Erstellt am: 9. 11. 2014 - 16:48 Uhr
The Knife in Reykjavik
Ich mag Menschenmengen nur, wenn ich betrunken bin.
Betrunken hin oder her, was ich gestern bei the Knife gesehen habe, grenzt an Verantwortungslosigkeit bei den Veranstaltern. The Knife spielten ihr letztes Konzerte beim Airwaves Festival in Island und zwar im Fischschuppenkonzerthaus im Hafen, im Harpa.
the kinfe
Das wollten natürlich alle sehen und so kam es, dass, obwohl der Konzertsaal im ersten Stock schon voll war, im gesamten Foyer sich noch Menschen drängten, die ebenfalls in der ersten Stock wollten. Festivalbesucherinnen mussten sich bis zu vier Stunden anstellen, um dann teilweise nicht rein zu kommen. Exzellente Zutaten für eine Massenpanik, aber dank der disziplinierten Damen und Herren und nicht dank der Organisation ist nichts passiert ausser kleiner Panikschübe bei mir, die ich durch einen schnellen Stage Dive zur Bar betäubte.
airwaves knife
The Knife begannen die letzte Show ihrer Shaking the Habitual Tour mit einem Deep Aerobics Aufwärmtraining.
Deep steht für Death Electro Emo Protest Aerobics. Mit einem Übermaß an Enthusiasmus, der irgendwo zwischen Shoppingkanalverkäuferin und Selbshilfeguru lag, erklärte uns die Performerin, wie wir uns auf The Kife körperlich und geistig vorbereiten und zu einem Kollektiv verschmelzen sollten. Sie ließ dabei so Sätze wie: „Self conciousness is the illusion that it is only happening to me“, „ I'm man I'm woman, I'm both , I'm neither“
vom Stapel, was wir gerne wiederholten. Passend dazu erinnere ich mich an ein Interview mit Karin Dreijer Andersson, in dem sie sagte, dass es bei Shaking the Habitual darum geht, Comfort Zones zu zerstören, Menschen mit etwas zu konfrontieren, das Widerstand auslöst und eine Neuordnung des Individuums fordert.
Die Deep Aerobic Trainerin forderte uns auch, und zwar mit dem Arsch zu bouncen, bis der Betonboden schwingt, und ja, es funktionierte, nach 15 Minuten waren wir zu Radical Cheerleaders mutiert und bereit für The Knife.
Die Shaking the Habitual Performance haben the Knife mit einer Gruppe von Tänzerinnen und Choregrafinnen erarbeitet. Es geht in der Show um Erschütterung und Auflösung, was ist die Band, wer ist Sänger und Sängerin, was ist live, was ist Playback, was erzeugt das Individum und was das Kollektiv. Manche Nummern waren live gepielt, manche Playback, die Tänzerinnen und Tänzer bewegten oft in bester Karaokemanier zum Text die Lippen. Es gab keinen Künstler und keine im Background menschliche Staffage mehr, sondern ein Nebeneinander.
airwaves knife
Karin Dreijer Andersson gurgelt, es gibt
lange Instrumental-Passagen, Klatschchöre, robotisches Flamencosteppen, verfremdete Stimmen, viele viele Steeldrums, flirrende Intensitäten, schrille Synthie Sounds, lange Percussionteile und lila und türkise Overalls. Zwischendurch gab es ein Gedicht über die Macht und das Wissen des Körpers und den dringenden Wunsch ihn zu transformieren.
Siehe auch:
See you on the dancefloor: The Knife hören auf. (Christian Pausch, 28.8.2014)
Wie Frau Kollegin Lang bemerkte, wurden wir alle an diesem Abend zu The Knife, es ist das Vermächtnis. Dabei machte sie ein recht erleuchtetes Gesicht. Einen Ausdruck, den ich auf ihrer Visage noch nicht kannte und der mich Kälte, Gedränge und unzureichende Betrunkeinheit vergessen ließ.