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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

7. 12. 2014 - 15:57

Wehrlos

Der Song zum Sonntag: Portable - "Surrender"

Kapitulation. Eine lustvolle Selbstaufgabe im Angesicht einer möglichen großen Liebe. Der magische Blitzschlag, der uns in dem Moment durchzuckt, in dem wir glauben, nein, wissen, dass es schön sein kann, mit dieser einen Person. Ein kleiner Blick, ein fremdes Wort, das uns die Luft wärmt.

Kurz haben wir kein Problem damit, uns selbst zu vergessen, uns komplett im Gefühl der Wonne aufzulösen, uns hinzugeben, zu ergeben. Der ursprünglich aus Südafrika stammende Produzent Alan Abrahams hat die neue Single seines Projekts Portable "Surrender" genannt und meint damit eben nicht das erzwungene Strecken der Waffen in Zeiten des Krieges, sondern den freiwilligen Wunsch nach Schwerelosigkeit und Erlösung durch jemanden, der man nicht selbst ist. Es gibt da draußen Kräfte, die uns helfen können.

Bodycode

Bodycode

"Hands up, I Surrender", singt ein in Watte gekleideter Bariton im Refrain des Stücks und wir wissen, dass so ein Gefühl der glücklichen Selbstauslieferung meist bloß von kurzer Dauer ist, doch dieses Lied schert sich nicht um ein hässliches Morgen. Es fängt den knappen Augenblick der Heilung in der Flasche ein.

Unter dem Namen Bodycode widmet sich Alan Abrahams für gewöhnlich ausdrücklich dem Dancefloor, mit abenteuerlichen, feinmaschig gewobenen und zärtelnden Produktionen, die von der großen Seele von House aus Chicago, der Strenge von deutschem Techno und Einflüssen von südafrikanischem Kwaito zehren und meist von starkem Percussion-Einsatz leben. Als Portable arbeitet Abrahams etwas abstrakter, nicht auf Funktionalität abzielend, offener und spricht deutlicher dem Dub zu. Die Unterschiede zwischen den beiden Projekten sind minimal.

Die anschmiegsame Portable-Nummer "Surrender" zeigt Abrahams auf der Höhe aller seiner Künste. "Surrender" schleicht unaufdringlich und höflich durch die Hintertür in die Brust, ist dabei so aufsehenerregend detailreich und von atemberaubender, leiser Qualität. Müde, geradezu besonnene und durch große Schwärmerei, ja, verträumte Klavierakkorde geben der Nummer den emotionalen Unterbau, die Percussions, eine weiche Tom, ein Zischeln an den Becken, sind klar herausgearbeitet. Im Hintergrund dringt ein sachtes Housepiano-Motiv in den Song, will aber nicht die Führung übernehmen, eine Flöte bläst.

"Let's go to the movies/ Get a coffee/ You need to know me" singt Abrahams über den Genuss der ersten Kontaktaufnahmen. Über das Verlangen, sich der anderen Person zu öffnen. "Take a walk/ On the river/ And melt in your company", heißt es weiter. Ein Song über die Freuden des Ineinanderverschmelzens, jetzt schon ein Klassiker über den Glauben an Vereinigung, ohne Zynismus und ohne falsches Schmalz, ein Song, in dem Text, Form und Inhalt genau das tun, was er als Botschaft transportiert – ineinanderaufgehen.