Erstellt am: 3. 12. 2014 - 12:06 Uhr
Die Schönsten Filme aller Zeiten
Schon beim Anblick des Programmhefts verschlägt es einem den Atem: Ava Gardner in einem Werbestill für The Barefoot Contessa (1954). Ihr Blick lodert, ihr Haar leuchtet, ihr Kleid besteht vermutlich aus einem einzigen Saphir-Diamanten. Ich hoffe doch sehr, dass bald ganz Wien von Ava Gardners erlauchter Gestalt festlich zu-plakatiert sein wird und freue mich schon auf den Moment, in dem ich dieses Plakat zu meiner Wandtapete mache.
Österreichisches Filmmuseum
Weiter ins Programmheft vordringend, ruft das Auge: Samuel Fuller! Joseph von Sternberg! André de Toth! Edgar G. Ulmer!
Vor dem Kinogeher tut sich eine Retrospektive auf, die anlässlich des 25. Jubiläums der Film Foundation Martin Scorseses erstellt worden ist. Die Film Foundation unternimmt als Projekt offensichtlich die schier unglaubliche Sisyphos-Aufgabe der Erhaltung und Restaurierung der Filmgeschichte entire.
Im Filmmuseum wird nun das Material des sonst so ephemeren Mediums Film hervorgehoben und angesprochen, indem ein wunderschön ausgewähltes Programm restaurierter Filmperlen gezeigt wird. Einige der Filme, sagen wir Night of the Hunter oder Shadows von Cassavetes, sind alte Lieblinge, die nun in besonderem Glanz erstrahlen. Andere, wie The Big Trail, der 1930 auf 70 mm gedrehte Western von Raoul Walsh, sind kostbare Seltenheiten; manche, wie The Breaking Point, werden vom gängigen Filmkanon ja beinah ignoriert. Gemeinsam bilden diese Filme eine poetische Rundschau auf 45 Jahre Filmgeschichte.
Ein Anlass also, sich große Brocken des amerikanischen Filmkanons wieder zu geben - endlich kann man altbekanntes wie Joseph L. Mankiewiczs All About Eve ordentlich nachholen; und zwar nicht in der geläufigen Süddeutschen Zeitung Cinemathek dvd, sondern auf seinem tatsächlichen Zelluloid, auf der Leinwand des Unsichtbaren Kinos, mit all seinen silbernen Schatten- und Wortspielen. Tatsächlich geht es hier nicht nur um Silber und noir: Farbfilme kommen auch besonders zur Geltung, so z.B. der selten gezeigte The Boy with Green Hair von Joseph Losey.
Hier also ein Vorschlag - 10 unentbehrliche Filme aus einem Programm total unentbehrlicher Filme:
The Bigamist (1953) Ida Lupino
Ein kleiner Film über einen, nun ja, Bigamisten. Das “Thema” der alternativen Beziehungskonstellationen ist sowieso gerade in aller Munde, aber dieser Film ist eigentlich auch ein wunderschönes, zu Leinwand gebrachtes Unbehagen der westlichen Kultur. Ida Lupino – immer wieder als Produzentin, Regisseurin, Drehbuchautorin, und Filmstar fungierend – wird ohnehin viel zu wenig erwähnt oder gewürdigt, und The Bigamist ist somit Pflicht. Mit Joan Fontaine und Ida Lupino selbst als die beiden Ehefrauen.
Österreichisches Filmmuseum
Turnabout (1940) Hal Roach
Ein ständig unzufriedenes, gender-ge-troubletes Ehepaar tauscht Körper. Chaos ensues. Turnabout ist vielleicht weniger sexuell aufgeladen als der ebenfalls gezeigte Pre-Code Ära-Liebling It Happened One Night (1934); die Witze, die eher auf sozialen Aspekten verweilen, beuteln einen ordentlich durch und wirken hochaktuell.
They Live By Night (1948) Nicholas Ray
Denn alle Filme sollten mindestens so sein wie They Live By Night: Ein Bub und ein Mädchen, soziale Not, Gewalt, eine getriebene Gesellschaft; darüber die Film noir Vorahnung von “You Can’t Win”. Ein Film der Filme.
Film Foundation / NYFF
The Night of the Hunter (1955) Charles Laughton
Children! Night of the Hunter sollte ohnehin bei jeder Gelegenheit, in der es ihn im Kino spielt, gesehen werden. Robert Mitchum (und Robert Mitchums Stimme!) auf den Fersen zweier kindlicher Protagonisten, die sich durch eine dunkle Welt kämpfen müssen. Nochmal anschauen, staunen, gruseln, und fragen: was ist Night of the Hunter überhaupt für ein Film? Ist es denn etwa ein Märchen Noir? ein Kinderfilm Noir? ein Südstaaten Gothic Noir, vielleicht?
Auf jeden Fall gibt es einfach keinen anderen Film wie The Night of the Hunter.
Pursued (1947) Raoul Walsh
Film noir trifft auf Western: Robert Mitchum als geplagter Mann, den die Vergangenheit nicht loslassen will. Im Kern ein unglaublich brutales Melodram und ein weiterer Beweis, dass der wahre, innere Horror des Menschen sich einzig durch Kunst und Genre in Katharsis auflösen lässt.
Österreichisches Filmmuseum
7 Men From Now (1956) Budd Boetticher
Zieht ein gefährlicher Mann durch die Wüste, trifft auf ein junges Ehepaar im Planwagen, später noch auf ein weiteres Paar Banditen. Der Aufbau des Films wirkt simpel, so als könnte es nicht anders kommen – man weiß nicht genau, wie gefährlich wer ist, oder ob das gefährlichste nicht vielleicht eh die schöne, vergebene Gattin ist; oder sind es die Erzählungen aus der Vergangenheit? Beklemmende, unerbittliche Western-Spannung vom feinsten.
The Big Combo (1955) Joseph H. Lewis
Ehrlich gesagt habe ich mir The Big Combo erst unlängst angeschaut, und zwar als die U.S. Teeniebopper-Serie Pretty Little Liars seine Film noir-Folge ausstrahlte und es mir peinlich war, den Film mit diesem so berühmten Still noch immer nicht gesehen zu haben. In dieser Rundschau repräsentiert The Big Combo den B-Movie-Noir. Aber auch: den Film noir als reinste Essenz. Atemlos visuell und mit tintenhafter Schwärze.
Film Foundation
Caught (1949) Max Ophüls
Das arge an Caught ist, dass einem bewusst wird, wie unglaublich schön die Untergattung des Gothic Noir ist. So nenn ich den, weil es im Gothic Noir (siehe Hitchcocks Rebecca, 1940), wie bei den Schwestern Brontë, um verzwickte Beziehungskonstellationen geht, um riesige Spukschloss-Häuser, sowie um die Frau, die das Patriarchat in Horror-Situationen zwingt. Das sind düstere, magische Filme; typisch Ophüls.
Leave Her to Heaven (1945) John M. Stahl
Die ungeheuerliche Gene Tierney in einem Film von ungeheuerlicher Farbenpracht. Nichts ist böser, extremer, ärger als dieser seltsame, bunte Film noir über eine Frau unter Einfluss des Wahnsinns.
Film Foundation
Pandora and the Flying Dutchman (1951) Albert Lewin
Eine surreale Synthese aus Legenden und Farben; Oper für’s Auge – ein Film, wie es ihn geben muss, auch wenn er einen fast verdattert zurücklässt. Immer wieder muss man an Pandora and the Flying Dutchman denken, wie an einen Traum, von dem man nicht ganz sicher ist, ob man ihn tatsächlich geträumt hat.
American Cinema Restored
Ab 4. Dezember (und dann bis 8. Jänner) läuft American Cinema Restored - A Tribute to Martin Scorsese's Film Foundation im Österreichischen Filmmuseum in Wien.