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Conny Lee

Prokrastinative Hinterstübchen des Alltags

29. 11. 2014 - 13:15

"Die Dilettanten"

Michael Hingstons ganz undilettantischer Debütroman über einen Unicampus in Kanada und dessen verhipsterte Bewohner.

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Ein Buch über eine Studentenzeitung - das klingt als Inhaltsangabe nicht besonders fetzig, und es beschreibt auch nur die Rahmenhandlung von "Die Dilettanten". Denn eigentlich geht es um Figuren, die sich in einer Ironie-Endlosschleife festgefahren haben und den Ausweg suchen.

Die im Buch beschriebene Campuszeitung namens "The Peak" gibt es tatsächlich an der Simon Fraser University in Vancouver. Autor Michael Hingston hat früher selbst an dieser Uni studiert und für die Zeitung geschrieben. Er spricht also aus Erfahrung, wenn er den Rerdaktionsalltag der dem Titel gerechtwerdend dilettantischen Mitarbeiter beschreibt:

"Freitag war Produktionstag. Den ganzen Tag. In anderen Worten, Kurse konnte man an diesem Tag vergessen, selbst wenn sie am Vormittag stattfanden, obwohl morgens sowieso niemand in der Redaktion aufkreuzte. Es zählte das Prinzip, und darin war die sonst so flatterhafte Solidarität der Redakteure unerschütterlich."

Doch eines Tages macht sich die Gratiszeitung "Metro" am Campus breit und dem "Peak" damit erstmals Konkurrenz. "The Peak" schwächelt und steuert auf eine Krise zu, das Redaktionsteam versucht damit klarzukommen.

Buchvoer: Die Dilettanten

Rogner & Bernhard

"Die Dilettanten" von Michael Hingston, in einer Übersetzung von Sophie Zeitz, ist im Rogner & Berhard Verlag erschienen

Alex ist Teil dieser Redaktion und sein Innenleben ist das eigentliche Fruchtfleisch des Romans. Alex' Grundhaltung ist Verachtung. Besonders seinen Kommilitonen und den Lesern des "Peak" gegenüber.

" Das Mädchen hielt inne, sah angestrengt über den Gang und aus dem Fenster auf der anderen Seite, als müsste sie eine schwere Entscheidung abwägen. Dann tippte sie '^_^' und drückte auf Senden.
'Argh.' Angewidert sank Alex in den Sitz zurück. 'So geht die Welt zugrunde,' dachte er, 'nicht mit einem Knall, sondern mit einem Emoticon.'

Alex ist einer von diesen Naserümpfern, ein Besserwisser, und wenn er etwas sagt, ist es meistens ironisch gemeint. Gleichzeitig oder gerade deswegen ist er auch im zwischenmenschlichen Umgang mit anderen eher gehemmt. Er gerät schon ins Schwitzen, wenn er nur Mit-Studentinnen sieht. Er belächelt ihr Verhalten und fühlt sich zugleich zu ihnen hingezogen und unbeholfen in ihrer Gegenwart. Er ist gefangen in seiner eigenen Ironie-Schleife, aus der er den ganzen Roman über versucht auszubrechen.

Das Buch "Die Dilletanten" macht sich zwar über elitäre, studentische Hipster lustig, aber doch irgendwie auf eine liebevolle Art und Weise. Teilweise amüsiert man sich beim Lesen wegen ihrer sozialen Unbeholfenheit, dann kann man sich wieder nur allzu gut mit ihnen identifizerien. Man spürt, dass Michael Hingston viel von sich selbst in diesen Alex gesteckt hat. Und die Figur Alex würde wahrscheinlich auch gerne ein Buch wie "Die Dilettanten" lesen, das so voll von intertextuellen Referenzen ist: Bands, Filme, Autoren, Regisseure, Websites - es wendet sich an ein wissendes Publikum, das sich beim Lesen immer wieder gerne mal selbst auf die Schulter klopft und sich denkt "Ja, diese Referenz habe ich verstanden." Und dabei klingt Michael Hingston nicht überheblich, sondern selbstironisch und humorvoll.