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Paul Pant

Politik und Wirtschaft

5. 11. 2014 - 10:35

"Brave Junos" und Realpolitik

Douglas Hoyos ist der Neue an der Spitze der jungen Liberalen. Warum er eigentlich nicht mehr über Drogen-Legalisierung reden will und wie er der älteren Generation den Kampf ansagt.

Am vergangenem Samstag ist Douglas Hoyos zum Bundesvorsitzenden der Junos gewählt worden, der Jugendorganisation der NEOS. Normalerweise keine wilde Sache, ein Ereignis, das auch bei Politik-Strebern und politisch überdurchschnittlich interessierten Menschen nicht die Wahrnehmungschwelle knackt. Neben der Wahl von Hoyos wurde dabei aber auch das Junos-Grundsatz-Programm abgenickt, in dem unter anderem die Freigabe aller Drogen gefordert wird. Ein gefundenes Fressen für Sittenwächter, Gegner und Beobachter.

Douglas Hoyos' folgende erste Lehrstunden an der Spitze einer politischen Organisation kann man in etwa so zusammenfassen: Alles kann ganz schnell ganz anders sein, Erfolg und Niederlage können sich in wenigen Augenblicken ablösen und eine vermeindliche Nebensächlichkeit kann zum Bumerang werden - mit unfreundlicher Knackwatschen. Vor allem, wenn es gerade keine andere "Sau" gibt, die durch Österreichs Medienlandschaft getrieben wird, und da gab es rund um das trübe Totenfest der Christen nichts entsprechend Berichtenswertes.

Der 24-jährige Waldviertler Douglas Hoyos studiert an der WU Betriebswirtschaft und ist über die Julis zu den NEOS gestoßen. Seine politischen Anfänge waren in der ÖVP/JVP- Niederösterreich. 2013 kandidierte er für die Neos zum Österreichischen Nationalrat.

"Alle Drogen legalisieren"

Der freizugebende Drogencocktail lieferte allerdings nur die Zutaten für die Empörung, ein zögerlich und etwas patschert agierender Neos-Parteichef Matthias Strolz tat das Übrige für ein ansehnliches Rauschen im Zeitungswald.

Dass beim Thema Drogen die Wogen hochgehen ist nichts Neues, bemerkenswert ist aber, dass gerade die Neos bzw. Junos so eine Erregung damit produzieren können. Aus zwei Gründen: Erstens weil seit Monaten Bürgerinitiativen, Vereine, Wirtschaftstreibende und auch die SJ durchs Land ziehen und die Freigabe von zumindest Cannabis fordern, inkl. Unterschriften-Sammelkampagne. Und zweitens weil der Vorschlag im Programm der jungen Liberalen nicht neu ist, sondern schon seit LSF-Zeiten (Liberales StudentInnen Forum) in verschiedenen Formen herumgeistert.

Für eine Kleinpartei, die sich bisweilen gerne beschwert, mit ihren Themen in den Medien nicht wahrgenommen zu werden und sowieso lieber in sozialen Netzen kommuniziert, ist das jedenfalls eine bemerkenswerte mediale Präsenz beim Führungswechsel des politischen Nachwuchs.

Wer tanzt nach der Pfeife von wem?

Neos-Parteichef Matthias Strolz zeigte sich jedenfalls bis dato zurückhaltend und wenig erfreut über den Eifer seiner liberalen Jugend. Im Interview mit Armin Wolf in der ZIB 2 relativierte er die Forderung für die Neos-Mutterpartei von "allen Drogen freigeben" auf lediglich "Cannabis legalisieren". Dass die Parteispitze ihre Jugendorganisation nun zurückgepfiffen hat, verneint Douglas Hoyos allerdings. Wie es jetzt weitergehen soll mit dem Vorschlag zur Legalisierung von Drogen, erklärt er in FM4 Connected im Interview:

Douglas Hoyos

FM4 / Alex Wagner

Politik und Gesellschaft

Interview mit Douglas Hoyos, Bundesvorsitzender der Junos

Am Samstag wurdest du zum Bundesvorsitzenden der Junos gewählt, und ein paar Tage später bist du bereits in allen Tageszeitungen des Landes. Hast du dir den Start an der Spitze der Junos so vorgestellt?

Douglas Hoyos: Es ist wichtig, dass Jugendorganisationen und Themen der Jungen präsent sind, dass man hört, dass es uns junge Neos gibt. Ich hätte lieber das Thema Generationen-Gerechtigkeit gehabt, weil mir das ein Herzensanliegen ist, aber ich finde es wichtig, das wir da sind.

Neos und Junos Mitglieder bis hin zur Parteispitze wirken bisweilen sehr genervt von der aktuellen Debatte zur Drogenfreigabe. In vielen Wortmeldungen hat man den Eindruck, dass die Position relativiert wird. Rudert man jetzt zurück, weil man erkannt hat, dass der Standpunkt in der Bevölkerung und in den Medien weniger Zuspruch bekommt als erwartet? Oder hält man es tatsächlich für einen unklugen Vorschlag, wie du selber in einem Standard-Interview gesagt hast?

Douglas Hoyos: Also man muss zwei Positionen unterscheiden. Einerseits gibt es eine Neos-Position zur Legalisierung von Cannabis, andererseits die Junos-Position mit der Freigabe aller Drogen. Ich glaube, dass es hier eigentlich aber um ein ganz anderes Thema geht, das im Vordergrund stehen sollte. Dass wir ein Drogenproblem haben. Dass es in Österreich ein Problem gibt. Es gibt leider sehr viele Drogentote, Jahr für Jahr. Wir brauchen einfach einen Diskurs zu diesem Thema: Der findet zu wenig statt. Ich glaube, das ist ein Tabuthema das niemand wirklich anspricht. Und wir haben einen Vorschlag, ich möchte von dem gar nicht zurückrudern, sondern das einzige was ich sage ist, dass wir uns den noch einmal anschauen müssen, weil wir einfach sehr viel Feedback bekommen haben in der letzten Woche und uns anschauen werden ,wie wir das einbauen.

Wie kam dieser Beschluss zustande?

Douglas Hoyos: Wir haben dieses Model damals auf einem Papier von der WHO aufgebaut, wo drinnen steht, das es sinnvoll wäre so einen Schritt zu machen. In Tschechien gibt es so was. Das funktioniert glaube ich ganz gut. Im Jahr 2013 gab es einen Artikel im Standard, wo das hochgejubelt wurde und als sehr gutes Model verkauft wurde. Das Thema Prävention ist wichtig und den Diskurs darüber darf man nicht totschweigen. Aber man darf auch nicht den Fokus zu stark dorthin lenken. Ich finde es schade, dass jetzt die Jugendorganisation, also wir, auf dieses Thema reduziert wird, weil wir haben viel mehr anzubieten.

Wird man das Programm jetzt überarbeiten? Gibt es einen Abänderungsantrag in der Schublade?

Douglas Hoyos: In der Schublade gibt es noch gar nichts. Was ich gesagt habe ist, dass wir uns das Feedback anschauen und dann gemeinsam mit unseren Mitgliedern zu Gemüte führen werden. Ich glaube nicht, dass wir von unserer Positionen abgehen werden, dass man sich nämlich bei Drogen etwas überlegen muss. Es gibt viele verschiedene und gute Konzepte, die werden wir uns gemeinsam anschauen und dann werden wir beim nächsten Bundeskongress sehen, ob es da eine Abänderung geben wird. Ich kann das jetzt noch nicht sagen. Ich habe mir dazu auch noch keine abschließende Meinung gebildet.

Parteichef Matthias Strolz hat im ZIB2-Interview gesagt: Cannabis soll der Staat über Apotheken kontrollieren und verkaufen? Ist das die Richtung, wie ihr euch das vorstellt?

Douglas Hoyos: Das ist für mich das Minimum. Ich glaube die Cannabis-Legalisierung ist etwas ganz Wichtiges und Essentielles. Eben um die Qualität zu sichern, um zu schauen, was da am Markt ist. Damit der Staat auch eine gewisse Kontrolle hat und um besser Prävention machen zu können. Wenn man weiß, wer Drogen nimmt und warum, kann man auch besser Prävention machen und das ist ganz wichtig.

Wurden die Junos von der Parteispitze zurückgepfiffen?

Douglas Hoyos:Ich wurde von niemanden zurückgepfiffen, ich weiß auch von niemand anderen dass er zurückgepfiffen wurde. Ich glaube, es ist wichtig einfach nicht dogmatisch zu sein in dieser Diskussion, sich den Diskussionen zu stellen. Wir sind keine Altpartei in der Positionen über 30 Jahre festgefahren sind, sondern wir leben einfach eine dauerhafte Diskussion. Das ist unsere Diskussionskultur bei den Junos, seit Jahren.

Muss eine Jugendorganisation einer Parlamentspartei braver sein? Hat die Realpolitik die Julis als Junos eingeholt?

Douglas Hoyos: Brav würde ich nicht sagen. Es geht darum, dass wir Verantwortung übernehmen müssen. Verantwortung hat nicht unbedingt etwas mit Brav-Sein oder Nicht-brav-Sein zu tun. Verantwortung heißt einfach, dass wir die Verantwortung haben, immer wieder auf die Themen zurückzukommen, die Jugendliche interessieren. Dass wir darüber reden, wie es weitergehen soll mit der nächsten Generation. Da kann und muss man manchmal provokanter sein und auch manchmal weniger provokant. Das ist abhängig von der Situation. Da muss man sich anschauen wie man das gut macht. Da lernen wir täglich dazu.

Was sind denn die brennendsten Jugend-Themen abseits der Drogen für die Junos?

Douglas Hoyos: Ich glaube, dass wir ein Zukunfts-Problem haben. Jede Person in Österreich hat momentan 36.000 Euro Schulden. Das heißt, wenn ich geboren werde, habe ich 36.000 Euro Schulden, die ich mir um den Rücken schnallen kann und die ich mein ganzes Leben lang abzahlen muss. Ich glaube, wenn wir da nicht bald was machen, dann haben wir ein echtes Problem. Es kommen wöchentlich irgendwo Milliarden dazu, Hypo Alpe Adria da, von der EU kommen auch irgendwelche Briefe, plötzlich gibt es 500 Millionen Euro weniger Einnahmen usw. Wenn wir da nicht bald die Reißleine ziehen, wird es uns schlecht gehen.

Oft fällt in dem Zusammenhang euer Kampfbegriff Generationengerechtigkeit. Was schwebt euch da vor?

Douglas Hoyos: Ich glaube bei Pensionen haben wir ein echtes Problem. Wenn ich sehe, dass wir Pensionen über 8.000 Euro haben. Das ist absurd. Auf der anderen Seite gibt es Minimal-Pensionen wo Leute nur 400-500 Euro bekommen. Das heißt, ich glaube, wir müssen eine Grundversorgung sicherstellen, mit einer staatlichen Grundpension und darüber hinaus soll jeder sich privat versichern können und zusätzliche Pensionseinnahmen, über welche Investitionsmöglichkeiten auch immer, dazu bekommen können.

In der Art wie ihr euch das Bürgergeld vorstellt, das ihr auch im Junos Programm stehen habt? Ist das eure Position zu Verteilungsfragen?

Douglas Hoyos: Das Bürgergeld ist im Prinzip eine Möglichkeit Sozialleistungen anders zu gestalten. Uns geht es darum: Wann immer jemand eine Sozialleistung bekommt, soll er auch einen Anreiz haben dazu zu verdienen. Wir haben momentan das Problem, wenn jemand Mindestsicherung bekommt, hat er keinen Anreiz etwas dazu zu verdienen. Das Bürgergeld hat einfach den Sinn, dass ich am Ende des Monats wenn ich dazu verdiene immer mehr habe, als ich eigentlich gehabt hätte, wenn ich nicht gearbeitet hätte. Das heißt, dass der Beitrag den der Staat zahlt, immer ein bisschen weniger wird, aber der Bezieher trotzdem mehr bekommt als er ursprünglich ohne Arbeit bekommen hätte, ähnlich einer negativen Einkommenssteuer.

Was wäre das Minimum, das ein Mensch zum Leben haben sollte. Wie hoch wäre dieses Bürgergeld?

Douglas Hoyos: Ich bin kein Volkswirtschafter und kann das nicht berechnen. Wir haben in unserem Programm drinnen stehen: zwischen 800 und 1000 Euro. Dieser Beschluss ist eineinhalb Jahre alt, die Inflation müsste man mit einberechnen. Es kann auch sein, dass 1200 Euro sinnvoll sind. Ich glaube persönlich aber, dass wir in einem sehr guten Bereich sind, der da vorgeschlagen ist.

Mit 800 Euro Einkommen wird es in einer Stadt wie Wien allerdings schnell schwierig, gerade wenn wir uns den Bereich Wohnen ansehen. Ohne sozialen Wohnbau und anderen Transferleistungen wird es da gerade für Junge eng, die in eine eigene Wohnung ziehen wollen.

Douglas Hoyos: Wohnen ist ein ganz großes Thema. Wir Jungen habe keine Möglichkeit halbwegs solide Wohnungen zu bekommen. Ich habe Studenten-Freunde, bei denen das WG-Zimmer 500 Euro kostet, weil sie nichts anderes finden. Ich glaube, wir müssen uns massiv etwas überlegen, wie wir mit der Wohnungsnot in Wien umgehen. Ich glaube, dass wir uns da durchaus alte Mietverträge anschauen müssen, wo Leute – ich kenne persönlich auch einige –in Wohnungen mit 200 bis 300 Quadratmetern leben zu Spottpreisen von 120 Euro. Das ist nicht fair. Wir Jungen haben keine Möglichkeit uns zu entfalten und das ist ja das Erste was ein Jugendlicher braucht. Ein Dach über dem Kopf. Wie soll ich mich fortbilden, investieren in mein Leben, wie soll ich etwas aus meinem Leben machen, wenn ich schon von Anfang an unter finanziellem Druck stehe, meine Wohnung zu finanzieren.

Aber im Junos-Programm steht zum Thema Wohnen das „liberale Mietrecht“ als Vorschlag drinnen. Das sieht vor, das der Vermieter den Mieter jederzeit ohne Grund kündigen darf, mit einer dreimonatigen Frist. Das klingt nicht nach sozialem Wohnbau und Unterstützung.

Douglas Hoyos: Das ist schwer verkürzt dargestellt. Es gibt dahinter auch Aufgaben, die dem Vermieter zufallen. Im Falle einer unbegründeten Kündigung muss er dann die Umzugskosten tragen, sich an der Suche für eine neue Wohnung beteiligen usw. Es ist nicht so, dass wir sagen, dass da jeder sofort rausgeworfen werden kann aus seiner Wohnung.

Die Liebe zum Sozialstaat, wie stark ist die ausgeprägt?

Douglas Hoyos: Ich würde es nicht Sozialstaat nennen, aber ich glaube schon, dass der Staat eine gewisse Grundverantwortung gegenüber den Bürgern hat. Das schon. Aber dieser soziale Staat, wie das so gerne genannt wird, hat beispielsweise nicht die Aufgabe, 8000 Euro Pensionen zu zahlen. Sozialstaat in einem gewissen Maß – ich nenne das persönlich nicht so, weil mir dieser Begriff ein wenig unangenehm ist - aber natürlich hat der Staat die Verpflichtung eine gewisse Grundversorgung sicher zu stellen.

Stichwort: Bildungspolitik. Die Universität als Bildungsunternehmen ist eine Schlagzeile bei den Junos. Was kann man sich darunter vorstellen?

Douglas Hoyos: Die Unis brauchen einfach mehr Freiheit. Sie sollen selber bestimmen können welche Studienrichtungen sie anbieten möchten, welche Studenten in welcher Anzahl und in welcher Art und Weise sie das auch sinnvoll leisten können. Ich selber studiere auf der WU und wenn wir uns die Englisch-Kurse anschauen ist es so, dass innerhalb von fünf Minuten alle Plätze weg sind. Das heißt, ich habe als Student gar nicht die Möglichkeit, richtig zu studieren, weil ich nicht dazu komme, weil mir lauter Steine in den Weg gelegt werden. Ich als Student habe manchmal das Gefühl, dass es gar nicht darum geht den jungen Leuten, das Studieren zu ermöglichen, sondern es ihnen so schwer wie möglich gemacht wird. Das kann nicht unser Ziel sein als Staat, weil wir brauchen gut ausgebildete Führungskräfte für die nächsten Jahrzehnte.

Das Wissenschaftsministerium wurde ins Wirtschaftsministerium eingegliedert. Ein guter oder ein schlechter Schritt?

Douglas Hoyos: Ich glaube Unis sollen durchaus in ein gewisses Konkurrenzsystem eintreten. Sie müssen das Gefühl haben, dass ein gewisser Druck da ist, dass sie was zu leisten haben, das finde ich gut. Ob das mit der Eingliederung ins Wirtschaftsministerium jetzt wirklich sinnvoll ist, wage ich stark zu bezweifeln, weil ich glaube, dass die Uni ein zu wichtiges Thema ist als dass man es irgendwo einfach dranhängen kann.

Es ist hinlänglich bekannt, dass ihr für Studiengebühren seid, wie sieht es mit Zugangsbeschränkungen aus?

Douglas Hoyos: Das soll jede Uni selbst entscheiden, je nachdem welche Kapazitäten sie sich leisten kann, welche Kapazitäten sie hat.

Was sind die wichtigsten Themen der Junos im kommenden Jahr und für dich als Bundesvorsitzenden, an welchen Thema möchtest du in Zukunft gemessen werden?

Douglas Hoyos: Für mich gibt es ein Überthema, das uns in den nächsten Jahren - oder zumindest so lange ich Bundesvorsitzender sein werde - beschäftigen wird. Das ist Generationengerechtigkeit. Ich glaube, das ist ein Thema das vernachlässigt wird. Da gibt es viele Unterthemen. Das fängt an bei den Pensionen, geht übers Wohnen, das betrifft auch Umwelt, das betrifft generell das Parteiensystem in Österreich, das nicht zukunftsfit ist, das nicht auf die junge Generation ausgelegt ist. Das haben wir auch sehr intensiv am letzten Bundeskongress am letzten Wochenende besprochen. Das war unser eigentlicher Leitantrag, daran würde ich gerne gemessen werden. Und ich hätte wahnsinnig gerne, dass man in einem Jahr darüber spricht, dass die Junos da etwas bewegt haben und dass der mediale Diskurs dort hin gegangen ist und sich nicht nur auf kleine Nebenschauplätze beschränkt, die natürlich wichtig sind in der Materie selber, aber die nicht das Hauptthema sind.