass er den Fokus des Events etwas weg vom Snowboarden und mehr auf einen Lifestyle-Event legen will. Momentan konzentriert er sich auf seine eigene Contestserie und will sich nicht auf eine Zusammenarbeit mit der World Snowboard Tour festlegen.

Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass der Alleingang eines Veranstalters noch nie erfolgreich war. Die X-Games haben sich mit ihrer Expansion übernommen, die Dew Tour ist auch wieder zu einem Einzelevent zusammengeschrumpft. Ob der Air+Style ohne World Snowboard Tour zurecht kommt, wird sich zeigen. Bei einer Sache ist sich Reto Lamm allerdings sicher: Ohne Weltrangliste und ohne gemeinsame Tour würden die Snowboardcontests zu reinen Snowboardveranstaltungen verkommen, bei denen die FahrerInnen den Veranstaltern ausgeliefert seien. Kein besonders rosiges Bild.

Gibt es eine Zukunft für eine vereinte Contestserie?

Auch wenn heuer wieder ein verlorenes Jahr für eine vereinte Contestserie scheint, Reto Lamm will diesen Traum nicht aufgeben. "Vielleicht muss Snowboarden noch ein Stück weiter in die Krise rutschen, bevor alle erkennen, dass es der richtige Schritt wäre", sagt er. Bis diese Erkenntnis greift, will die TTR gemeinsam mit der neu gegründeten Global Snowboarders Alliance, und den nationalen Snowboardverbänden weiter an einer gemeinsamen Tour arbeiten und mit den Veranstaltern an den strittigen Details feilen. Die Enttäuschung über die Ereignisse der letzten Wochen kann er aber kaum verbergen: "Niemand hätte gedacht, dass wir 13 Jahre nach unserer Gründung wieder da stehen, wo wir am Anfang waren und das ist eigentlich ziemlich frustrierend."