Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Boulevard of Broken Dreams"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

23. 11. 2014 - 15:47

Boulevard of Broken Dreams

Der Song zum Sonntag: Tobias Jesso Jr. - "Hollywood"

Der schöne Stich des Versagens, das Sich-Suhlen im Scheitern – beliebte und gerne nur allzu romantisierte Motive in jeglicher Kunst. Von Erfolgstypen und gelungenen Lebensläufen der Leistung will ja kein Mensch etwas lesen. Lieber hören wir nuschelnden Wuschelboys dabei zu, wie sie in ihrem Kinderzimmer der allergrößten Liebe des Lebens, die nicht sein hat sollen, zur Akustikgitarre nachheulen.

Schnell verkommt man zum selbstherrlichen Abziehbild des Leidens. Irgendwann wird man älter. Neben dem Herzschmerz, den man sich als Teenager schon groß und bedeutsam geredet hat, kommen nun andere Niederlagen, Erniedrigungen und die eine oder andere Schmach ins angeblich erwachsene Leben. Der kanadische Songwriter Tobias Jesso Jr. singt davon, wie das so ist, wenn die an ein künstlerisches Wollen gekoppelte berufliche Karriere einfach nicht wahr werden will. Sie zerbricht nicht, sie ist nie gewesen.

Tobias Jesso Jr.

Tobias Jesso Jr.

Sein 2015 erscheinendes Debütalbum handle von "Los Angeles, failing and a break-up", so Jesso Jr., in seiner aktuellen Single "Hollywood" scheinen alle drei Themen zusammenzukommen - auch wenn der Break-Up bloß noch als Nachhall herauszuhören ist, als Mitgrund für den Versuch eines Neubeginns. Der Endzwanziger Jesso Jr. singt von einem der klischeehaftesten Sehnsuchtsorte, dem Fluchtpunkt des Träumens, und davon, es ebendort nicht zu schaffen: "But I don't know if I can make it, no, I don't know if I could / Think I'm gonna try in Hollywood".

Nun fischt sich Jesso Jr. diese Fantasien vom Glamour nicht bloß aus der leeren Luft, was er da in dem Song "Hollywood" über einem traurigen Klavier so erwärmend in eine schlecht besuchte Bar haucht, hat er selbst erlebt. Nach kurzen, finanziell durchaus lukrativen, letztlich aber unbefriedigenden Karrieren in einer The-Killers-Light-Combo und als Mitglied der Backing-Band einer Wannabe-Avril-Lavigne mühte sich Jesso Jr. ernsthaft, in Los Angeles gefragter Songwriter hinter den Kulissen zu werden.

Er tat es nach eigenen Aussagen für den Erfolg und den Glitz, es sollte nicht funktionieren: "I think I'm gonna die in Hollywood", heißt es später in dem Lied. Dass jetzt, wo Jesso Jr. bloß die Liedchen, die ihm grade so gefallen, für sich selbst schreibt, etwas Indie-Fame vor der Tür steht, ist sicherlich eine ein bisschen schmalzige Fügung des Kosmos, aber auch eine, die hoffnungsvoll stimmt. Nach ersten, verkratzten Lo-Fi-Songs aus dem Heimstudio wird Jesso Jrs. Debütalbum unter anderem von Chet "JR" White von der Gruppe Girls, Patrick Carney von den Black Keys und Über-Producer Ariel Rechtshaid betreut werden.

Dass "Hollywood" auf der tatsächlichen Biografie des Künstlers beruht, darf dem Zuhörer freilich egal sein. Der in dem Song verhandelte Wunsch ist immergültig. Wenn Tobias Jesso Jr. von der Resignation singt, "So I found the best advice: 'Go and get a job'", kann er das wohl selbst kaum ernstnehmen. Die Suche und das Glühen dürfen niemals aufhören.