Erstellt am: 10. 12. 2014 - 15:40 Uhr
A Farewell to "The Hobbit"
Wenn Billy "Pippin" Boyd zum Abspann von "Die Schlacht der Fünf Heere" mit unbedingt emotionaler, melancholisch gefärbter Stimme vom Last Goodbye (siehe unten) singt, dann sieht man vor dem geistigen Auge Peter Jackson laut und freudig auflachen. Denn man ist nicht umhingekommen zu bemerken, dass die jetzt zu Ende gehende "Hobbit"-Trilogie für den neuseeländischen Spektakelwichtel eher Pflicht war als Kür. Nicht umsonst weigerte Jackson sich jahrelang standhaft, das zu tun, was in den Augen von Produzenten und Fans eigentlich als selbstverständlich vorausgesetzt wurde: selbst die Regie zu übernehmen, wenn es wieder nach Mittelerde geht.
Ein ultrascharfes Biest
Mit "Der Herr der Ringe" hat Peter Jackson diesem fiktiven Kontinent - das Lebenswerk des englischen Professors J. R. R. Tolkien - seinen Stempel aufgedrückt. "Der Hobbit" hätte eigentlich - eine Traumvorstellung – vom ungleich saftigeren Fantasy-Visionär Guillermo del Toro inszeniert werden sollen. Doch dann schlitterte das Produktionsstudio MGM in die Insolvenz, die Vorproduktion wurde gestoppt und alle Involvierten mussten auf das essenzielle "grüne Licht" warten. Monate vergingen und irgendwann warf Del Toro dann das Handtuch.
Warner
Als Peter Jackson kurz darauf als Regisseur bestätigt wurde, wusste man schon, dass der Neuseeländer den Job eigentlich nicht haben wollte. Seinem "Hobbit", nach längerem Hin und Her dann doch als Dreiteiler angelegt, haftete von Anfang der Geruch von Pflichterfüllung an. Die Fans wollten es, das Studio wollte es, also musste es geschehen. 474 Minuten oder nicht ganz acht Stunden sind es schließlich geworden. Tolkiens schmales Büchlein, eine Kindergeschichte, wurde mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zum epischen Erlebnis aufgepumpt. Dass dabei die Anmut auf der Strecke bleibt, versteht sich von selbst. Aber wenn man diesem HFR-Biest in die Augen schaut, dann offenbart es eine ganz eigene Schönheit.
Warner
Drachenatem
Etwa wenn der Drache Smaug die Seestadt Esgaroth in Flammen aufgehen lässt. Diese Sequenz eröffnet "Die Schlacht der Fünf Heere" und taucht die Leinwand in orangerotes Drachenfeuer. Das folgende Massensterben ist eigentlich die Kulmination des zweiten "Hobbit"-Films: Dass es ins, oder genauer gesagt direkt vor das, Finale geschoben wurde, erzählt dann auch wieder einiges über die diversen Probleme, denen sich Jackson eigentlich nicht stellen wollte. Denn eine von Anfang bis Ende kontinuierlich Unheil verbreitende Nemesis wie in "Der Herr der Ringe" gibt es im "Hobbit" nicht.
Sicher, schon in "Eine unerwartete Reise" wurde erzählt, dass sich in der verfluchten Ruine Dol Guldur ein "Necromancer" eingenistet hat, dessen finstere Magie den umliegenden Wald vom saftigen Idyll zum Hort von Ungeheuern und Sinnestäuschungen hat werden lassen. Und Kenner von Tolkiens Werken wussten natürlich längst, dass mit dieser gasförmigen Kreatur niemand anderer als Sauron selbst gemeint ist. Im Finale treten jetzt Galadriel, Elrond und Saruman gegen den dunklen Lord und die neun noch durchscheinenden Ringgeister an und verbannen Sauron schließlich nach Mordor, wo er jene Geschehnisse vorbereitet, die dann in der zweiten Mittelerde-Trilogie ihre Wirkung entfalten.
Warner
Krieg in Mittelerde
Als wiedererkennbarer Schurke wird im "Hobbit" der monströse, weißhäutige Ork Azog, Beiname "The Defiler", in Stellung gebracht, der gemeinsam mit seinem Sohn Bolg Jagd auf Thorin Eichenschild (Richard Armitage) und seine Reisegesellschaft macht. Auch der Drache Smaug im zweiten und der Goblin-König im ersten Film reihen sich in diese Riege von Widersachern ein. Die Abwesenheit einer allmächtigen Nemesis nimmt der Trilogie dann tatsächlich einiges an dramatischem Fahrtwind, auch wenn die finale Konfrontation zwischen Thorin und Azog zu den besten Actionsequenzen des Kinojahres gehört.
Warner
Überhaupt ist "Die Schlacht der Fünf Heere" eine flotte Angelegenheit, allerdings auch der am wenigsten komplette Film der Trilogie. Als eigenständiges Werk ist das Fantasy-Abenteuer untauglich, als Abschluss vom "Hobbit" aber durchaus vorzeigbar. Thorin, die anderen zwölf Zwerge und der Hobbit Bilbo haben sich in der Zwergenstadt Erebor eingebunkert, wo bis vor kurzem noch Smaug regiert hat. Jetzt ist der selbst ernannte King under the Mountain auf fieberhafter Suche nach dem "Arkenstone", jenem Juwel, das einen Zwerg erst zum König macht. Die anderen Rassen Mittelerdes, darunter die Elben und die Menschen aus der Seestadt, verlangen einen Anteil an den Reichtümern, immerhin haben sie Thorin auf seiner Queste auch unterstützt. Als der sie vertreibt, scheint ein Krieg unvermeidlich.
Warner
Famous Monsters of Filmland
Jeder, der die ersten beiden Filme entbehrlich fand, sollte einen großen Bogen um "Die Schlacht der Fünf Heere" machen. Wieder inszeniert Peter Jackson mit barocker Geste, ist detailverliebt bis zum Exzess, erkennt nicht mehr, was für seine Geschichte relevant ist und was eher nicht. Man begegnet hier einem Filmemacher, der anscheinend konsumiert ist von seinem eigenen Stoff, weil er zu viel Zeit in dieser Legende verbracht hat. Ähnlich wie George Lucas ist ihm der Gradmesser abhandengekommen, wie viel von dem, was man zeigen kann, man auch zeigen sollte.
Warner
Der "Hobbit" ist ein Werk des Wahnsinns, voller Ornamente, Zierrat und Nutzlosigkeit und gerade auch deshalb so wertvoll, weil er vollkommen zeitgeistig aufgerüscht ist und dennoch aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Der Grund dafür liegt, wie im Übrigen auch bei Lucas, vermutlich darin begründet, dass Jacksons Künstler-Ich und Erzählerseele immer noch in einer saftigeren, bunteren, pulpigeren Zeit existiert. Als man den Coolnessfaktor eines Spektakelfilms an der Anzahl der verheizten Monster festmachte, als man als Fantast noch zufrieden war, das Publikum zu unterhalten und nicht gleichzeitig mit verbissener Ernsthaftigkeit einen der "besten Filme aller Zeiten" machen wollte. Nicht umsonst hat der Neuseeländer schon mit seiner King Kong-Hommage für viele eine dramatische Bauchlandung hingelegt: Voller Verehrung für das Original wollte er einen noch größeren, noch schnelleren Film bauen, mit noch mehr Monstern und noch besserer Action, auf dass es allen großen und kleinen Kindern dieser Welt die Freudentränen in die Augen treiben würde.
Warner
Fantastisch gescheitert
Unterhaltungskünstler, von denen sich niemand mehr unterhalten lassen möchte, sind ein unfassbar trauriger Anblick. Immer noch werde ich ganz emotional, wenn ich mir vorstelle, wie sich George Lucas jetzt fühlen muss: Das Lebenswerk an Disney verscherbelt, ist seine Prequel-Trilogie zum filmhistorischen Treppenwitz verkommen, während alle Welt zu sabbern beginnt, wenn der (heillos überschätzte) J. J. Abrams ein paar gar nicht mal so spannende Bilder zu seiner Episode VII ins Netz stellt.
Ja, letzten Endes ist der "Hobbit" ein phänomenal gescheitertes Unterfangen. Aber im gegenwärtigen Hollywood ist es immer noch ergiebiger, jemandem wie Jackson beim Scheitern zuzusehen, als beim neuerlichen Kinokassentriumph von Christopher Nolan einzuschlafen. Ich selbst habe am Ende von "Die Schlacht der Fünf Heere" ein paar Tränen verdrücken müssen. Nicht, weil Peter Jackson ein Meisterwerk erschaffen hat. Aber weil ich weiß, was für einen Film er machen wollte. Und er vermutlich selbst weiß, dass es ihm nicht gelungen ist. Trotzdem danke, Mr. Jackson.