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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 11. 2014 - 13:04

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 11-11-14.

... in Ausbildung, II. Was die ÖFB-Nationalmannschaft über den sonstigen Coaching-Standard stellt.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

#fußballjournal14

Teil 1

Schon klar: wenn bei einem Wiener Derby nur je ein Reservist und ein Abrufspieler des Nationalteams auf dem Platz stehen, dann kann das Level nicht allzu hoch sein. Und seit die Leistungskurve der einzigen Mannschaft mit mehr als nur einem A-Auswahlkicker (Salzburg, mit diesmal drei Teamkandidaten, auch eher Reservisten) so zackig daherkommt wie nach dem Knacks von Malmö und seinen Standortfolgen, besteht kein Zweifel: die Bundesliga ist in Ausbildung.

Seit Ralf Rangnick den davor eh nur per recht unglaubwürdigen Lippenbekenntnissen geäußerten Anspruch in Europas Elite vorstoßen zu wollen, zugunsten des Projekts Leipzig gekippt hat, gilt auch für den überdeutlich vorne platzierten Klassen-Primus, die rotbulligen Salzburger: ausbilden für den echten, den richtigen, den großen Fußball; Österreichs Substanz für den internationalen Markt vorselektieren.

Salzburg selber tut dies (das erkennt hier etwa auch der ÖFB an) bereits in vorbildlicher Weise: egal ob bei der Meistermannschaft, dem Farm-Team oder dem akademischen Nachwuchs: die Salzburger (oder dort Ausgebildete) stellen in den meisten ÖFB-Jugendteams das Backbone des Kaders.

Um auf das Derby zurückzukommen: lässt man die Ablenkungen durch die Pyro-Bombenwerfer und die euphemistischen Bewertungen der Medienpartner und rosebebrillten Fans beiseite bleibt nicht viel an Substanz.

Der Coach der Austria, Gerald Baumgartner, der bereits seit seiner Übernahme glaubt, sein Personal nach seinem Willen und nicht nach dessen Können einsetzen zu müssen, und darüber das unter Stöger zentrale Element des Spielaufbaus vernachlässigt, konnte im Derby mit einer recht simplen Maßnahme den Gegner aus dem Spiel nehmen - hier eine ausführliche Analyse dazu. Das belegt seine hohen Qualitäten als reaktiver Matchplaner (die in Pasching und bei St.Pölten massiv zur Geltung kommen konnten), behebt aber das Grundproblem der Austria, die gegen sonst praktisch jeden Gegner das Spiel selber machen muss.

Der gegnerische Trainer hat - so scheint es angesichts seiner Äußerungen nach dem Spiel - das nicht einmal mitbekommen - und ist jetzt für jeden weiteren Gegner mit ein bisserl Coaching-Grips zum Abschuss freigegeben.

Die Liga, die Spieler so ausbilden soll, dass sie im besten Fall den Sprung ins Ausland schaffen ohne dort einmal ein halbes Jahr taktisch nachgeschult werden zu müssen, kann das also nur im Einzelfall leisten.
Bis auf den einzigen heimischen Coach mit Auslandserfahrungs-Hintergrund (der, gar nicht zufällig, mit dem Aufsteiger in Richtung Europa unterwegs ist) verstehen es die Fußball-Lehrer der obersten Spielklasse nämlich nicht, ihren Schützlingen das für die umfassende Ausbildung zum europatauglichen Kicker unerlässliche taktische Rüstzeug mitzugeben.

Das sieht in den Ligen darunter, wo Medienklüngel und andere machtpolitisch Motivierte die Coaching-Auswahl weniger stark bestimmen, und im Jugendbereich sicherlich ein wenig besser aus. Entscheidend ist aber die Ausbildungs-Phase zwischen 18 und 20, die aus einem Talent einen bereits vollwertigen Spieler (den man trotzdem weiter gezielt einsetzen/fördern muss) macht. Was soll aber aus einem Louis Schaub werden, wenn er sich in einem strategiefreien Umfeld bewegt? Der nächste Florian Kainz? Und wie soll er sich so dann nächste Saison in der deutschen Bundesliga durchsetzen können? Und nur wenn das gelingt, wird er Stammspieler im Nationalteam werden können.

Teil 2

Die entscheidenden Rettungsanker für diese Talente sind also, sofern sie nicht in Salzburg aufs fußballerische Leben vorbereitet werden, die ÖFB-Nationalmannschaften bzw die Förderprogramme des ÖFB wie das Projekt 12. Und diese Abhängigkeit des Fußball-Standorts Österreich von diesen Aktivitäten ist auch der Grund dafür, warum ich mich so oft damit auseinandersetze.

Ob die gestern bekanntgegebene Vertragsverlängerung mit U21-Coach Werner Gregoritsch, der somit eine mitentscheidende Rolle in der Entwicklung der Jung-Nationalspieler einnimmt, eine gute Idee war, wird sich weisen. Man ist offensichtlich (zumindest nach außen hin) gewillt, die Fehler der Vergangenheit, die vor allem in punkto Menschenführung passierten, künftig zu vermeiden. Sportlich sieht es noch nicht gut aus.

Trotzdem darf man eines nicht übersehen: den enormen Fortschritt, den der ÖFB, den die Ausbildungs-Situation in den letzten fünf, sechs Jahren genommen hat.

Das ist mir unlängst bewusst geworden, als mir der Autor dieser Geschichte über den neuen Verein von Emanuel Pogatetz einen Ausschnitt aus dem Forum darunter geschickt hat. Weil dort ein Link zu einer ganz alten Geschichte aus dem Jahr 2006 aufgetaucht ist. Ich habe dort die Originalzitate eines damals aufsehenerregenden Interviews mit Pogatetz gerettet. Die Inhalte sind nämlich untergegangen, die Mainstream-Medien hatten sich damals der damaligen ÖFB-Sicht die Sache als formal so ungeheuerlich zu bewerten angeschlossen, so dass Pogatetz der Bannstrahl wegen öffentlicher kritischer Äußerungen traf - ohne diese auch nur ansatzweise einem Check zu unterziehen.

Dass was der damals bei Middlesborough in England aktive junge Verteidiger vor acht Jahren zu sagen hatte, liest sich heute wie ein Schauer-Roman aus längst verflossenen Tagen. Mich hat's beim Wiederlesen echt gegruselt.

Hier nochmal, zum mitgruseln: Emanuel Pogatetz und die ungeschminkte Wahrheit über das ÖFB-Team anno 2006; zum gefälligen Abgleich mit der Gegenwart:

"Natürlich kann man auch einmal einen schlechten Tag haben und verlieren. Aber wir haben immer einen schlechten Tag. Da muss man natürlich schon darüber nachdenken, warum die meisten Spieler bei ihren Vereinen um drei, vier Klassen besser spielen als beim Nationalteam. Wenn wir völlig unvorbereitet in ein Länderspiel gehen, ohne jemals ein taktisches Training absolviert zu haben, können wir nicht gewinnen. Kein Spieler weiß, was er für Aufgaben zu erfüllen hat. Wir machen im Training keine taktischen Übungen, sind wie ein Schüler, der unvorbereitet zur Schularbeit geht. Das kann nicht funktionieren. Wenn ich gegen Arsenal spiele, kenne ich meine taktischen Aufgaben, die mir der Trainer gegeben hat. Wenn ich die erfülle und die anderen ihre Sache auch machen, dann kann eigentlich nichts schief gehen. Ich muss darauf hoffen, dass die Dinge, die ich vom Verein mitbringe auch beim Nationalteam funktionieren, weil ich da keine Aufgabe habe."

"Wir spielen ja nicht im Park, sondern internationale Spiele. Im Park braucht man sich nicht vorbereiten. Ich würde gerne wissen, welche taktischen Anweisungen Hickersberger meint, wenn er sagt, dass wir diese nicht umsetzen. Ich kann auch sagen, dass wir eng und als Block verschieben müssen. Aber wohin?!"

"Es gab eine Spieler-Besprechung, wo uns fünf Gegenspieler vorgestellt werden mit Stärken und Schwächen und dann stellte sich heraus, dass die gar nicht im Kader sind. Wofür mache ich dann so eine Besprechung? Ein anderes Mal wurden uns Passfotos gezeigt, wie die Gegenspieler ausschauen. Kann ich darauf erkennen, wo jemand seine Stärken und Schwächen hat? Das sind Gründe warum es nicht funktioniert. Das kann auch mit der besten Mannschaft nicht klappen."

"Es gibt nur das Match und Schusstraining. Das ist es. Aber da frage ich mich, wofür der ganze Betreuerstab mit ist? Welche Funktion hat zum Beispiel Andi Herzog? Der steht beim Training herum und redet mit den Journalisten. Co-Trainer Peter Persidis arbeitet mit den Spielern, die nicht spielen. Das ist okay. Aber Willi Ruttensteiner zum Beispiel hat ein sehr hohes taktisches Verständnis, der könnte Übungen auf diesem Gebiet mit uns machen. Aber er darf nur die Videos von den Spielen zusammenschneiden. Ein Trainer kann heutzutage nicht mehr alle Bereiche abdecken. Und wenn der Teamchef von Taktik nicht so viel Ahnung hat, dann muss er sich eben jemanden holen, der diese Übungen macht. Andi Herzog war einer der besten Offensivspieler, könnte in diesem Bereich mit der Mannschaft arbeiten. Oder Peter Persidis mit der Abwehr. Dann hätte jeder im Trainerteam eine Funktion. Und die Mannschaft würde viel weiter nach vorne kommen."

"Wir sind ausgerüstet wie eine Dritte-Welt-Mannschaft. In den fünf Jahren, die ich beim ÖFB bin, trainieren wir mit den gleichen Trainingssachen. Die sind sicher nicht schuld, dass wir verlieren und schlecht spielen. Aber beim Nationalteam kann man doch erwarten, dass wir anständige Ausrüstung haben. Wir müssen mit Puma spielen. Fußballschuhe sind unser Werkzeug, damit spielen wir täglich. In Deutschland wurden die Schuhe bei Problemfällen angepasst, die Spieler bekommen die neuesten Modelle. Wir kriegen von Puma die Schuhe, die sie im Geschäft nicht wegbekommen. Aber bei dem einen oder anderen ist der rechte Fuß zum Beispiel größer als der linke. Da heißt es dann nur: 'Probier es einmal, dann schauen wir weiter!' Das hat mit Professionalität wenig zu tun."

"Die psychische Belastung vor der Heim-EM ist enorm. Auf uns lastet großer Druck. Das ist ein Ereignis, das es nicht jeden Tag gibt. Und wir haben keinen Betreuer, der uns darauf vorbereitet. Bei den Vereinen gehört das schon lange dazu, aber bei uns denkt man nicht einmal daran. Nach jeder Niederlage wächst der Druck. Wir haben nichts davon, wenn wir jetzt den Mund halten. Hauptsache man ist bei der EURO dabei? Das bringt doch nichts. Wenn wir diesen Weg weiter verfolgen, werden wir bei der EURO drei Mal verlieren und scheiden nach der Gruppenphase aus. Das wäre das Schlimmste, was überhaupt passieren kann. Es ist noch genug Zeit, dass wir bis zur EURO eine super Mannschaft beisammen hätten. Ich muss es jetzt einfach ansprechen, auch wenn es für mich vielleicht Konsequenzen gibt. Aber ich bin bereit die zu tragen, wenn sich dadurch etwas verändert. Es kann nicht sein, dass ich als österreichischer Nationalspieler Angst vor einer Niederlage in Liechtenstein habe."

Also sprach Pogatetz, im September 2006.
Österreich erreichte bei der Euro, wieder mit Pogatetz, aber auch mit den allermeisten der angesprochenen Unzulänglichkeiten (vor allem jenen taktischer Natur, die erst in der Ära Koller behoben wurden - die Ära Constantini unterbot die von Hickersberger ja diesbezüglich noch) zwar einen Punkt, schied aber klanglos aus. Und erst mit der vom angesprochenen Videozusammenschneider durchgeboxten Bestellung von Marcel Koller Ende 2011 kam Bewegung in die in Selbstgefälligkeit erstarrte ÖFB-Landschaft.

Es gibt immer noch genug Kritisierenswertes an der ÖFB-Performance - angesichts der Leistung der Überwindung des Elends von 2006 ist das aber Kritik auf hohem Niveau. Glücklicherweise.