Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "The daily Blumenau. Friday Edition, 14-11-14."

Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

14. 11. 2014 - 20:32

The daily Blumenau. Friday Edition, 14-11-14.

Zwei Medien-Branchen-Seltsamkeiten.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

#medienpolitik #medienkonvergenz

The Unholy Trinity im Kampf um die U-Bahn

Wien ist - alle Lokal-Landes-Patrioten jetzt weglesen -, was Medienrelevanz überregionaler Medienprodukte betrifft, entscheidend. Vor allem mit dem Speckgürtel; und der brauchbar erschlossenen Region Ost.

Der Kampf um Wien tobt daher in jedem Bereich. Auch im Printwesen, vor allem am Boulevard. Und seit es die öffentlichen Verkehrsadern der Region sind, die da - vor allem im Gratis-Bereich - als Hauptkampfzone auserkoren wurden, vorrangig an und vor den diversen Bahn-Stationen.

Die Meldung, dass sich dieser Tage auch die bislang noch nicht richtig in diesen Heute-Österreich-Konflikt involvierte, noch im echten Verkauf erfolgreiche Kronen-Zeitung (deren Abend-Kolportage nach dem wegen zu hohen Kosten bedingten Aus für die Kurier-Abendausgabe zumindest stadtbildtechnisch-gefühlt zurückgegangen ist) in den Gratis-Vertrieb einklinken würde, war dementsprechend von einer großen Einschränkung begleitet. Schon allein, weil man im Hause Dichand (Sohn: Krone; Schwiegertochter: Heute) keine Bruchlinien aufmachen will.

Krone-Zeitungssackerl, hinten eines  vom Kurier, im Sonnenlicht.

blumenau

Die an etwas über 100 Aushängetaschen gratis angebotene Abend-Ausgabe der Kronen-Zeitung werde - so lautete die Meldung übereinstimmend zwar auch an Bahnhöfen zu finden sein, "nicht aber in oder vor den U-Bahn-Stationen".

Nun, rund um den Bahnhof, den ich heute besucht habe, war - selbst für mein geübtes Zeitungs-Auge - nichts zu sehen. Vor den beiden normalen U-Bahn-Stationen aber, die ich heute benützt habe, prangten direkt vor dem Haupteingang, zwischen/neben Heute-Box und Österreich-Box fett die Abend-Krone-Ständer. Und sie waren auch am frühen Vormittag noch recht prall gefüllt; fast so, als hätte man sie nach der abendlichen Leerung noch einmal bewusst aufgefüllt.

Diese doch recht seltsame, gegen die eigene Ankündigung und innerhalb der eigenen Familie erfolgende Aktion findet vor dem Hintergrund eines langsamen Abstiegs des einstigen Platzhirschen, der in Einwohner-Relation gerechnet einmal die größte Tageszeitung des Planeten war, statt. Und könnte trotz geringer Notwendigkeit der Anfang eines Zeitungs-Krieges (es wäre nicht der erste in der 2. Republik) sein, der im wahrsten Wortsinn auf der Straße ausgefochten wird.

Die Gefahr der freiwilligen Selbstbeschränkung

Kürzlich, Auszug aus einem Dialog zwischen einem Personalvertreter und einem Geschäftsführer.

Personalvertreter: Ihre Maßnahmen verhindern die ordentliche Durchführung unserer Kernaufgabe: recherchieren und eine Geschichte gestalten.

Geschäftsführer: Nach meinem Verständnis ist der Journalist auch für die Verpackung seiner Geschichte zuständig.

Der Personalvertreter hat übrigens nicht "Geschichte" gesagt; ich verwende diesen medienübergreifenden Begriff nur zur Verschleierung. Verwendet wurde ein deutlich engerer Terminus, der sich noch deutlicher auf ein recht enges Format selbstbeschränkt; Artikel wäre so ein Begriff für Print; Beitrag, wenn man in Radio- oder Fernseh-Dimensionen denkt.
Beides sind Formate, die in Zeiten der Medien-Konvergenz eklatant zu kurz greifen. Mittlerweile sind Journalisten (und zwar alle, nicht nur der Nachwuchs, dem diese Fakten in seiner Ausbildung - auch um ihnen schnell alle Illusionen abzuräumen - fest um die Ohren geschlagen werden) aufgerufen, sich neben dem klassischen Bericht (der sich in früheren Zeiten tatsächlich selbst genügt hatte) auch um die Auffettung durch andere Zugänge, Darstellungsformen und Fremdmedien-Sprengsel zu kümmern.

Wenn ein Journalist sich dem Nachdenken drüber, welchen Ausspielweg seine Geschichte nehmen soll, verweigert, und seine Rolle in der Produktion innerhalb eines einzigen redundanten, nie zu verlassenen Formats sieht, dann wird er in Hinkunft ein Problem haben; in Österreich. In Deutschland hätte er es bereits jetzt.

Der nämliche Personalvertreter ist im übrigen kein weltfremder Beamter, sondern eine zutiefst Neue-Medien-affine junge Kraft mit heftigem Elan.
Die Formulierung ist ihm eher rausgerutscht; auch weil die Denke dahinter immer noch so tief drinsteckt in der Branche, vor allem in der immer noch dominanten Alters-Kohorte der Alpha-Rüden, die bei derlei Definitionen immer noch den Ton angeben.

Ich bin immer dann, wenn der seltene Fall eintritt, das ich eher die Position der Geschäftsführung als die der Personalvertretung nachvollziehen kann/vertreten muss, ein wenig verstört. Denn es gibt im Journalismus keine gefährlichere Situation als die, dass die ökonomische Führung besser über sinnvolle Branchen-Maßstäbe Bescheid weiß als die intellektuelle.

Das hat auch mit einem zweiten Zitat (auch wieder eines von einem Medien-Geschäftsführer) zu tun, an dessen Bewahrheitung man zwar nicht glauben muss, die Möglichkeit aber in Betracht ziehen sollte: dass es im Österreich in zehn Jahren nämlich nur noch drei bis vier Medien geben werde könne, die Journalisten das, was man heute unter Vollzeit-Anstellung versteht, anbieten werden können. Der Rest wird mit dem Arbeitsstrich der ans Prekariat Gewohnten auskommen.

Freiwillige Denkbeschränkungen dieser Format-Wahrungs-Preisklasse werden eine solche dystopische Branchen-Zukunft über Gebühr befördern und befeuern. Und es werden nicht die Fließband-Arbeiter ohne Interesse am Ausspielweg sein, die künftig die Branchen-Fahnen noch hochhalten werden können.