Erstellt am: 1. 12. 2014 - 19:26 Uhr
"Ein Sanierungsverfahren ist keine Kinderjause"
Der Bauzaun, der seit einiger Zeit vor dem Flex-Café aufgestellt ist, sei kein Vorbote für schlechte Nachrichten, sagt Tom Eller, Flex-Chef und Urgestein des Wiener Nachtlebens. „Es gab ein paar Dealer, die vor den Securities über den Notausgang geflüchtet sind“, sagt er. Durch den Bauzaun müsse man nun immer beim Eingang vorbei.
Über ruhende bauliche Sanierungen will der Flex-Geschäftsführer heute nicht reden. Der Plan für die finanzielle Sanierung, nämlich über die Zukunft des Flex', wurde heute, am 1. Dezember eingereicht und den Gläubigervertretern vorgestellt. Der Insolvenzverwalter, der derzeit die Geschäfte führt, ist Michael Lesigang. Er hat schon die Pleite des Gürtellokals B72 abgewickelt. Durchaus erfolgreich, wenn man als Maßstab anlegt, dass der Betrieb aufrechterhalten werden konnte.
Richard Taylor
Bis 22. Dezember haben die Gläubiger nun Zeit, über die Zukunft des Flex' nachzudenken, dann wird es eine Abstimmung geben. 51 Prozent Zustimmung braucht Tom Eller dann für seinen Sanierungsplan, der eine Quote von 20 Prozent vorsieht. "Ein Sanierungsverfahren ist keine Kinderjause", sagt Eller. Aber der Flex-Chef ist guter Dinge, der Masseverwalters, der sich den Betrieb zwei Monate angesehen hat, sei laut Eller zu einem durchaus positiven Ergebnis über die Fortführung des Clubs gekommen. Insgesamt stünden derzeit 552.000 Euro Forderungen von Gläubigern auf der Minusseite.
Wie ist es dazu gekommen?
Das in der Vergangenheit Fehler begangen wurden ist nicht wegzuleugnen. Wegen zu hoher Investitionen und sinkender Einnahmen soll das Flex seit zehn Jahren einen Schuldenberg vor sich herschieben. Eine Situation die normalerweise nicht sehr lange gut geht. Unverständlich ist auch Ellers Nichterscheinen vor Gericht bei der Eröffnung des Konkursverfahren und seine Reaktion im Oktober auf die ersten Meldungen dazu. Damals sprach er von falschen „herumspukenden Gerüchte über einen 'Flex'- Konkurs“. Und dass lediglich eine Unachtsamkeit und vergessene Rechnung der Gebietskrankenkasse der Grund dafür sei. Da den Gläubigern allerdings im Sanierungsplan jetzt die Mindestquote von 20 Prozent angeboten wurde, kann man davon ausgehen, das es doch einige Rechnungen und Verbindlichkeiten mehr waren, die jetzt noch offen sind.
Im Nachhinein kann man Ellers Argumentation im Oktober wohl als Schutzbehauptung einordnen. Dazu: Sozialabgaben für seine Mitarbeiter nicht bezahlen bzw. zu vergessen, ist nun mal keine Bagatelle. Da kennt der Staat kein Pardon. Das lernt man in der ersten Einheit eines Gründerseminars bei der Wirtschaftskammer. Die Forderung der Gebietskrankenkasse war also nur der erste Stein, der die wirtschaftlichen Probleme ans Tageslicht brachte. Dass das Konkursverfahren nun hoffentlich nur ein Schuss vor den Bug ist und das Flex jetzt erfolgreich saniert wird, ist zu hoffen. Wien ohne Flex wäre irgendwie nur schwer denkbar.
Interview mit Tom Eller:
Paul Pant: Wir sitzen hier im Flex-Cafe, draußen sind die Bauzäune, bei den Geschichten die man gerade so liest, da kann einem bange werden. Vielleicht klärst du uns kurz auf: Was ist jetzt eigentlich los mit dem Flex?
Tom Eller: Begonnen hat alles damit, dass im September die Wiener Gebietskrankenkasse einen Konkursantrag gestellt hat, weil eine Rechnung aus dem Jänner 2014 noch offen war. Die ist nie in eine Exekution gegangen, deshalb ist die dann untergegangen und wir hatten sie nicht mehr am Radar. Nach diesem Antrag hab ich sie express überwiesen und auch bei der Gebietskrankenkasse angerufen und nachgefragt, ob das jetzt erledigt ist und ob ich zu diesem Gerichtsverfahren hingehen muss. Es hat geheißen, es ist alles erledigt und das wird eingestellt. Tatsache ist, es wurde nicht eingestellt, ich hätte zu diesem Gerichtsverfahren hingehen müssen und sollen. Der Richter hat dort auch bei anderen Institutionen wie dem Finanzamt nachgefragt, ob etwas offen ist. Dort haben wir immer etwas offen, seit zwanzig Jahren ist dort etwas offen, zu dem Zeitpunkt waren das 16.000 Euro. Das Finanzamt ist da - wie soll ich sagen - eigentlich immer recht entspannt. Für den Richter war das aber Grund genug - weil ich eben auch nicht dort war, sonst hätte ich eine Frist bekommen das zu bezahlen - um das Konkursverfahren zu eröffnen. Und das ist dann eben auch passiert. Ich hab das dann selbst in den Zeitungen gelesen. Ich bin aus allen Wolken gefallen, und deswegen war auch meine Reaktion: Das kann nicht stimmen. Deswegen hab ich auch dieses Rundmail auf Facebook rauslassen, dass das alles ein Medien-Tratsch ist.
Da war im Oktober auf eurer Facebook-Seite von falschen Gerüchten die Rede, die herumspuken würden. Und dass da eben eine einzelne vergessene Rechnung der Grund gewesen sein soll. Jetzt mit dem Konkurs-Verfahren schaut das natürlich anders aus.
Wie gesagt, der Konkurs ist eröffnet worden, weil ich nicht vor Gericht erschienen bin und dort deshalb eben nicht gesagt habe, ich bezahle diese auch noch offene Finanzamtsrechnung innerhalb von zwei Wochen. Hätte ich das gemacht, wäre das Konkursverfahren nie eröffnet worden. Aber hätti, wari,... es ist eröffnet worden. Ich hab das in der Zeitung gelesen, hab es nicht glauben können und hab das verneint. Ich habe deshalb auch überhaupt kein schlechtes Gewissen, weil es auch die strategisch richtige Entscheidung war. Im Volksmund setzt man Konkurs immer noch gleich mit "Die Hüttn ist zugesperrt", und genau diesen Eindruck muss man verhindern. Das Flex hat ja nach wie vor offen, und kann und darf auch offen haben. Wenn das Konkursverfahren vom Richter aber einmal eröffnet ist, dann muss der Konkurs auch stattfinden. Das ist dann eine selbsterfüllende Prophezeiung, weil alle Rechnungen, alle offenen Forderungen, auch Bankkredite, fällig gestellt werden. Das Konto wird eingefroren, das Postfach wird umgeleitet, man steht unter einem Kurator, ist praktisch teilentmündigt und kann nichts mehr machen. Dass man dann wirklich zahlungsunfähig ist, das ist Tatsache. Man wird letztendlich auch zahlungsunfähig gemacht. Man kann keine weiteren Kredite aufnehmen, man ist nicht mehr zeichnungsberechtigt um irgendetwas zu verbessern. Man darf auch keine alten Rechnungen mehr bezahlen, weil das wäre dann "Gläubigerbevorzugung". Das einzige was man dann noch machen kann, ist, einen Sanierungsplan auszuarbeiten und einzureichen, um die Sache zu retten. Das haben wir jetzt gemacht, der Sanierungsplan steht, ist eingereicht. Es schaut sehr gut aus, also man kann sagen, das Flex wird die Rettung sicher schaffen und es darf auch weiterhin offen haben.
Heute gab es eine Prüftagsatzung am Handelsgericht Wien. Was ist da denn herausgekommen?
Da ist der Sanierungsplan offiziell eingereicht worden. Der Masseverwalter hat seinen Bericht über die zwei Monate, die jetzt vergangen sind, geschrieben. Der ist fürs Flex auch sehr positiv ausgefallen: Das Flex ist ein gewinnbringender, gutgehender Betrieb. Das ist ja das Paradox, das viele nicht verstehen, das sieht man ja auch in den ganzen Postings. "Wie kann man eine Goldgrube an die Wand fahren" und was da sonst alles geschrieben worden ist. Das Flex macht Gewinne, geht gut und ist einer der bestgehenden und beliebtesten Betriebe in Österreich. Wir haben einfach zu viel investiert, das ist die eigentliche Ursache. Wir haben einen Hang-Over sozusagen, auf Grund von zu hohen Investitionen. Die haben wir immer bedienen können, weil das Flex einfach gut geht und einen großen Cash-Flow hat. Nur mit dieser Lähmung, dass man eben nichts mehr tun darf, können wir jetzt auch nichts mehr bedienen. Wir sehen das jetzt möglichst positiv. Wir sagen, okay, vielleicht haben wir uns zu weit rausgelehnt, das mag sein. Jetzt geht es darum, die Sache zu reparieren und weiterzumachen und aus den Fehlern zu lernen. Wir werden uns sicher nicht mehr so weit rauslehnen. Es wird im Flex sicher zu einem Paradigmenwechsel kommen. Wir haben seit zwanzig Jahren so gearbeitet: Investieren und Geld verdienen. Also so wie man es nicht machen soll. Wir haben immer 50.000-100.000 Euro Schulden gehabt, die wir aber immer bedienen konnten. In Zukunft werden wir zuerst das Geld verdienen und dann ausgeben, wie man es eben richtig machen soll. Und wir werden auch bei den kritischen Punkten, die uns sozusagen das Genick gebrochen haben, automatische Abbuchungsaufträge machen, damit da mal nichts mehr passieren kann. Die Gebietskrankenkasse ist der Totengräber in der Wirtschaft. Ich hab seit dem Verfahren jetzt so viele Leute aus der Privatwirtschaft kennengelernt, die gesagt haben, mir ist das selbe passiert und die sind so streng, die sind so arg,... Ja, die sind das nun mal.
Natürlich ist es sehr hart, wenn da deswegen dann Kredite fällig werden, aber gerade bei Sozialabgaben ist ja nachvollziehbar, dass der Staat da rigoros vorgeht und sehr genau arbeitet, oder?
Man kann dazu eine Einstellung haben wie man will. Ich kann nur sagen, mit der Gebietskrankenkasse ist nicht gut Kirschen essen und denen braucht man nicht blöd kommen. Ich will mich da gar nicht dazu äußern, ob das jetzt zu streng oder zu wenig streng ist. Der Fehler liegt ja sicher hier bei uns, da brauchen wir nicht rumeiern. Für uns geht es darum, dass wir den Sanierungsplan auf Schiene stellen, was wir gemacht haben. Am 22. Dezember ist die Gläubiger-Abstimmung. Wenn der Sanierungsplan mit 51 Prozent der Stimmen dort angenommen wird, dann hat das Flex sozusagen eine solide Basis um nochmal 20 Jahre - soviel haben wir jetzt mittlerweile am Buckel - weiterzuarbeiten.
Kann man schon etwas zum Sanierungsplan sagen, wie der genau aussieht?
Ich darf keine Zahlen und Details nennen, weil das ja ein schwebendes Verfahren ist. Man kann soviel sagen: Die Bankkredite, die ungefähr zwei Drittel der Summe ausmachen, und die besicherte Kredite sind, für den Flex Cafe Neubau, die sollen normal weiter rennen. Was dann übrig bleibt, ca. 150.000-200.000 Euro, das soll im Rahmen des Sanierungsplanes abgearbeitet werden. Da gibt es im Rahmen des Sanierungsplanes eine Zwei-Jahres-Frist. Wir haben vom Masseverwalter, der das Flex jetzt zwei Monate beobachtet und durchleuchtet hat, einen guten Abschlussbericht. Er schreibt, das ist möglich und das Flex ist ein gutgehender, gewinnbringender Betrieb. Es gibt da keine Bedenken, dass das nicht funktionieren könnte.
Wie war denn heute das Gespräch mit den Gläubigern? Wer ist das überhaupt, kann man das sagen?
Ich darf überhaupt keine Namen nennen. Der Datenschutz rennt da nur in eine Richtung, leider. Den Schuldner kann man an den Pranger stellen, für den gibt es keinen Datenschutz, für die Gläubiger umgekehrt schon. Ich kann und will da auch gar nichts sagen. Ich kann nur sagen, es rennt superkalt und aalglatt ab in diesem neuen Gerichtshochhaus in Wien Mitte. Für die Gläubiger kommen nur drei Vertreter von den Kreditschutzverbänden, von meiner Seite auch nur ein Anwalt, alles eingespielte Profis. Masseverwalter und Richter, auch Profis. Das ganze hat fünf Minuten gedauert, ist also komplett unspektakulär. Das rennt dort wie am Fließband. Da werden pro Tag ja dutzende Konkurse eröffnet.
Der Stichtag ist also der 22. Dezember. Du hast es ja schon gesagt, aber nochmal: Hat man sich mit diesem Neubau vom Flex Cafe damals einfach übernommen? War das zuviel?
Wir haben sicher etwas falsch gemacht. Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass der Neubau des Flex Cafe der ausschlaggebende Faktor war. Eher die Sperrstunden-Problematik, die damals, ab 2008, fast gleichzeitig dazugekommen ist. Wo wir plötzlich um 4 Uhr zusperren mussten, alle Konkurrenzbetriebe aber bis 6 Uhr offen haben konnten. Da haben wir wirklich sehr, sehr viel Geld verloren, die Jahresumsätze sind um 30 Prozent zurückgefallen. Gleichzeitig ist dann sie Bezirksvorsteherin mit einem - ich sag mal eingebildeten - Anrainer ("eingebildet" sag ich deshalb, weil er soweit weg wohnt, dass sich das "Anrainer" gar nicht ausgeht) auf den Plan getreten. Uns wurde da das Leben zu Hölle gemacht, es gab Anzeigen wegen aller möglichen Sachen. Wir haben eine Betriebsanlagenrevision gekriegt und sind total zerlegt worden. Da mussten wir dann auch sehr viel in die Anlage investieren. Wir haben eine neue Lüftung gebaut und noch viele andere Sachen, um das alles in Ordnung zu bringen. Und da sind wir ein wenig zu sehr unter Druck geraten. Das war also der Neubau plus die Revisionen plus der Druck von außen plus Sperrstunde. Das war vielleicht zuviel.
Die Frau Stenzel, die Bezirksvorsteherin, ist ja wie es aussieht nach der nächsten Wahl Geschichte. Das Flex hoffentlich nicht. Man hat jetzt ein bisschen Angst, dass sich so ein Sanierungsplan auch auf das Programm auswirkt. Das Horrorszenario "Oktoberfest mit Helene Fischer im Flex" wird's wohl nicht geben, aber wie wird sich denn das jetzt auswirken? Kann man da schon etwas sagen?
Überhaupt nicht. Man sieht ja, dass wir auch jetzt große und wichtige Acts am Programm haben. Am Sonntag ein ausverkauftes Wanda-Konzert,... Also im Gegenteil: Wenn die Sanierung gelingt - und davon gehe ich aus, weil alle Berichte positiv sind - wird dem Flex ein wirklich schwerer Rucksack von den Schultern genommen. Weil wir schnaufen ja schon seit dieser Sperrstundengeschichte vor zehn Jahren ziemlich dahin. Eigentlich wird es danach leichter und besser werden. Weil dieser Schuldenberg, den man immer vor sich hergeschoben hat, auch wenn man ihn bis zu diesem Crash jetzt immer bedienen hat können, mit diesem Sanierungsplan einfach wegfällt und man wieder ordentlich wirtschaften und entspannter arbeiten kann. Also ich erwarte mir eigentlich, dass das Programm besser wird.
Ist das Club-Geschäft eigentlich härter geworden in den letzten zehn Jahren?
Logisch, ja! Man braucht sich nur die Statistiken der Wirtschaftskammer ansehen, da haben sich die Veranstaltungslokale mehr als verdoppelt. Von der Anbieterseite kann man da fast von einem Überangebot sprechen. Es ist schon recht hart geworden, und es wird auch wirklich um die Acts gekämpft. Es kochen alle mit Wasser und bedienen sich bei denselben Agenturen und wollen dieselben DJ-Stars ins Haus holen. Für die Konsumenten ist das super, die haben jetzt eine derartige Vielfalt und Auswahl, man muss teilweise die Bezirke nicht mehr wechseln um sich gut zu amüsieren. Aber für die Veranstalter ist es ein ziemlich hartes Geschäft geworden.