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Phekt

Geschichten aus dem Hip Hop-Universum und benachbarten Galaxien.

2. 12. 2014 - 17:44

A better tomorrow

Der Wu-Tang Clan aus New York ist zurück. Mit "A better tomorrow" haben sie jetzt tatsächlich ein neues Album veröffentlicht. Bei uns ist der Wu-Tang Clan Artist of the week.

Cover von "A better tomorrow"

Wu-Tang Clan

Während die Timelines meiner sozialen Netzwerke voll sind mit Links zu einem Skrillex-Video, das am Ende einen vermummten Mann zeigt, der angeblich das Wu-Tang Album in Händen hält, von dem es weltweit nur eine Kopie gibt, rotiert bei mir im Hintergrund "A better tomorrow". Jenes neue Wu-Tang Album, das auch Menschen hören dürfen, die nicht 5 Millionen Dollar am Bankkonto haben. Ob Skrillex das Unikat wirklich gekauft hat, oder die Online-Gemeinde einem weiteren smarten Marketing-Hoax zum Opfer gefallen ist (ich vermute Hoax), wird sich bald herausstellen. Wie auch immer, wenn das mysteriöse Album ähnlich klingt wie "A better tomorrow", dann hat Skrillex eine Menge Geld verbrannt.

Wu-Tang Clan

Wu-Tang Clan

Family Reunion

Dass das neue Album "A better tomorrow" überhaupt erschienen ist, gleicht einem Wunder. Seit Jahren wurde es angekündigt, dann wieder verschoben, dann wieder angekündigt um danach wieder verschoben zu werden.

Denn wie in jeder großen Familie gibt es auch beim Wu-Tang Clan Unstimmigkeiten und Streitereien. Es ist viel passiert seit das legendäre Debüt "Enter the Wu-Tang (36 Chambers)" vor 21 Jahren veröffentlicht wurde. Zur Erinnerung, warum das Album so wichtig ist, empfehle ich diese Geschichte meines Kollegen Trishes aus dem Vorjahr.

Long story short: Raekwon und diverse andere Wu-Members waren unzufrieden mit dem Sound von RZA, der heute logischerweise eine andere Herangehensweise an seine Beat-Produktion hat als Anfang der 90er Jahre. Außerdem geht es in der Entertainment-Branche letztendlich immer ums Geld. Und das ist bei einer großen Gruppe wie dem Wu-Tang Clan und Künstlern mit kommerziell unterschiedlich erfolgreichen Solo-Karrieren ein klassischer Streitpunkt. Wie teilt man den Kuchen auf? Wer macht was? Wer arbeitet mehr? Wer bekommt welchen Part in welchem Song? Wer hat das größere Ego?

Der Titel "A better tomorrow" ist eine Referenz an den gleichnamigen John Woo-Film, hat aber inhaltlich nichts damit zu tun. Denn RZA ging es bei "A better tomorrow" mehr darum, den Clan wieder in friedlicher Atmosphäre zusammenzubringen und den Kreis zum Ursprung zu schließen, Geschehenes Vergangenheit sein lassen und positiv nach vorne schauen. Ein gewisser Hang zu Esoterik und Mystizismus war immer Teil der Wu-Tang Clan-Philosophie.

Letztendlich ist es geglückt und "A better tomorrow" wurde nach langen Diskussionen und Kompromissen doch noch veröffentlicht. Die Familie ist wieder vereint, die Fans dürfen sich freuen. Aber werden die Fans befriedigt sein?

Rick Rubin, Adrian Younge & Live-Musiker

Gleich vorweg: ich bin dem Wu-Tang Clan grundsätzlich wohl gesonnen. Seit dem ersten Release hab ich mir ziemlich jede Platte gekauft und spiele deren Songs regelmäßig in meinen DJ-Sets.

Als ich vor einigen Tagen das neue Album in meinem Postfach gefunden habe, war die Neugier und Freude dementsprechend groß.

Nach dem ersten Durchhören von "A better tomorrow" hat sich bei mir allerdings wenig getan: keine Euphorie, bei keinem Song das Verlangen, ihn sofort wieder hören zu müssen, keine Aha-Erlebnisse. Nun muss das nichts bedeuten. Denn es kommt durchaus vor, dass ein Album seine Wirkung erst nach dem zehnten Hördurchgang entfaltet. Bei "A better tomorrow" ist das bisher aber nicht geschehen. Dabei klingt alles ziemlich vielversprechend: Alle Original-Mitglieder des Wu-Tang Clans sind zu hören - sogar der verstorbene Ol' Dirty Bastard, dessen Stimme am Anfang von "Ruckus in B Minor" Stimmung auf das folgende Album machen soll.

RZA hat sich für die Produktion des Albums Verstärkung in Form von den befreundeten Wu-Tang Produzenten Mathematics & 4th Disciple geholt. Außerdem war der Multiinstrumentalist Adrian Younge involviert. Und als ob das nicht schon reichen würde, ist RZA neben New York, L.A. und Europa zusätzlich nach Memphis gereist um dort mit dem Sohn des berühmten Hi-Records Produzenten Willie Mitchell (Al Green, Ann Peebles, etc.) in den heiligen Stätten alter Soul- und Funk-Songs Live-Musiker aufzunehmen. Und zwar nicht irgendwelche Session-Musiker, sondern jene Menschen, die schon für Isaac Hayes und Al Green Klassiker gespielt haben.


Trotz all der vielversprechenden Infos bezüglich involvierter Künstler, klingt das Endergebnis irgendwie unspektakulär. Mit ein paar Ausnahmen wie zum Beispiel dem von Rick Rubin co-produzierten "Ruckus in B-Minor".

Ich hab nicht erwartet, ein weiteres "Enter the Wu-Tang (36 Chambers)" zu hören. Das wäre auch langweilig gewesen. Und ich will schon gar keinen Wu-Tang Clan über 808-Beats, Trap-Produktionen mit Auto-Tune oder ähnliches hören. Aber von einem Album, das eigentlich im Rahmen der 20 Jahre-Feierlichkeiten zu ihrem Debüt angedacht war, hätte ich mir mehr Überraschungen erwartet. Klar: Method Man, GZA, Ghostface Killah, etc. sind nach wie vor großartige Rapper, deren gewaltige Stimmen alleine für das klassische Wu-Gefühl sorgen. Und grundsätzlich ist "A better tomorrow" eine sehr gut gemachte Platte von Profis, die im Studio wissen, was sie tun. Aber reicht das, wenn man Wu-Tang Clan heißt?

Sollte sich bei mir in den nächsten Tagen wider Erwarten doch noch eine Euphorie einstellen, werde ich hier einen weiteren Absatz hinzufügen. Einstweilen empfehle ich, sich selbst ein Bild von "A better tomorrow" zu machen.