Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "RTFM, noob!"

Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

25. 11. 2014 - 18:01

RTFM, noob!

Abkürzungen, Akronyme, Emoticons und Halbsätze. Netzsprache ist voll mit vielen sprachlichen Versatzstücken. Was hat sich in den letzten 15 Jahren daran verändert?

Es hat verhältnismäßig früh begonnen, dass ich "lol" in meine Alltagssprache übernommen hatte. Ebenso wie im Netz, wo der Begriff seinen Ursprung hat, nutze ich ihn als gesprochenes Wort nicht, um Amüsement oder Freude auszudrücken. Vielmehr verwende ich den Ausdruck um Verblüffung aufgrund diverser Seltsamkeiten im Sinne von "Was, das darf ja nicht wahr sein" Luft zu machen. Das Wort hat also eine konkrete Bedeutung, dennoch bin ich mir bewusst, dass kopfschüttelndes Lolen nicht überall verstanden und gemocht wird. Es ist etwas, das man sagt, wenn man mit Kollegen und Freunden gemeinsam ist.

ROFL, RTFM, OMG, WTF oder eben LOL sind Klassiker der Netz-Lingo, größtenteils bereits seit den 90er Jahren oder davor in diversen Ecken des Netzes verbreitet. In den letzten paar Jahren haben sich allerdings diese ehemaligen Nerd-Termini - analog zur Geek-"Mode" - in die Mainstream-Jugendkultur geschlichen. Wo sich früher meist nur Computerfreundinnen und -freunde mit Leetspeak, sowie Gamer- und Hackerbegriffen unterhalten und von der Außenwelt dafür nur ein mildes Lächeln erhalten haben, werden Klassiker der Netzsprache heute in riesigen Fonts auf T-Shirts und Hoodies gedruckt. Diesen Übergang stuft auch Manfred Glauninger als besonders relevant ein, Sprachwissenschaftler an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologie) und lehrend an den Universitäten Wien und Graz tätig.

Der sogenannte "ROFLcopter", eine aus Buchstaben und Zeichen bestehende Darstellung eines Helikopters.

Internet

Ein visueller Klassiker der Netzsprache: Der ROFLcopter.

Netzsprache ist Schriftsprache

Die Internet-Bandbreiten sind groß und werden immer größer, wir laden riesige Dateien aus dem Netz, spielen umfangreiche Videospiel-Updates auf unsere Konsolen, streamen ein Netzvideo nach dem anderen in bester HD-Qualität. Und doch kommunizieren wir digital weiterhin vorrangig über Text, sowohl im Bereich Telekommunikation als auch online. SMS, Instant Messaging, Social Media: gesprochen wird hier nicht, geschrieben dafür immer. Natürlich wird dabei abgekürzt, simplifiziert, zusammengefasst und Fachvokabular bemüht, wo es nur geht. Das dient längst nicht nur mehr der Distinktion, sondern dem Schaffen von Aufmerksamkeit in einer Welt, wo an allen Ecken und Enden die nächste Sache auf unser Interesse wartet. Kein Wunder, dass Twitter mit seinen berühmt-berüchtigten 140 Zeichen für viele eine starke Faszination ausübt. TL;DR - noch so ein Akronym, das etwas jünger ist und perfekt auf die vermeintlich verkrüppelte Sprache des Netzes passt. In Wahrheit wird aber so viel geschrieben und gelesen wie noch nie, so Manfred Glauninger im Interview mit FM4. Bei Alltagskommunikation und dem klaren Vermitteln von Botschaften soll es aber eben nicht ums literarische Ausholen und um sprachliches Ausschmücken gehen. "Komm' auf den Punkt!" lautet vielmehr die Aufforderung der schnellen, knappen Netzsprache.

Sprechen mit dem Daumen

Manfred Glauninger

twentytwenty.at

Manfred Glauninger

Geschriebene Mündlichkeit, ein Sprechen mit dem (Smartphone-)Daumen, nennt Glauninger die quasi regelfreie Form der Schriftsprache im Netz. Eng damit verbunden sind die Emoticons, diese nun auch schon in die Jahre gekommene Krücke, um Emotionalität, Tonfall, Klangfarbe von gesprochener Sprache sowie die dazugehörige Mimik der jeweils sprechenden Person durch visuelle Unterstützung hör- und spürbar zu machen.

Das Netzkultur-Symposion "Twenty Twenty" beschäftigt sich heute, 25. November, mit Netzsprache. Manfred Glauninger ist Keynote-Speaker, los geht es bei freiem Eintritt um 19 Uhr.

Obwohl ein Smiley-mit-Lol-Einzeiler Mitte der 2010er Jahre wirklich keinen kommunikativen Fortschritt zur ehemals wundersamen "Cyberzeit" der Jahrtausendwende darstellt, feiert diese Form der geschriebenen Alltagssprache weiterhin fröhliche Urständ. Die Emoticons werden sogar noch mehr werden, prophezeit der Sprachwissenschafter. Auch hier hat sich eine Subkultur der 90er Jahre zu einer mehrheitsfähigen Kommunikationsform gewandelt. Der südkoreanische Instant Messenger Kakaotalk etwa bietet - ähnlich wie der Social-Media-Koloss Facebook - riesige Smilies, die die fernöstliche Kawaii-Kultur ebenso pflegt wie den Kontinent übergreifenden Cat Content. Es ist und bleibt also ein bunter Haufen an Buchstaben und Bildchen, die über unsere Smartphones wuchern. Das muss man nicht mögen, sollte man aber ebenso wenig als das Ende von Bildung missinterpretieren. Denn Kultur- und Jugendpessimisten wurden im Laufe der Zeit letztlich immer des Irrtums überführt.

Diverse Emoticons mit einem gelben Tier in einem weißen Katzenkostüm.

Kakaotalk