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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

3. 12. 2014 - 18:34

Auf der Leiter ganz oben

Heinz Strunk hat eine Bedienungsanleitung zum Erfolg geschrieben: "Das Strunk-Prinzip" geizt nicht mit feinem Witz, Formulierungsraserei und Kritik.

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Die Idee, das Prinzip des Selbsthilfe-Ratgebers humoristisch auszubeuten und der Forderung nach einem emsigen Hornissenstaat voller Mehr-Leister, Anpacker-Typen, Schaffer und Besserwerder einen unschönen Spiegel hinzuhalten, ist keine neue, aber eine gute. Vor allem wenn der Hamburger Alleskönner Heinz Strunk sich der Verbesserung der Erde und des Selbsts annimmt.

"Macht es nicht selbst" haben Tocotronic als Ansage gegen das von außen aufoktroyierte Abliefern von Eigeninitiative und das Individualisierungs-Diktat gesungen, Heinz Strunk erklärt im Gegenteil in seinem neuen Buch, wie man sich vom Normalo, Versager, Tagedieb zum erfolgreichen und begehrten Bringer zurechtformen kann. Auf allen Gebieten. Heinz Strunk beleuchtet in "Das Strunk-Prinzip", das auf Kolumnen für das Satiremagazin "Titanic" basiert, in kurzen Kapiteln Themen wie Mode, Psychologie, Sport, Weihnachten oder Lehrer und wie mit ihnen umzugehen ist.

"Das Menschlein ist zunächst noch ein grober Holzklotz ohne alles. Es braucht jetzt einen Schnitzer, der aus dem knarzenden Block ein Kunstwerk schmirgelt. Aber wenn er sich verschwurbelt, wird aus dem Holzblock ein hässlicher Stumpf, der, außer Kontrolle geraten, durch die Stadt marodiert und Kaugummiautomaten in die Luft sprengt."

Heinz Strunk

Heinz Strunk

Heinz Strunk hat es richtig gemacht, für ihn stehen die Zeichen auf Success - er modelliert sein Leben nämlich nach dem Strunk-Prinzip. Er hat es erfunden und muss es so gebetsmühlenartig in jedem Kapitel wieder und wieder als den allmächtigen Trostspender bemühen und deutlich ausbuchstabieren. Es ist seine Marke mit Impact.

Der Erfolgsautor Strunk weiß, wie der Erfolg zum Erfolgstypen kommt. Was den Pessimisten vom Optimisten unterscheidet. Durchsetzungswille, Stärke und Selbstsicherheit scheinen unverzichtbare Voraussetzungen für den Weg in die Oberliga. Strunk widmet sich in seinen Ausführungen also den nur ganz wichtigen Dingen: Wohnen, Alkohol, Kinder, Medien, Kultur.

"Statt Brüllexzessen Tischgebet, statt Napffraß tiefe Teller, satt Rudelbums Samenroulette - Kultur ist das Korsett, das Luft zum Atmen lässt und trotzdem Struktur gibt."

Heinz Strunk ist mittlerweile zum Großwesir der Formulierungskunst und des Fabulierungswahnsinns geworden. Im Sinne der leistungsorientierten Motivationsmission seines Buches verwendet er glattpolierte, hohle Manager-Lingo und phrasenförmigen Werbejargon. Er schraubt diesen Duktus des Blendens ins Absurde und koppelt ihn mit schiefen Metaphern, neuartigen Wortzusammensetzungen und einer überschäumend bildhaften Sprache, die oft Motive von Körperlichkeit, Krankheit, Verfall und Ekel bemüht. Zwischen der Luxus-Personality, die man sein könnte, und der modrigen Unterschichtsbude, in der man dahinsiecht, klaffen ideologische Welten.

"Sexualität - von Säften und Süchten. Sackbahnhof, Taschenbillard, Eierlaufen, Schokospiele, DDR-Ständer - fünf Begriffe, ein Problem: Die unaufhaltsame Sexualisierung der Ausziehgesellschaft."

Strunk

Rowohlt

"Das Strunk-Prinzip" von Heinz Strunk ist bei Rowohlt erschienen.

"Das Strunk-Prinzip" ist also ein sehr lustiges Buch, das jedoch angesichts der hier vollführten grell funkelnden Wortjonglage und des vom Leser geforderten Einsatzes nur in schmalen Dosen konsumiert werden sollte. Das, was wir gemeinhin "Satire" nennen, greift zu kurz, nie entblößt sich "Das Strunk-Prinzip" als bloßes, ödes Augenzwinkern oder versucht durch "ironisches" Ranschmeißergehabe mit seinem Publikum Sie-Verstehen-Was-Ich-Meine-Allianzen zu schmieden.

Durch den Umstand, dass das Buch stets vorgibt, sich selbst höchsternst zu nehmen und tatsächlich die Weltformel zu kennen, entsteht interessante Reibung. Kritik am System, den Aussiebeverfahren der Gesellschaft und dem ewigen Wettkampf mit sich selbst und allen anderen dringen hier zwar aus jeder Pore des Textes, tun das aber ohne lebensmüden Biedersinn. Selbstoptimierungszwang und Flexibilisierungsnot führen so weit, dass selbst die eigenen Emotionen auf Nutzwert abgeklopft werden müssen:

"Nächstes vermeintlich 'schlechtes Gefühl': Neid. Bei genauerem Hinsehen (für das das Strunk-Prinzip bekannt ist) entpuppt sich der Neid sogar als eine der wichtigsten Sprungfedern im evolutionären Prozess, denn er führt dazu, dass wie mehr haben, erreichen und verdienen wollen als unser Konkurrent. Während Zufriedenheit, von der breiten Masse als gutes Gefühl bewertet, uns saturiert, träge und faul werden lässt. Konsequenz: Totalverlust. Alles weg."