Erstellt am: 27. 11. 2014 - 14:26 Uhr
Ein Duo für die Diagonale
Als Praktikanten begannen Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber bei der Diagonale zu arbeiten. "Den Intendanten-Selbstverwirklichungstrip nicht anzustreben, sondern gemeinsam etwas zu entwickeln", das habe das designierte Intendanten-Duo von Barbara Pichler gelernt und das habe es attraktiv gemacht, die Bewerbung zu schreiben.
Heute steht fest: 2016 wird das Festival des österreichischen Films erstmals von den beiden als Intendanten-Duo geleitet. Die kommende Diagonale von 17. bis 22. März 2015 wird die letzte Barbara Pichlers, die ihre Zeit als Intendantin - oder wie sie es bevorzugt nennt "Leiterin" der Diagonale - auf eigenen Wunsch beendet.
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber haben in den vergangenen Jahren Österreichs größtes Jugend Medien Festival, das YOUKI, in Wels geleitet.
Lukas Mail
Herzliche Gratulation! Ihr habt die Generalversammlung der Diagonale mit einem Konzept überzeugt, das die als „von Mut, Neugier und einer Lust an Neuem geprägt“ bezeichnet. Inwiefern seid ihr mutig? Und: Was wird es Neues geben?
Wer gehört der Generalversammlung des Trägervereins der Diagonale an?
Andrea Maria Dusl und Dagmar Streicher, Gustav Ernst, Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Mathias Forberg, Erich Lackner, Johannes Rosenberger sowie Ernst Kieninger und Walter Mika.
Peter Schernhuber: Zum Mut muss man sagen, dass wir recht glücklich sind, dass die Generalversammlung so mutig ist, uns das anzuvertrauen. Wir sind noch sehr jung usw. Andersherum gedacht: Wir haben versucht, das einzubringen, was uns bisher in unserer Arbeit geprägt hat. Wir bauen auf dem Festival von Barbara Pichler auf, das sich etabliert hat und mittlerweile renommiert ist. Gleichzeitig glauben wir als einer anderen Generation Angehörige, andere Aspekte einbringen zu können.
Welche anderen Aspekte sind das?
Peter Schernhuber: Für uns ist die Festivalleitung mehr als nur künstlerisch/programmatische Überlegungen. Es gibt eine Vielzahl organisatorischer, administrativer oder im Fall von Graz standortspezifischer Agenden. Um es überspitzt zu sagen: Von der Papierstärke der Einladungen bis zur Zufriedenheit des Publikums wird alles eine Rolle spielen. Und es geht uns stark darum, abseits der Leistungsschau informelle Zusammenkünfte für Austausch zu schaffen. Wo neue Projekte angeleiert werden. Wo die Branche miteinander, aber auch mit dem Publikum in Kontakt tritt.
Sebastian Höglinger: Uns war es beim Konzept sehr wichtig, das Festival nicht nur aus der Perspektive des Films zu denken, sondern auch aus jener des Formats. Was ist ein Festival heutzutage? Wir können uns diese Frage trotz unseres jungen Alters leisten, weil wir jahrelange Erfahrung im Machen von Festivals haben und diese intermedialen Blicke haben. Wir haben auch bei Festivals im Musik- und Designbereich gearbeitet. Zu schauen, was befruchtend sein kann für ein Filmfestival, das ist uns ein großes Anliegen.
Was wird es Neues geben?
Sebastian Höglinger: Mit programmatischen Ansagen halten wir uns noch bewusst bedeckt. Es ist Tag Eins und wir möchten Überzeugungs- und Vertrauensarbeit leisten. Ab Juni werden wir mit Konkretem herausrücken. Es tut mir leid, wie ein Politiker eine Frage zu umschiffen! Doch eine Antwort wäre unseriös, ohne den genauen finanziellen Einblick zu haben.
Was reizt euch an der Diagonale?
Sebastian Höglinger: Die Diagonale hat ein Alleinstehungsmerkmal innerhalb von Filmbranchen-Veranstaltungen. Denn sie wagt einen Spagat: Es ist ein Branchentreffen, ein Publikumsfestival und die Diagonale hat - geschärft durch die Zeit der Intendanz Barbara Pichlers - einen kuratorischen Anspruch. Es gibt eine Vielzahl an Bedürfnissen. Das mag wie ein Handicap klingen, doch für mich ist das spannend. Dieser Spagat macht die Diagonale in einer gewissen Form sexy.
Peter Schernhuber: Ich mag diese gern beschworene Vielfalt und den Facettenreichtum, gleichzeitig finde ich es wahnsinnig attraktiv, dass man in Graz arbeiten kann. Dass wir in einer neuen Stadt arbeiten können, die eine sehr spannende Szene hat. Und wir werden bewusst versuchen wollen, mit dieser Szene in Verbindung zu geraten und anzudocken. Gleichzeitig arbeiten Sebastian und ich schon sehr lange zusammen. Die österreichische Branche ist eine sehr heterogene, aber eine, die vielseitige Strahlkraft und Facetten hat. Auf das freue ich mich besonders, weil es unserer Sozialisierung entspricht. Es ist nicht so, dass man sagt, ah, nehmen wir den Avantgardefilm oder den Spielfilm, der orientierter am Publikum ist? Wir wollen alles und wir wollen es in einen Dialog zueinander bringen. Weil ich glaube, es ist eine falsche Vorstellung, dass es sich widerspricht.
Sebastian Höglinger: Also ein Festival als sehr diskursiven, aber auch sehr lustbetonten Ort.
Lukas Maul
Von FilmemacherInnen, die nicht aus dem Kontext der Filmakademie oder anderer Filmschulen kommen, habe ich vielfach die Klage gehört, die Diagonale würde sie ausschließen. Wie werdet ihr mit selbstproduzierten Filmen umgehen?
Peter Schernhuber: Prinzipiell steht die Diagonale allen offen. Im Detail muss man sich ansehen, was kommt und wie das matrial-ästhetisch und qualitativ aussieht. Man kann aus unserer bisherigen Arbeit ablesen, dass wir nicht auf eine bestimmte Schule oder ein bestimmtes Genre fokussiert sind, sondern dass wir Film sehr weit gedacht haben. Was aber nicht in Beliebigkeit endet.
Ihr seid sehr junge Intendanten, ihr habt das selbst angesprochen. Ende vergangenen Jahres gab es eine Studie des Medienhaus Wien, die ein tristes Bild für den österreichischen Film ergab: Die 14- bis 29jährigen WienerInnen fühlen sich nur selten von österreichischen Filmen angesprochen. Was werdet ihr als Intendanten der Diagonale dem Publikum unter 30 bieten?
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber müssen lachen, bevor sie antworten: Die Diagonale generiert ein Label von österreichischem Film, es passiert also eine gewisse Sinnstiftung. Dessen sind wir uns bewusst. Gleichzeitig werden wir mit der Vorstellung dessen, was österreichischer Film ist, die beim Publikum vorherrscht, hantieren. Es wird Bilder geben, die nicht so rosig sind. Der österreichische Film ist sehr vieles, und ich glaube, zum Teil ist es eine Arbeit an seinem Ruf. Was ein Festival schon leisten kann, ist eine Atmosphäre zu schaffen, dass Leute hinkommen und sich Filme anschauen. Es geht schon darum, ein neues Publikum durch das Auftreten der Diagonale zu erreichen. Dem Klischee des österreichischen Films werden wir uns stellen.
Was wird aus dem YOUKI?
Peter Schernhuber: Wir haben schon länger geplant, das YOUKI abzugeben. Auch, wenn das mit der Diagonale jetzt nicht passiert wäre. Wir glauben, es ist gut für ein Festival, insbesondere für ein Jugendfestival, wenn es in Bewegung und in Veränderung bleibt und neuen Sachen nachspürt. Das YOUKI wird übernommen von Laura-Lee Röckendorfer (aus dem YOUKI-Team) und von Boris Schuld vom Medien Kultur Haus Wels. Um die Zukunft des YOUKI muss man sich somit keine Sorgen machen. Es wird weiter und neue Wege gehen.
Heute auch Gast in FM4 Connected
Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber, die gemeinsam das Filmfestival Diagonale 2016 leiten werden, sind heute auch Gast in FM4 Connected. FM4 Filmredakteurin Petra Erdmann hat die beiden Filmwissenschaftler ins Studio gebeten.
Dieses Element ist nicht mehr verfügbar