Erstellt am: 2. 12. 2014 - 18:23 Uhr
The daily Blumenau. Tuesday Edition, 02-12-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
#medienpolitik
1: Medienkritik kann also mehr als nur Interessenspolitik
Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Heute etwa überwindet sich ein bislang sehr zurückhaltender Player am Medienmarkt und berichtet über ein politisch relevantes Thema nicht nur medien-, sondern auch intern-medienhaus-kritisch: der Kurier analysiert die Boulevard-Berichterstattung zum am Wochenende abgehaltenen SPÖ-Parteitag, weist auf Inszenierungen und Absprachen hin, die das Naheverhältnis der Kanzler-Partei mit Krone, Heute und Österreich nicht neu erklärt, sondern als Basis-Wissen voraussetzt. Also die am Boulevard für blöd verkauften Medien-Nutzer wie Erwachsene behandelt - und nicht wie bisher auch als blöd verkauft.
Das passiert wohlgemerkt im Politik-Teil.
Im Medien-Teil ist der Kurier, ebenso wenig wie andere Medien (und den ORF kann ich da nur deshalb ausnehmen, weil er über keinen Medien-Teil verfügt; das für den jetzt schon vergangenen Herbst avisierte Medien-Magazin im ORF-Radio gibt es - trotz erfolgreicher Pilotierung und Backing durch die Redaktionen - ja immer noch nicht) noch nicht soweit. Dort wird etwa die berufliche Veränderung meines Freundes Fred für ein ORF-Bashing instrumentalisiert (was ihn selber übrigens am meisten ärgerte).
"Wenn's um die eigenen Medieninteressen geht, dann werde viele Medien maßlos kritisch", sagt der Medien-Wissenschaftler, der über einen anderen Anlass-Fall verärgert ist, und entschuldigt sich fast dafür, dass er den Medien-Minister öffentlich gegen allzu durchsichtige Anpatzungen durch die massiv interessensgetriebene Berichterstattung verteidigen muss.
In diesem Zusammenhang agieren die Qualitätsmedien-Macher nämlich auch nicht arg viel anders als die von ihnen kritisierten Boulevardisten und servieren mit arglosem Augenaufschlag und wider besseres Wissen Informationen (oder Emotionen), deren Zweck der eigene Nutzen ist und keinesfalls die umfassende Bildung der Benutzerschaft.
Gerade deshalb (und auch weil er einen Wickel mit der ökonomisch verbundenen, politisch hochmächtige Krone riskiert) ist der heutige Kurier-Ausreißer so bemerkenswert.
2: Jeder Tag ist Wochenende, jede Zeitung Magazin
Da fällt mir ein Editorial des Chefredakteurs der Kleinen Zeitung vom vorvorigen Wochenende ein, als sein Blatt den 110ten feierte. Auch dort wurde vergleichsweise ungeschönt analysiert.
"... Zeitung kann und muss mehr sein. Orientierungsmedium. Kompass. Anker in den Sturzfluten der digitalen Information. Ein tägliches Magazin, das sich zur Autorenzeitung weiterentwickelt..." sagt Hubert Patterer da.
Als ich das mit dem täglichen Magazin gelesen habe, überfiel mich eine assoziative Erinnerung, wie Schüttelfrost das Grippeopfer. Es waren die Gesichter der Chefredakteurin und der Ressortchefs einer anderen Tageszeitung, die ich wieder vor mir sah. Und deren Ausdruck, der zwischen ungläubigem Staunen und leiser Empörung schwankte. Ein Flashback ins Jahr 2007 (oder 08?), ich bin Gast einer Tageszeitung, als Blattkritiker. Ich hatte dort nur eine einzige Agenda - denn die genre-immanente Erbsenzählerei, die Abwägung ob etwas gut geschrieben, optimal recherchiert oder effektiv aufbereitet sei, die darf ich bei solchen Gelegenheiten zugunsten eines Blicks auf the greater picture ablegen - und die prallte an diesen Gesichtern ab, als würde sie auf Teflon treffen.
Die Ideologie hinter meiner Agenda war: die Tageszeitung muss sich zum täglichen Analyse-Magazin wandeln. Meine Agenda lautete: das muss sich bei dieser zumindest auf Seite 1 (besser noch: im gesamten ersten Buch) niederschlagen; und Unverwechselbarkeit, also klare Autorenschaft aufweisen. Die direkte Konkurrenz-Produkt dieses Mediums experimentierte gerade mit etwas Vergleichbarem - meine Agenda war also auch keine abstrakte Vision. Und trotzdem waren da diese Gesichter. Gesichter, deren Mienen mir verrieten, für welch unendlich blöden Gedanken die Menschen dahinter meine Forderung hielten.
Bis heute liefert der Standard eine ganz klassische Seite 1 ab, eine die (mit dieser Einschränkung und der einer täglichen Glosse) der Teletext-Seite 111 vom Abend des Vortags nicht unähnlich ist.
Seit kurzem hat man die Samstags-Ausgabe zu einem Wochenend-Magazin umgestaltet. Fünf Jahre nachdem die Presse am Sonntag es vorgemacht hat, gefühlte Jahre seit der ökonomische Erfolg der "Zeit" klargemacht hatte, dass die magazinige Ausrichtung auch Leser-Zuwachs bringt und auch deutlich hinter der verdammt ähnlich aussehenden Samstags/Wochenend-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.
Klingt nach unwilliger Erledigung eigentlich unerwünschter Schritte. So nach dem Motto "Mach ma's halt - (Subtext: wenn's der depperte Zeitgeist so verlangt). Und sieht auch so aus, erfüllt maximal den 2007er-Anspruch der dräulichsten Notwendigkeit, geällt sich in layouttechnischem Widerstandsgeist, atmet in allen Poren den Geist des 20. Jahrhunderts. Und das eben nicht in der Tages-, sondern der Wochenend-Ausgabe.
Allerdings ist das, was anderswo zählen und sich in Markterfolg oder Publikums-Zuspruch niederschlagen würde, hierzulande - und das ist eine der Besonderheiten des an Besonderheiten nicht gerade armen heimischen Medienmarktes - nicht ganz so bedeutend. Die Qualität des Angebots oder gar die Rechtzeitigkeit von Entscheidungen etwa. Ersteres wird dann gern anerkennend benickt, wenn es verflossen/schieden ist, zweiteres ist angesichts der ebenso lahmen Nutzer-Tempos womöglich sogar ein Nachteil.
3: Die Verkaufsshow als künftiges Geschäftsmodell
Die entscheidende Schlacht um das Überleben des Modells Print-Produkt/Verlagshaus findet ohnehin anderswo statt. Nämlich an der Monetarisierungs-Front. Und jenseits des kritisch betrachteten Mäzenaten
In den letzten Tagen waren da zwei Projekte am Start, die klaren Piloten-Charakter hatten.
Die Presse legte jüngst erstmals das Magazin Edition bei. Inspirieren ließ man sich da vom How to spend it-Vorbild der Financial Times und seiner FAZ-Kopie. Also: eine in aller Offenheit gepflogene direkte Verlinkung von Geschichten und unter direkter Verlagsmitwirkung hergestellten Produkten aus der Edel-Abteilung. Das klappt mittels Image-Transfer und öffnet weite Felder - und in klassisch promoverseuchten Bereichen wie Reise, Motor oder Hochkultur bringt Offenheit was kommerzielle Interessen betrifft sogar einen journalistischen Fortschritt.
Der Imagetransfer, den das Rondo des Standard nützt, dockt an dessen Kompetenzen im lässigen Mode/Kultur-Mix an. Und so mischen 11 großformatige Comic-Seiten Kunst mit Produkt-Präsentation. Und auch da ist der offene Umgang mit PR dem sonst g'schamig verschleierten, auf den ersten Blick nicht als solchen erkenntlichen vorzuziehen.
An dieser Stelle der Hinweis auf das heutige YouTuber-Special
Mich erinnert das stark an den am besten funktionierenden Zweig der Blogger-Szene: die Mode-Blogs. Auch die sind mittlerweile dem einstigen Indie-Ethos entwachsen und verstehen sich aktuell als direkten Transmissions-Riemen zwischen Wirt- und Kundschaft.
Das hat wenig mit Journalismus in unserem/meinem herkömmlichen Verständnis zu tun. Ebensowenig wie die Edition oder das letzte Rondo.
Dieses Einziehen eines moralischen Parallel-Universums ist aber wohl der Preis des Überlebens von klassischen Print-Medien.