Erstellt am: 5. 12. 2014 - 12:43 Uhr
Sarkasmus im Sommerlicht
Es gibt bekanntlich mehrere Kategorien von Woody-Allen-Filmen. Da sind die makellosen Meisterwerke, die dir alles über die Tristesse des Daseins erzählen, aber gleichzeitig ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Wir reden von Streifen wie "Annie Hall", "Manhattan" oder "Stardust Memories", die für die besten zeitgenössischen Tragikomödien aus dem Indiesektor zur Blaupause wurden.
Dann gibt es die Regiearbeiten, bei denen jedes Schmunzeln gefriert, weil Allan Stewart Konigsberg den inneren Ingmar Bergman rauslässt. "Interiors", "Husbands and Wives", "Hannah and Her Sisters" oder "Blue Jasmine" seien als faszinierende Beispiele genannt, mit denen man Fans des verblödelten Woody Allen in eine veritable Existenzkrise befördern kann.
Letztere kommen wiederum bei modernen Klamauk-Kassikern wie "Take The Money And Run", "Bananas", "Deconstructing Harry" oder "Mighty Aphrodite" auf ihre Kosten.
Neben herrlich gelungenen Mischformen aus all diesen Bereichen, die sich gar nicht entscheiden wollen, ob sie zum Lachen oder Weinen bringen wollen, existiert auch noch die Abteilung der Dahinplätscherfilme. Ich nenne stellvertretend "Radio Days", "The Curse of the Jade Scorpion" oder auch "To Rome With Love", aber da sind noch mehr belanglose Fadgasstreifen im Schaffen des Regisseurs, Autors und Schauspielers Woody Allen, der seit Dekaden pünktlich jedes Jahr einen Film veröffentlicht.
Warner
Entzauberung im warmen Sommerlicht
"Magic in the Moonlight" fällt auf den ersten Blick ins Dahinplätscher-Fach. Aber, um es vorwegzunehmen, der neueste Woody-Allen-Film kratzt noch die Kurve. Angesiedelt im warmen Sommerlicht des südlichen Frankreich, noch dazu in der vom Regisseur so geliebten Ära der 1920er Jahre, könnte die Oberfläche nicht idyllischer wirken. Darunter ruhen dann aber doch einige der Schlüsselthemen, mit denen sich Mr. Allen auch in eindringlicheren Werken bereits auseinandergesetzt hat.
Colin Firth spielt Stanley Crawford, einen einst gefeierten Londoner Zauberkünstler, der sich auf das Entzaubern spezialisiert hat. Schon etliche Scharlatane hat der arrogante Dandy bloßgestellt, als erklärter Nietzscheaner glaubt er selbst nur an die Naturwissenschaften und das Nichts am Ende der Existenz.
Als ein alter Freund den Meister der Täuschung bittet, an der Côte d'Azur eine Gauklerin zu entlarven, sagt Stanley gerne zu. Vor Ort angekommen, wird die Skepsis des Sarkastikers dann weder durch die fast schon unwirklich schöne Landschaft noch durch die bezaubernde Erscheinung des Mediums Sophie Baker (Emma Stone) gemildert. Im Gegenteil, die neureiche Familienkonstellation, in die die junge Amerikanerin einheiraten will, reizt den verbitterten Briten besonders, sein Gift zu versprühen.
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Widerhaken mit Watte umhüllt
Wir ahnen natürlich nicht nur, dass die schöne Sophie dermaßen überzeugend die Zukunft vorhersagt und aus den Karten liest, dass sogar Berufszyniker und Regisseurs-Alter-Ego Stanley irgendwann an seinem Weltbild zu zweifeln beginnt. Auch die romantische Annäherung von Emma Stone und Colin Firth scheint vorprogrammiert. Bei aller leichtfüßigen Komödienkost und trotz des bisweilen zu berechenbar anmutenden amourösen Geplänkels der Protagonisten, bleibt am Ende von "Magic in the Moonlight" aber eine gewisse Melancholie zurück.
Ganz vorsichtig und in Watte umhüllt, hat Woody Allen auch kleine nihilistische Widerhaken in der nostalgischen Romanze versteckt. Und gleichzeitig ein Statement zu einer Gegenwart geliefert, in der sogar Verwandte und Freunde, an deren Menschenverstand man nicht zweifelt, dem modischen übernatürlichen Unfug in die offenen Arme laufen.
Über die Esoterik, die Religion und den Tod habe ich dann auch mit Woody Allen himself geplaudert, als ich ihn vor einigen Monaten in seinem geliebten Paris zum Interview treffen durfte. Ganz vorsichtig gibt mir der fragil wirkende 78-Jährige zur Begrüßung die Hand, der Eindruck der Zurückhaltung legt sich aber, sobald Allen auf Scharlatanerie und Naivität zu sprechen kommt.
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Klarerweise muss es in den raren Interviewminuten auch um die Liebe gehen, an die der Regisseur noch als einzige Form der Magie glaubt. Auch wenn schon demnächst die Wissenschaft das Begehren als Spiel der Hormone dekonstruieren wird, bis dahin haben wir noch etwas Zeit, sagt Woody Allen. Und in seinem ernsten Gesicht flackert ein Ansatz von einem Grinsen auf.