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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

4. 12. 2014 - 17:44

Schwerfälliges Spionieren in Zeiten der Kälte

Die englische Serie "The Game" schickt Agenten auf eine mühsam zu entschlüsselnde Mission in die 70er. Eine sehr gute Show ohne Krawall und Sensation.

"The Game" ist verwirrend - aber so muss das wohl bei einer Spionageserie sein. Langsam, ganz langsam geschieht sehr wenig - welche Fäden wollen hier überhaupt verfolgt werden? Die gerade gemächlich ihrem Ende zuruckelnde sechsteilige Miniserie der BBC wirft den Zuseher in die kühlen Wasser des Kalten Krieges, an der Oberfläche sind sie still.

Ein siebenköpfiges Team des britischen Geheimdienstes beratschlagt im London des Jahres 1972 an runden Tischen und in miefigen, vernebelten Nachtlokalen - ein Plan des KGB muss von der MI5 aufgedeckt werden: Ein angeblich brandgefährliches Unternehmen namens "Operation Glass", wie man hinter vorgehaltener Hand von einem eventuell vertrauenswürdigen sowjetischen Überläufer erfahren hat. Wie, was, wer, warum, man weiß es nicht.

The Game

BBC America

The Game

So dauert es bei "The Game" auch schon einmal gut zwei Episoden, bis man so halbwegs mit dem Personal der Show vertraut ist: Engländer, Russen, Abhörspezialisten, Sekretärinnen, Politiker, Geliebte und Doppelagenten bevölkern den speziell schwerfällig vorankommenden Plot. Eine Stärke von "The Game". Im Zentrum steht ein echsengesichtiger junger Mann, dem die Rolle eines sogenannten "Interrogators" zukommt. Ein Mann von alienhafter Schönheit und der Undurchschaubarkeit einer Kameliendame.

Der englische Schauspieler Tom Hughes, der demnächst wohl ein größerer Star werden wird, spielt diesen Agenten Joe Lambe als schwer lesbaren Grübler, dem zwar in "The Game" die Sympathien zukommen, in dem jedoch auch Dunkles zu brodeln scheint. Der ehrwürdige Brian Cox gibt unter dem schlüpfrigen Codenamen "Daddy" (wo dieser herrührt, kann wieder einmal niemand bezeugen) den Chef des Trupps, ein einsilbiger Mann, leicht muffig und altersgrimmig, ebenfalls ein bequemes Enigma.

Wir treffen auf einen hemdsärmeligen, grundsoliden Cop, eine leicht verschusselte Sekretärin oder einen alternden Junggesellen in Dandy-Kostümierung, den mehr als unangenehme Gerüchte bezüglich seiner sexuellen Vorlieben umschwirren. Allmählich zeichnen sich Marotten und Macken der Charaktere ab, dennoch bleiben die Figuren mit voller Absicht seltsam unnahbar, meisterlich agierende Puppen, die allesamt etwas zu verbergen haben und wissen, dass in ihrem Job das Spiel mit Rauch und Spiegeln oft überlebensnotwendig ist.

The Game

BBC America

Diese toll regungslosen Darsteller und Täuscher gleiten durch Kulissen, durch erfreuliche Dioramen der Nostalgie. "The Game" schwelgt in schickem Seventies-Zeitkolorit. In aus wohligen Cognactönen entworfenen Szenarien wird in teuren Nadelstreifanzügen ständig und überall geraucht, stilvollen Whiskey trinkt man hier schon zu Mittag, im Büro. Dazu läuft zischelnder, Henry-Mancini-hafter Spionage-Jazz.

Bespitzelung und Überwachung – das bedeutet in den 70ern freilich weniger Technologie, vielmehr ewiges Warten auf Parkbänken, in der Hoffnung auf das Auftauchen irgendeiner Kontaktperson. Man reicht Zettelchen weiter, sucht Briefkästen und Schließfächer auf, riesig sind die Tonbandspulen und die Kopfhörer, mithilfe derer man versucht, durch beige Tapeten-Wände Brenzliges zu erlauschen. "The Game" lebt von seiner Zähflüssigkeit, den mühsam mahlenden Mühlen, seiner Strenge und Härte.

Lange tiefe Blicke, knappe Dialoge, Verbitterung, Patriotismus und sein Gegenteil. Humor findet kaum statt, in fünf Episoden waren bislang sieben mild süffisante Oneliner und dreieinhalb awkward Momente zu erleben. Nervenaufreibende Spannung, die oft durch den Mangel an Ereignissen entsteht, einige wenige sorgsam gesetzte, betont unaufgeregte Action-Sequenzen, die in ihrer Schlichtheit umso mehr aufrütteln.

"Action", das meint bei "The Game" meist kaum mehr als eine Verfolgungsjagd im gehobenen Laufschritt, ein kurzes Katz- und Maus-Spiel im fahrenden Zug samt minimalem Gerangel oder einen nüchternen Showdown zwischen zwei Männern und ihren sehr kleinen, dünnen Pistolen. Irgendwann gibt es eine Explosion, sie bemüht sich nicht um Bombast.

"The Game" ist eine kalte, hochkonzentriert in sich ruhende Show, die nicht spritzt und auch Plot-Twists ohne Gekreische inszeniert. Eine Show, die hohe Aufmerksamkeit erfordert und dann hinter Politik, Mord und der ewigen Behauptung von Loyalität eben doch noch ein paar private Gefühlsregungen und Herzschmerz durchschimmern lässt.