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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

16. 11. 2014 - 11:05

World of Blizzard

Viele spielen nichts anderes als die hochprofessionellen Blockbuster-Computerspiele von Blizzard Entertainment. Die kalifornische Firma sorgt dafür, dass das so bleibt.

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Ständig dreht sich das Rad weiter. In vielen Bereichen der Welt ist das nicht nur selbstverständlich, sondern auch begrüßenswert. Leben ist Veränderung und meistens gibt es in nahezu allen Bereichen - von Politik und Wirtschaft bis hin zur eigenen Lebensgebahrung und den persönlichen Umgang mit anderen Menschen - Dinge, die man verbessern, weiterentwickeln, verändern oder anders denken kann. Andererseits ist es schön, einen Rückzugsort zu haben, auf den man sich verlassen kann, der sich in Details ändert, aber nicht in seinen Grundfesten. Etwas Beständiges, das man gut kennt, aber das einen dennoch immer wieder aufs neue überrascht.

Die Logos der Computerspiele "Diablo 2", "Starcraft" und "Warcraft 3".

Blizzard Entertainment

Im Bereich der Computerspiele findet man diese Beständigkeit in der kalifornischen Firma Blizzard Entertainment. Sie entwickelt seit den 90er Jahren Games und hat bereits seit 1996 ihren eigenen, kostenfreien Online-Dienst Battle.net am Start. Die ersten Jahre war Battle.net ein noch ungewöhnliches Service, das aber schnell von verblüffend vielen Spieler/innen genutzt wurde, konnte es doch auch mit langsamen Netzverbindungen gut umgehen.

Mittlerweile ist das Battle.net - 2010 im Zuge der Veröffentlichung von "Starcraft 2" technisch, visuell und funktionell komplett überholt - eine zwingende Voraussetzung, um aktuelle Blizzard-Spiele zu spielen. Doch auch die 15 Jahre alten Spiele sind weiterhin spielbar, im mittlerweile als "Classic Battle.net" bezeichneten Online-Dienst, der zwar wegen seines fortgeschrittenen Alters sowohl bei Software-Designern als auch Usern zeitweise Kopfschütteln hervorruft, aber eben immer noch da ist.

Bereits sehr früh in der Firmengeschichte haben Blizzard-Spiele nicht nur gute Kampagnen für Einzelspieler/innen geboten, sondern immer auch einen Mehrspieler/innenmodus, der wahlweise im lokalen Netzwerk oder eben übers Internet verfügbar war. Egal, ob "Diablo", "Warcraft" (ab Teil 2) oder "Starcraft" - Blizzard-Games haben für viele als harmlose Abendbeschäftigung begonnen und sich innerhalb von Wochen, Monaten und Jahren in ein eigenständiges Hobby verwandelt. Es wurden Teams und Clans gegründet, man hat in Battle.net-Chaträumen und in Webforen gefachsimpelt, gejubelt und geschimpft. Unzählige Nächte wurden durchgespielt, Freund- und Liebschaften sind entstanden. 2005 ist mit der Veröffentlichung von "World of Warcraft" die bereits vorhandene Tendenz, dass es für viele Gamer kaum Interesse mehr für Computerspiele außerhalb von Blizzard-Produkten gibt, noch weiter verstärkt worden.

Screenshot aus dem Computerspiel "StarCraft II".

Blizzard Entertainment

Ewige Echtzeitstrategienuss "Starcraft" - nothing else matters?

Schwere Zeiten für bekannte Serien

Doch die letzten drei, vier Jahre haben dazu geführt, dass trotz anhaltenden Erfolgs der Firma immer mehr Spieler/innen aus dem reichhaltigen Blizzard-Biotop ausgebrochen sind. Der Wachstum der Online-Plattform Steam als Haus- und Hofdienst für so viele Computerspieler/innen hat das Battle.net einiges an Aufmerksamkeit gekostet. Der rasante Aufstieg des immer noch sehr jungen Spielgenre MOBA (Multiplayer Online Battle Arena) mit den Titeln "Dota" und "League of Legends" hat die Popularität von "Starcraft" stark zurückgedrängt. "Warcraft" ist seit längerer Zeit ohnehin nur noch durch das in die Jahre gekommene "World of Warcraft" präsent. Und die "Diablo"-Serie hatte mit der Veröffentlichung des dritten Teils im Jahr 2012 anfangs mit schlechter Presse zu kämpfen, weil das spieleigene Auktionshaus und die sich daraus entwickelte Wirtschaftsdynamik stark in die Kritik geraten sind.

"Hearthstone": Erster frischer Wind

Ende 2013 sind viele verblüfft, als sich Blizzard in für die Firma völlig neues Terrain vorwagt: Man geht mit dem Sammelkartenspiel "Hearthstone" in die Betaphase, einem Spiel, das ganz klar das Kartenspieluniversum "Magic: The Gathering" als Vorbild hat. Viele lange gediente Blizzard-Mitarbeiter/innen hätten früher ständig "Magic" gespielt, wird in der Presse verlautbart, es war also keine so absurde Sache, so ein Projekt auf die Beine zu stellen. "Hearthstone" spielt im "World of Warcraft"-Universum, was zwar kein Wissen über dieses Spiel vorraussetzt, aber gleichzeitig die Millionen von "WoW"-Spieler/innen zumindest mal neugierig macht.

Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "Hearthstone: Heroes of Warcraft": Spieler legen ihre Karten auf den virtuellen Tisch.

Blizzard Entertainment

"Hearthstone" ist nach gut einem Jahr nun etabliert, sowohl als Gelegenheitsspiel als auch E-Sport-Titel, was einigermaßen kurios ist, wenn man sich manche ehemals hektischen "Starcraft"-Profigamer ansieht, die jetzt mit müdem Blick und Herzchenhäferl in der Hand in die Webcam schauen und lange überlegen ob sie nun diese oder jene Karte auf den virtuellen Tisch legen sollen. Die eigentlich sehr heikle Debatte um In-Game-Währung und das Free to play-Geschäftsmodell, dem sich auch "Hearthstone" bedient, hat Blizzard erfolgreich umschifft, indem von Anfang an klar gemacht wurde, dass auch ohne gekaufte Spielkarten, den sogenannten "Profipacks", das Spiel kompetitiv gespielt werden könne. Nach einer kleinen Erweiterung im Sommer steht nun Ende des Jahres "Hearthstone" erstmals ein Riesenupdate mit 120 neuen Karten ins Haus.

2014 als das Jahr der Offensive

Gleichzeitig mit dem "Hearthstone"-Update und - quasi ganz nebenbei - der vor kurzem veröffentlichten, aktuellen "WoW"-Erweiterung "Warlords of Draenor" sind vor wenigen Tagen zwei weitere große Ankündigungen gemacht worden. Die gebeutelte "Starcraft 2"-Saga bekommt nächstes Jahr den dritten Teil ihrer Trilogie spendiert, was neben einer umfangreichen Einzelspieler/innenkampagne auch eine markante Erweiterung der bisherigen Spielfiguren und ihrer Fähigkeiten beinhaltet. Doch besonders bemerkenswert war die Vorstellung einer völlig neuen Spieleserie: "Overwatch", ein teambasierter First Person Shooter, der aus den Resten des aufgegebenen Blizzard-Projektes "Titan" entstanden ist, soll das Portfolio des Unternehmens in einen weiteren lukrativen Bereich erweitern.

Die Logos von allen Computerspieleserien von Blizzard Entertainment.

Blizzard Entertainment

Lange Jahre war Blizzard bekannt für das von der Firma immer stolz verkündete Motto "It's done when it's done", das immer aufgesagt wurde, wenn es mal wieder um die Frage ging, wann denn das so heiß erwartete nächste Game erscheinen würde. Dieser Zugang hat Mitte der 2010-Jahre wohl endgültig ausgedient. Die Wirtschaftslage ist immer noch heikel und der Verdrängungswettbewerb in der Games-Landschaft größer als nie zuvor. Die Aufmerksamkeitsspanne der Spielerinnen und Spieler hat sich verringert und darüber hinaus ist Gaming als singuläres Hobby einem ineinander übergreifenden Medienkonsum gewichen, bei dem sich interaktive Unterhaltung, TV-Serien, Musik, Filme sowie Modding- und Maker-Kultur ständig gegenseitig die Hand geben.

Zurück ins Blizzard-Biotop?

Es sei die schönste Zeit für Konsument/innen, heißt es oft, wenn es darum geht, wie groß die Auswahl an Produkten nicht sei und welche Möglichkeiten man nicht habe, seine Zeit zu investieren. Dass das allerdings Fluch und Segen gleichzeitig ist, versteht sich von selbst. Blizzard Entertainment startet offenkundig eine Großoffensive, die ehemalige Hegemonie wieder zurückzuerobern, wieder sicherzugehen, dass sich alle im hauseigenen Spielebiotop einfinden und den Rest vergessen.

Lässt man sich tatsächlich auf sämtliche Blizzard-Spiele und -Spieleserien ein, läuft man mitunter wirklich Gefahr, sich darin zu verlieren und nicht nur keine anderen Spiele, sondern auch sonst nur mehr wenig wahrzunehmen. Unabhängig davon, dass sie einen sehr trickreich bei der Stange halten ("nur noch eine Partie", "nur noch solange, bis ich Gold erreicht habe", usw.) locken Blizzard-Games vor allem durch ihre nahezu perfekte Spielbalance und Reichhaltigkeit, die eine eigene Form der Faszination ausüben. Es ist ein bisschen so, wie wenn man Schachaficionado ist und plötzlich drei weitere, gleichwertige Spiele wie Schach auftauchen, deren tiefer Logik und Unterhaltung man sich nicht verschließen möchte.

In Sinne einer abwechslungsreichen Lebensgestaltung: Wählt die Blizzard-Games, in die ihr euch vertieft, also klug aus. Darüber hinaus wird es interessant zu beobachten sein, ob und wie stark die Firma ihre hohen Qualitätsansprüche über die kommenden Jahre hinweg halten können wird, wenn nun nicht mehr nur drei, sondern sechs Spieleserien parallel betreut und ständig mit neuen Inhalten gefüttert werden wollen.