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Anna Masoner

Anna Masoner

Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

18. 11. 2014 - 15:39

Mr. Quantified Self

Der US-Amerikaner Chris Dancy bezeichnet sich selbst als vernetztesten Menschen auf dem Planeten. Ein Datenstriptease.

Chris Dancy ist rund um die Uhr überwacht und zwar von sich selbst. Vom simplen Schrittzähler bis hin zu speziellen Sensoren in seiner Matratze. 10 Gadgets beziehungsweise Sensoren trägt er dafür am Körper, mehr als 20 sind bei ihm zuhause beziehungsweise in seinem Auto installiert. Ganz abgesehen von den unzähligen Apps, die die Tonnen an Daten auswerten und speichern.

"Allein auf meinem Arm trage ich vier Gadgets. Zum Beispiel eine Art Armband, das meine Aktivität misst, ein anderes misst meinen Blutdruck und meinen Puls."

Chris Dancy

Chris Dancy

74 Schläge pro Minute beträgt Chris Dancys Puls zu Beginn des Interviews, wie er mir auf seinem Smartphone zeigt. Doch das ist erst der Anfang. Ich erfahre, wieviele Minuten und Sekunden er gestern Nacht geschlafen hat, wieviel davon im Tiefschlaf. Wie hoch die Sauerstoffsättigung seines Blutes nach der Jogging-Runde war oder welche Auswirkungen sein Blutdruck auf sein Essverhalten hat. Eines seiner smarten Armbänder spricht sogar mit seiner Heizung. Stellt es fest, dass Chris nicht gut schläft, gibt es dem Thermostat den Befehl, die Heizung rauf oder runter zu drehen. Doch auch seine Kreditkartenbewegungen erfasst Chris Dancy und wertet sie aus, natürlich auch das Wetter und welche Bücher er liest.

Rettende Daten

Mit der strengen Körper- und Lebensvermessung hat der Mitvierziger vor 6 Jahren begonnen, inmitten einer Lebenskrise. "Damals bin ich gerade 40 geworden und hab mir über meine Gesundheit Sorgen gemacht. Ich hatte 50 Kilogramm Übergewicht und hab mindestens eine Packung Zigaretten pro Tag geraucht." Um sein Leben zu ändern, begann er, sich selbst genau zu beobachten und seine Erkenntnisse niederzuschreiben. Nicht nur sein Gewicht, sondern auch welche Musik er hörte und was sie bei ihm auslöste.

1000 Erkenntnisse über sich

Chris Dancy ist vielleicht der radikalste „Quantified Self Anhänger“, mit Sicherheit aber der mit der besten Eigen-PR. Quantified self startete 2007 als eine Art Bewegung an der US-amerikanischen Westküste und zieht seither immer mehr Menschen in den Bann. Mithilfe von Apps und sensorbestückten Gadgets führen die Anhänger über das eigene Leben peinlich genau Buch.

Durch die Auswertung der Daten wollen sie möglichst viel über sich erfahren, ihre Lebensqualität und natürlich auch ihre Leistung verbessern. "Ich hatte in den vergangenen Jahren tausende von Erkenntnissen. Ich weiß zum Beispiel genau, wieviel ich mich pro Tag bewegen muss, um nicht zuzunehmen und dass mir der Geruch von Lavendel beim Einschlafen hilft."

"Brauche Technik nicht mehr"

Mittlerweile hat sich Chris Dancy zu einer Art Life Logging Erleuchtetem entwickelt. Er meditiert und versucht mithilfe seiner vielen Geräte und Apps besser zu verstehen, was bei ihm Stress auslöst. Nein, die viele Technik ist es nicht. Das hat er schon herausgefunden. Denn eigentlich, verrät er, brauche er sie gar nicht mehr.
"Das ist ja das Lustige daran, wenn man sich selbst vermisst. Man glaubt immer, es geht nur um Geräte und Apps. Aber ich weiß mittlerweile ganz automatisch wie hoch mein Puls ist, ohne auf mein Smartphone zu schauen. Ich müsste sie also gar nicht mehr tragen."