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Anna Masoner

Anna Masoner

Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

27. 11. 2014 - 14:21

Nicht smarte Städte sondern smarte Bürger

Hinter dem Marketingbegriff "Smart City" stecken allerlei schwammige Konzepte und Wirtschaftsinteressen großer IT Firmen. Als Alternative gibt es das Smart Citizen Kit.

Heute sei doch jedes Kuhdorf irgendwie smart, witzelte vor kurzem Gerald Sutter, Programmchef der "Urban Future" Konferenz, die vor kurzem in Graz über die Bühne gegangen ist. Eine smarte Stadt will heute jeder Lokalpolitiker. Der Begriff ist inflationär und schwammig. Irgendwie gehts es um Sensoren, die allerhand Daten sammeln sollen, um die Stadt (energie)effizienter zu machen. Etwa rund um den Verkehr in der Stadt, ums Heizen oder um den Stromverbrauch.

Smart Citizen Kit

Smart Citizen Kit

Smart Citizen Kit und Datenverarbeitung (siehe auch: Kickstarter-Initiative)

Wo bleiben die BürgerInnen und Bürger...

... in den technikverliebten Visionen von Stadtpolitikern und IT Firmen? Das hat sich der in Barcelona lebende Stadtplaner Tomas Diez gefragt und eine Alternative entwickelt. Gut, ganz ohne Technik geht's bei ihm auch nicht. Das gemeinsam mit einem internationalen Team erdachte "Smart Citizen Kit" besteht aus drei Elementen. Einmal eine Art Bausatz aus Sensoren und einem Mini-Rechner, mit dem jeder unterschiedlichste Umweltdaten selber sammeln und verarbeiten kann. Messen lässt sich mit dem handtellergroßen Ding eine ganze Menge. Etwa die Luftqualität, Temperatur, Lärm, Helligkeit, die WLAN-Dichte oder die Sonneneinstrahlung. "Die Daten werden automatisch auf einen Server hochgalden und auf einer Webplattform über Karten und Graphen visualisiert." Außerdem kann jeder die Daten über eine API abgreifen, um sie wofür auch immer zu nutzen (natürlich ist alles an dem Projekt Open Source).

Teil der Stadtinfrastruktur werden

Einige tausend Haushalte haben das Kit schon auf ihrem Balkon installiert, erzählt Tomas Diez. Die meisten davon in Barcelona, wo das Projekt gestartet ist. Aber auch Amsterdam und Manchester sind Hotspots. Diese Kits sind allerdings erst der Anfang, ist der venezolanische Stadtplaner überzeugt. Denn je mehr Menschen Daten sammeln, desto genauer werden die Ergebnisse. Die Erfinder hoffen, dass durch diesen sehr persönlichen Zugang das Bewusstsein für den Klimawandel und die Erderwärmung wächst. Gleichzeitig stellt das Smart Citizen Kit auch das etablierte Konzept von Stadtinfrastruktur in Frage: "Die Balkone werden dadurch Teil der Infrastruktur. Das macht so ein Sensornetz natürlich auch billiger, weil sich die Bürger selbst darum kümmern. Es ist nicht mehr nur die Stadtregierung, die Straßen baut oder sich um die Beleuchtung kümmert. Die Bürger werden selbst Teil der Infrastruktur."

Tomas Diez

Tomas Diez/BY-NC 2.0

Tomas Diez (CC by-NC 2.0)

Flexible Öffipreise?

Natürlich müsse man sich überlegen, wer die Kosten (155 Euro) für den Sensor-Bausatz übernimmt. Oder ob man etwa jemandem, sagt Tomas Diez. Er sieht jedenfalls Potential für Veränderungen in der Stadt. Etwa wenn man durch das Datensammeln gezielt nach Wohnungen suchen kann, die weniger lärmgeplagt sind.

Es könnte die Höhe der Mieten beeinflussen oder den Preis für ein Parkticket, ist Diez überzeugt. "Vielleicht sogar den Preis eines Bus- oder U-Bahnfahrscheines. So könnte man die Preise flexibel gestalten und je nach dem Grad der jeweiligen Luftverschmutzung könnte man die Preise senken, um mehr Anreize zu schaffen, öffentlich zu fahren. Wir wissen zwar nicht, ob das funktioniert, aber es ist doch spannend das auszuprobieren."