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Burstup

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21. 11. 2014 - 14:47

Journalismus in der Welt nach Snowden

Die Dokumente, die der Whistleblower Edward Snowden vor eineinhalb Jahren öffentlich gemacht hat, zeigen uns, dass wir in einem bis dahin ungeahnten Ausmaß überwacht und ausgespäht werden. Welche Auswirkungen müssen die Erkenntnisse auf den Journalismus haben?

Die Berichterstattung über die NSA-Überwachung sei ein Triumph des Journalismus. Das sagt Matthias Spielkamp, Journalist und Keynote-Speaker bei einer Konferenz des FJUM Wien (Forum Journalismus und Medien). Edward Snowden sei bei den Enthüllungen des NSA-Skandals klug vorgegangen, indem er sich an einen Journalisten gewandt habe, anstatt die Daten einfach selbst im Netz zu veröffentlichen. „Snowden war bescheiden genug um zu erkennen, dass er selbst eine Geschichte solchen Ausmaßes nicht hätte stemmen können.“ Er habe sich auch nicht an eine NGO oder an die Redaktion einer Zeitung gewandt, sondern an einen einzelnen Journalisten persönlich. „Er wollte Glenn Greenwald.“ Denn dieser habe für Snowden genau das verkörpert, was Journalismus viel zu selten sei: „Unbestechlich, schonungslos, direkt, in Greenwalds Fall auch rotzfrech. Vor allen Dingen aber auch furcthlos – eine Haltung, die es mit jedem Gegner aufnimmt, und sei er auch noch so mächtig.“

Kabel

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Wie können Journalistinnen und Journalisten in einer Welt, in der jedes ans Internet angeschlossene Gerät potenziell überwacht wird, ihre Rolle als “vierte Gewalt” ausüben? Was müssen sie tun, um ihre Quellen zu schützen und wofür müssen sie kämpfen? Für Matthias Spielkamp ist die Arbeit von Edward Snowden und Glenn Greenwald ist ein wichtiges Lehrstück, um diese Fragen zu beantworten.

Schon der erste Kontakt zwischen Snowden und Greenwald zeigt nämlich bereits ein grundsätzliches Problem, das viele Journalisten immer noch haben: Glenn Greenwald konnte nicht verschlüsselt kommunizieren. Spielkamp: "Snowden hat versucht, sich an ihn zu wenden. Er hat gesagt: ‚Hier, ich möchte dir eine verschlüsselte E-Mail schicken‘, und Greenwald hat gesagt: ‚Kann ich nicht.‘ Dann hat Snowden sich die Mühe gemacht, ihm eine Videoanleitung zu basteln und zur Verfügung zu stellen – und die hat Greenwald nicht zu Ende gekuckt, weil er gesagt hat ‚das nervt, das ist alles viel zu technisch‘. Greenwald muss sich eigentlich bis heute fragen, warum das Schicksal es so gut mit ihm gemeint hat, dass an der Stelle nicht einfach Feierabend war und Snowden gesagt hat: ‚Okay, du Pfeife. Dann geh ich eben zu jemand anderem.‘ Das hat er nicht getan.“

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Ein Triumph des Journalismus sind die NSA-Aufdeckungen für Matthias Spielkamp auch, weil Glenn Greenwald die Snowden-Dokumente auf so hohem Niveau analysiert und ausgewertet habe: „Ich war von den Originaldokumenten ganz schön eingeschüchtert. Wenn man sich diese Informationen anschaut – daraus einen Sinn zu destillieren und eine kohärente Geschichte zu machen, mit Recherche herauszufinden, was eigentlich passiert ist und wen diese Dokumente inkriminieren – das ist ganz schön schwierig.“

Die akribische Recherche sei auch der Grund, warum der NSA-Skandal selbst eineinhalb Jahre nach den ersten Enthüllungen noch immer in den Schlagzeilen ist. Erst gestern, am 20. November 2014, hat etwa die ARD wieder über neue Details aus den Dokumenten berichtet. Das, so Spielkamp, sei eine gewaltige Leistung. „Es wird viel darüber geredet, wie wenig der Skandal die Bevölkerung interessiert. Ich sehe das anders. Wie da eineinhalb Jahre lang die Debatte aufrechterhalten wird, das ist erstaunlich – bei einem Thema, das alle Politiker und auch viele Unternehmen lieber heute als morgen vom Tisch hätten.“

Matthias Spielkamp erhob bei der heutigen Konferenz auch Forderungen an Journalisten. Seine wichtigste: Lernt, wie man E-Mails verschlüsselt. Angesichts der weltweiten Überwachung gelte das für Journalisten allein schon deshalb, weil sie ihre Quellen schützen müssen. Außerdem sollten sie sich selbst nicht nur als Beobachter des Weltgeschehens verstehen: „Begreifen sie Auseinandersetzungen wie die um die Snowden-Leaks, wenn es um unsere Bürgerrechte geht, auch als eine Pflicht, diese Situation zu ändern.“