Erstellt am: 6. 11. 2014 - 16:41 Uhr
Das Geschäft mit den Jubelpostern
Im Herbst 2012 stellte die Bank Austria ihr Online-Banking um – in der Folge fiel das System tagelang aus. „Solche Sachen können passieren!“, postete Conny S. auf Facebook. „die umstellung auf ein neues system ist nicht lustig, klar, aber letztendlich dient es zu sicherheit der kunden“, schrieb Alexander Mader. Alexander und Conny waren von der Agentur Mhoch3 (Modern Mind Marketing) beauftragt worden, positive Postings über ihre Kunden zu verfassen. Die Bank Austria hatte wenige Tage zuvor eine sogenannte „reaktive Kampagne“ gebucht – dabei reagieren die PR-Agentur-Mitarbeiter nicht innerhalb von Tagen auf negative Postings sondern innerhalb einer Stunde.
Banken, Pharmakonzerne, Staatsunternehmen und Parteien – sie alle kauften sich jahrelang positive Userpostings bei der PR-Agentur. Dem Monatsmagazin DATUM liegen die Fake-IDs und sogar Lehrmaterialien der Agentur vor, berichtet es in seiner am Freitag erscheinenden Ausgabe.
APA/dpa
Stefan Apfl von DATUM hat bei seinen Recherchen am meisten überrascht, wie genau die Mitarbeiter von Mhoch3 instruiert wurden: „Über persönliche Briefings und Unterlagen, die sie bekommen - wie sie wo, wann, auf welche Weise Postings zu produzieren haben. Das wird so hochprofessionell gemacht, seit Jahren. Wo man Rechtschreibfehler einbauen sollte. Wie man der Zielgruppe entsprechend postet. Wenn du in einem Autoforum bist, dann musst du anders schreiben als auf der Website des Standard.“ Bezahlt wurden die Mitarbeiter pro veröffentlichtem Posting.
Professionell für Geld gejubelt werde auf den Websites von Tageszeitungen, in Onlineforen, und in Social Networks wie Facebook und Twitter. DATUM liege eine Liste mit knapp 12.000 Fake-Identitäten von Mhoch3-Mitarbeitern vor, sagt Stefan Apfl. Aussagen von drei ehemaligen Mitarbeitern zufolge haben die bezahlten Jubelposter pro Jahr mehrere hunderttausende Einträge verfasst. „Wenn du dir überlegst, dass du in den vergangenen zehn Jahren in so gut wie jedem Forum mit .at-Adresse bearbeitete Diskussionen mitgelesen hast, und dass diese Postings noch immer draußen sind, dann kann man an das ‚Mitmachnetz‘ nicht mehr wirklich glauben.“
Unter den Kunden für bezahlte Postings finden sich auch ÖBB, Postbus, die Österreichischen Lotterien, die Mobilkom Austria (heute in die Telekom Austria eingegliedert), die Plattenfirma Universal und das Reiseunternehmen TUI. Auch die Wiener ÖVP war Auftraggeberin von Mhoch3. Fake-Userin roisin etwa war bezahlte Verehrerin des Politikers Johannes Hahn und schrieb im Herbst 2009, dass sie es „toll“ findet, „wieviel Verständnis" der damalige Wissenschaftsminister für die unibrennt-Proteste habe. DATUM zitiert den heutigen EU-Kommissar Hahn in der morgigen Ausgabe mit dem Satz: „Mir ist der von Ihnen beschriebene Sachverhalt nicht bekannt. Ich war in die Beauftragung der PR-Agentur nicht eingebunden.“
Den Chef von Mhoch3, Martin Krichbaumer, zitiert DATUM wiederum mit der Aussage, es handle sich bei seinen Mitarbeitern um Onlinejournalisten: „Sie recherchieren, sie bilden sich eine Meinung und sie äußern diese Meinung“. Stefan Apfl hält das nach dreimonatiger Recherche für völlig unglaubwürdig: „Die ehemaligen Mitarbeiter von Mhoch3 haben uns geschildert, wie genau ihre Vorgaben waren, wie sie wo, wann, was zu schreiben haben. Und uns liegen Unterlagen vor, in denen alle diese Vorgaben nochmal schwarz auf weiß zu finden sind. Es ist weder unabhängig, noch objektiv", mit Onlinejournalismus habe es nichts zu tun.
Apfl berichtet, dass eine Userin in Glücksspielforen darüber schreiben musste, wieviel Geld sie das ganze Jahr über mit Glücksspiel verdient. Andere Mhoch3-Mitarbeiterinnen mussten ein medizinisches Produkt bewerben und dessen gesundheitliche Risiken herunterspielen. Spätestens dann ergeben sich neben ethischen wohl auch juristische Fragen zu den versteckten Werbekampagnen. Für den auf Medienrecht spezialisierten Wiener Rechtsanwalt Thomas Höhne, schreibt DATUM, sei das Vorgehen der PR-Agentur Mhoch3 "eindeutig rechtswidrig“.