Erstellt am: 12. 11. 2014 - 14:32 Uhr
#stolzdrauf
Als ich in der Mittelschule war, gab es ein Probesingen für den Schulchor. Dieser Chor wurde vom Schulmusiklehrer Herrn Jiletkov geleitet, einem erfolglosen Jazzman und Kinderliederkomponist. Im Chor sang Toni mit, das coolste Mädchen in der Schule. Ich wollte die ganze Zeit in ihrer Nähe sein. Ich trat zum Probesingen auf. Wir mussten ein bekanntes bulgarisches Heimatlied singen: „Hohe blaue Berge, Flüsse und goldene Ebenen! Der Himmel ist wie aus Seide, denn das ist meine Heimat!“
Ich fiel durch.
Aber nicht, weil ich keine Stimme habe und wie ein Esel singe. Nein. Der Chorleiter sagte zu mir, dass er in meinem Singen nicht den nötigen Nationalstolz spüren kann. Mein Mitschüler Hristo wurde in den Chor aufgenommen und durfte neben Toni singen. Er sang zwar auch fürchterlich, aber mit einer unglaublichen Begeisterung und Nationalstolz.
Dieser Misserfolg erzeugte in meiner jugendlichen Seele die ersten Zweifel, ob unsere Berge die höchsten, unsere Ebenen die goldensten und unser Himmel tatsächlich aus Seide sei.
CC BY 2.0 Außenministerium flickr.com/minoritenplatz8/
Gestern erfuhr ich von #stolzdarauf, der Kampagne des Außen- und Integrationsministers Sebastian Kurz. Zugewanderte- und Urösterreicher sollen auf Facebook verkünden, worauf sie in Österreich stolz sind. Das soll das Zugehörigkeitsgefühl aller zu Österreich stärken. Ob es tatsächlich Stolz ist, der uns am besten näher bringen kann? In einem Video, erstellt vom österreichischen Integrationsfonds erzählen Migranten, dass sie stolz auf das Bildungssystem, die Möglichkeiten zur professionellen Selbstverwirklichung und die gerechte Gesetzgebung in Österreich sind. Der „Integrationsbotschafter“, „Volkssänger" Andreas Gabalier ist währenddessen stolz darauf, dass in Österreich immer mehr Dirndl und Lederhosen getragen werden. Jeder hat persönliche Gründe, stolz zu sein.
Ich versuche in meinem Unterbewusstsein zu suchen, worauf ich vielleicht in Österreich stolz sein könnte. Auf Billy Wilder, der in Österreich-Ungarn geboren wurde. Auf Mahlers erste Symphonie. Mahler fühle ich mich sehr nah, er war ja derjenige der „mit Gott telefonieren konnte“. Ich mag auch den Stephansdom, da Haydn dort ein Chorist war. Die Tatsache, dass der Vater der Symphonie ein gewöhnlicher Chorist war, gibt mir Kraft, dass ich als Low-Life Experte auch wichtig sein kann. Am meisten bin ich aber stolz, dass ich letzte Woche beim Basketball zwei Dreier getroffen habe und meine Mannschaft gewonnen hat. Wir spielten zusammen: Österreicher, Serben, Türken, Inder und Bulgaren. Und das war völlig egal, es zählte nur, wer am Ende gewinnt.
Der Himmel war nicht aus Seide und die hohen, blauen Berge waren weit weg.
Stolz, mein lieber Kurz, gilt schon seit dem Alten Testament als eine Sünde. Stolz wird uns nicht verbinden. Müssen wir alle „Buam“ und „Dirndl“ sein und Gabalier mögen um uns zugehörig zu Österreich zu fühlen? Ich hoffe nicht.