Erstellt am: 8. 12. 2014 - 08:47 Uhr
30 Jahre Hainburg
Vor 30 Jahren hat die Besetzung der Hainburger Au begonnen - mit einem "Sternmarsch" auf die Stopfenreuther "Brücklwiese". Zu einer Kundgebung Abend hatten sich bereits 5.000 bis 8.000 Menschen in der Au versammelt. Denn am darauffolgenden Montag sollten die ersten Bauarbeiten für das geplante Kraftwerk beginnen.
Wolfang Rehm hat auch die Seite 30 Jahre Hainburg eingerichtet.
Die wochenlange Besetzung verhinderte die Zerstörung eines der größten Auwälder Europas. Was hat den Protest ausgelöst, wie empfanden die Besetzer die gegen sie ausgeübte Gewalt, und was führte schließlich zum Erfolg des Protests? Ich habe mit dem Niederösterreicher Wolfgang Rehm gesprochen. Er war damals 18 Jahre alt, als er half, die Hainburger Au zu besetzen.
![© APA-FOTO: Kurier/Gerhard Sokol Protestierender hängt sich an eine Baggerschaufel, Besetzung Hainburger Au](../../v2static/storyimages/site/fm4/20141249/hainburg2.jpg)
APA-FOTO: Kurier/Gerhard Sokol
Warst du schon von Anfang an dabei beim Sternmarsch und der Kundgebung?
Ja das war mein Einstieg. Ich stamme aus der unmittelbaren Nähe aus dem Marchfeld. Ich war damals 18 Jahre alt und mit keinen Organisationen vernetzt. Der Sternmarsch war mein Einstieg, mein Kontakt mit der Bewegung.
![© Christoph Weiss Wolfgang Rehm im FM4 Studio](../../v2static/storyimages/site/fm4/20141250/rehm_body_small.jpg)
Christoph Weiss
Was hat dich damals motiviert zu sagen: ich gehen in die Au und protestiere dagegen, dass da die Bagger kommen?
Dem Ganzen sind eineinhalb Jahre Medienberichterstattung vorangegangen, wo man uns immer erklärt hat: 'Da gibt es nichts daran zu rütteln – das Kraftwerk Hainburg wird gebaut'. Der Bautermin ist immer näher gerückt und es wurden dementsprechende Skandalbescheide ausgestellt. Als letztes Mittel blieb uns nur der individuelle Einsatz. Das war für mich die Gelegenheit – eineinhalb Jahre innere Beteiligung in mir habend - hinzufahren und mich zu beteiligen.
Es war also die gefühlte Willkür der Behörden, die dich und die anderen auf die Palme gebracht hat? Was waren solche „Skandalbescheide“?
Es gab zwei maßgebliche Bescheide: Der Wasserrechtsbescheid, der mit einem bevorzugten Wasserbau - das war das Instrument das es damals gegeben hat - und der Ausschaltung aller Parteienrechte zustande gekommen ist. Und den Naturschutzbescheid des Landes Niederösterreich, wo die Bezirks-Hauptmannschaft in erster Instanz gesagt hat: das Kraftwerk ist mit den Naturschutzgesetzen nicht vereinbar. Der zuständige Landesrat hat dann die Weisung erteilt, einen positiven Bescheid zu erlassen und den auch im November 1984 verkündet.
Das hat euch dazu verleitet, zu sagen: Wie gehen in die Au hinein.
Es liefen schon entsprechende Rechtsmittel, aber es ging darum, die Frist zu überbrücken. Was ja auch gelungen ist, weil schlussendlich erkannt worden ist, dass zumindest einer der Bescheide rechtswidrig war. Aber vorübergehend waren die in Rechtskraft.
![© APA-FOTO: Kurier/Gerhard Sokol Hainburg-BesetzInnen zeigen Plakat her, Links: Friedensreich Hundertwasser](../../v2static/storyimages/site/fm4/20141249/hainburg3.jpg)
APA-FOTO: Kurier/Gerhard Sokol
Aber bis dahin musste einiges an Zeit vergehen – ihr wart letztendlich einen Monat lang mit Zelten in der Au. Es kam ja auch zu einigen Exzessen seitens der Polizei. Wie hast du das erlebt? Wann hast du bemerkt, dass das jetzt extremer und gewalttätiger wird?
Ich war ganz am Anfang dabei, wie es noch weniger Leute waren und es darum gegangen ist, sich erst einmal in der Au festzusetzen. Wir hatten in den ersten drei Tagen drei Gendarmerie-Einsätze. Dann einen Versuch das Gebiet abzuriegeln und auszuhungern, was nicht gelungen ist. Dann eine Frist, bis zum 17. Dezember die Au zu verlassen, mit einer neuen Sperrgebietsverordnung. Und in der zweiten Woche – die heiße Phase dauerte 11 Tage bis zum Weihnachtsfrieden – gab es zwei Polizei-Einsätze, einen gescheiterten Rodungsversuch am 17. Dezember und einen großen, sehr brutalen Polizei-Einsatz am 21. Dezember. Dort war auch Wiener Polizei im Einsatz. Ich persönlich war da allerdings nicht anwesend, kann also keinen Augenzeugen-Bericht geben. Allerdings habe ich mit vielen Menschen gesprochen, viele Bilder gesehen und bin ungefähr vertraut damit, was da passiert ist.
![© APA-FOTO: Kurier/Gerhard Sokol Gendarmerie-Einsatz Hainburger Aubesetzung](../../v2static/storyimages/site/fm4/20141249/hainburg1.jpg)
APA-FOTO: Kurier/Gerhard Sokol
Und wir alle kennen die Bilder von Menschen, die verletzt waren, geblutet haben…
Verletzungen gab es vom ersten Tag an. Knochenbrüche und so weiter. Auch wenn kein Schlagstockeinsatz passiert ist, Menschen die Böschung hinunter zu werfen - vor allem Ältere, die dann unglücklich fallen – das kann schon zu Verletzungen führen. Das braucht man nicht verharmlosen!
30 Jahre Hainburg
Seit 10 Jahren widmet sich diese Website dem Thema. Neben zeitgeschichtlichen Erfahrungen und Erlebnissen geht es den ehemaligen Aubesetzern auch darum, den "Geist von Hainburg" wachzuhalten bzw. ihn erneut zu wecken.
Also vom ersten Tag an Verletzte, und drei Gendarmerie-Einsätze am ersten Tag…
In den ersten drei Tagen! Wir haben es am ersten Tag sehr erfolgreich geschafft, uns dort im Gebiet festzusetzen, obwohl es riesig ist. Man brauchte von einem Ende zum Anderen ungefähr eineinhalb Stunden zu Fuß! Wir haben uns da mit ein paar Menschen mehr oder weniger günstig darüber verteilt. Dann wurde am ersten Tag von der Gendarmerie durchgeräumt, es wurden ein paar Bäume gefällt. Das musste aber durch den frühen Einbruch der Dunkelheit bald eingestellt werden. Das war ein Rückschlag für die anderen. Der entscheidende Punkt für mich war dann der zweite Tag, wo wir genügend Menschen waren, dass die Gendarmerie es nicht mehr geschafft hat, das vom ersten Tag noch einmal zu wiederholen. Der zweite Tag war auch die Grundlage dafür, dass wir eine Lagerinfrastruktur aufbauen konnten, dass man dort auch übernachten konnte. Und dass die wenigen Barrikaden mehr und erweitert und ausgebaut wurden.
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Das ganze Interview mit Wolfgang Rehm
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![© APA/HERBERT NEUBAUER Hainburg heute](../../v2static/storyimages/site/fm4/20141249/hainburg_heute_body.jpg)
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