Erstellt am: 27. 11. 2014 - 15:47 Uhr
The daily Blumenau. Thursday Edition, 27-11-14.
The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.
Und stellt heute einige der jüngsten Tagespresse-Headlines vor:
#medienformate #dietagespresse #journalistischesselbstverständnis
Heute abend präsentiert Die Tagespresse, die innerhalb recht kurzer Zeit den Nummer 1-Slot was gesellschafts/politische Satire online betrifft, einnehmen konnte, ein Buch in einer großen Filiale einer noch größeren Buchkette in meiner Nähe. Es ist, falls das da kein Schmäh ist, schon ein Zweitling.
Und ich gebe es zu; ich bin wieder drauf reingefallen; auf den Reflex. Auf diesen "Ah, wenn da jetzt gar ein Buuuuch erscheint, dann solltma da was machen"-Reflex. Den Jüngeren unter uns muss man das erklären; diesen Reflex und woher er kommt, wen er befällt und wie sich das bessern wird.
Denn in anderen Bereichen hat sich dieser Format-Fetisch ja schon aufgehört. Popmusik etwa schlägt sich nicht wie im vorigen Jahrtausend in erster Linie über das Format des Albums, des Longplayers durch. Bilderbuch wurde mit einem Einzel-Stück FM4-Act des Jahres; so wie die Mehrheit der Nominierten-Longlist Einzel-Tracks oder EP-artige Veröffentlichungen hatte, ganz ohne die einstmals dringend nötige Eintrittskarte des Albums. Nicht zufällig gibt ja auch kein FM4-Album der Woche mehr, sondern einen Artist of the Week.
Für den technologisch etwas hinterherhinkenden Lese-Markt umgelegt heißt das, dass die Formatherrschaft der on-paper-Veröffentlichung beeinsprucht und schön langsam beendet wird, Kindle hin, reine Online-Verlage her.
Mir geht es aber um die Denke dahinter. Denn während die aufmerksamkeitsökonomisch zentrale Platte-Tour-Platte-Automatik bereits durchbrochen ist, steht bei der Nachricht der Buch-Veröffentlichung immer noch ein OhMyGod! an.
Was lächerlich ist.
Wenn es nämlich ernsthaft eine Buch-Veröffentlichung braucht um die Meriten der Tagespresse zu zelebrieren, dann läuft etwas ganz entschieden sehr schief.
Und ich merke, ein wenig erschrocken, dass ich ja selber so funktioniere. Das hat weniger mit meiner eigenen Mitvergangenheit und Vorzukunft, sondern mehr mit Usancen zu tun.
In den von den alten Bildungsbürgereliten durchsetzten Führungsebenen der Medien erfährt die Geschichten-Durchsetzungsfähigkeit des einzelnen Redakteurs durch den Hinweis auf eine anstehende Buch-Erscheinung nämlich gerne den entscheidenden Boost. Und so überträgt sich eine rein virtuelle Bedeutung eines Medienformats über den Status als Eintrittskarte in ein Elitendenken auf den gesamten Journalismus und via Medien auch auf die nachrückende Ober- und Mittelschicht. Omg, ein Buch!
Es muss ein Buch sein, um klassische Berichterstattung oder Würdigung zu bekommen; vor allem im diesbezüglich (auch unter den avancierteren Denkern) unglaublich dünkelhaft-reaktionär denkenden Amtsrat-Österreich. Wer keine Bücher veröffentlicht, sondern in den in seinem Bereich relevanten Umfeldern veröffentlicht wie der Kollege Möchel, der wird erst in Lebenshälfte II für einen heimischen Medienpreis vorgeschlagen.
Oder: der Kollege Misik ist nicht deshalb der wichtigste politische Autor des Landes, weil er seinen Output hin und wieder (schlauerweise) zwischen Buchdeckel bündelt, er ist es auch nicht deshalb, weil er als einziger über die Spannweite zwischen konservativer NZZ und progessiver taz spannen kann, sondern weil er seine Felder konstant und unverwechselbar beackert. Was so auch für Möchel gilt.
Ich hab jetzt sicherheitshalber nachgeschaut, ob ich mich wenigstens da selber dran gehalten habe und Misiks Erstauftauchen in Journal eh nicht einem Buch geschuldet war; wiewohl das 2007 noch verzeihbarer war.
Sich 2014 mit dem Hinweis auf eine Buch-Erscheinung an ein Thema ranzuwagen, bedeutet in jedem Fall nichts Gutes - so wie das Buch-Ghetto per se nichts Gutes bedeutet.
Es kann bedeuten, dass man als Anfänger in dieser Anbieter/Anbieder-Phase steckt.
Es kann bedeuten, dass man es sich in einer Formel-Nische bequem macht und eher das Format bespiegelt, als die dort enthaltenen Inhalte.
Es kann bedeuten, dass man einfach keinen originären Zugang zu Themen finden kann.
Es kann bedeuten, dass man sich als Förderer/Agent der entsprechenden Industrie-Sparte (oder auch des Buchhandels) betrachtet.
Es bedeutet dann, wenn man seinen Zugang nicht aus der engen Deckelung rauskriegt (wie das ginge zeigen etwa die Kulturzeit oder dieser Herr eh schon seit Jahren vor; stilprägend) dass einem die Fähigkeit zur Verknüpfung fehlt.
All das sind Kriterien, die künftige Arbeitsbilder sortieren werden: die industriegerechte, gedeckelte Buchbesprechung werden die Algorithmen und die Versandhandels-User übernehmen. Alles darüber hinausgehende wird journalistische (oder kuratierende)Arbeit bleiben.
Auch weil in schon wenigen Jahren die Bedeutung der Buchveröffentlichung drastisch gesunken sein wird - den nachwachsenden Lese-Generationen, die alles, was in den letzten Jahren erschienen ist, als (für sie halt) neu betrachten und sich aus den Schein-Zwängen einer immer enger rotierenden Branche entwinden werden, ficht's nämlich nicht mehr an.
Und ich unterstütze das.
Das ist mein aktueller Lieblingspost in der Tagespresse. Für den Buchvorstellungs-Termin heute Abend hab ich jetzt eh keine Zeit. OMG!