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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

2. 11. 2014 - 16:50

Church of Egalité

Der Song zum Sonntag: Sleater-Kinney - "Bury Our Friends"

Zuviel Verkultung ist ungesund. Von sich selbst sowieso, mit der Anbetung fremder Götzen soll man es auch nicht übertreiben. "Kill Your Idols" prangte schon als Slogan auf dem berühmtesten T-Shirt von Axl Rose, in diversen Hardcore- und Skater-Communities ist der Spruch als Abschwur falscher Fetische und prinzipieller Ausdruck von Kasteiung und Nihilismus beliebt, eine frühe EP der New Yorker Noise-Pop-Götter Sonic Youth hieß "Kill Yr Idols".

Es ist aber auch ein bisschen eine leere Floskel, mit der man gar bedeutungsschwanger und kalenderblattweise daherkommt. Glühende Anhänger des Christentums deuten den Spruch vorzugsweise so, dass man keine Idole haben soll - außer eben dem einzigen, wahren, echten Gott. Klarerweise schließt der Slogan aber insbesondere so genannte Religionen mit ein.

In der neuen Single von Sleater-Kinney heißt es im Refrain jetzt jedoch "Exhume Our Idols" und "Bury Our Friends" - so auch der Titel des Songs. Was mag es bedeuten? Besingt sich diese große, große Band aus Olympia, Washington, die man ohne sich zweimal zu räuspern als Legende bezeichnen darf, in ihrem ersten Song seit neun Jahren schelmisch selbst?

Sleater-Kinney

Brigitte Sire

Die Nachricht, dass Sleater-Kinney wieder da sind, hat vor gut zwei Wochen an so einigen Ecken das Internet explodieren lassen. 2005 hat das Trio mit "The Woods" sein letztes, siebtes Album veröffentlicht, 2006 haben sich Sleater-Kinney aufgelöst, Anfang 2015 soll ein neues Album erscheinen. Auch wenn Sleater-Kinney in "Bury our Friends" nicht ausdrücklich von sich selbst singen, ist klar, dass diese Lesart mitschwingt: Auch wenn sie sich nicht selbst auf dem Altar drapieren, sind Sleater-Kinney Idole, wieder ausgegraben, weil es noch Dinge zu sagen gibt. Ikonen einer Bewegung, einer Musik, einer Haltung, einer Religion, eines Lebens, das gerne - etwas verkürzt - "Riot Grrrl" genannt wird.

Bei Sleater-Kinney ging es immer um alles. Politik und Sexualität, Widerstand, Außenseitertum, Liebe, Verzweiflung, Schmerz, Fun und Revolte. Words and Guitar. Sleater-Kinney sind sich der Gefahr am eigenen Denkmal zu kratzen bewusst, Selbstverherrlichung und eitle Heilandposen sind ihnen dabei genauso fremd, jedoch darf der Kampf nie enden, weil die Folter das ja auch nicht tut. "We’re wild and weary but we won’t give in" singen die beiden Gitarristinnen und Sängerinnen Carie Brownstein und Corin Tucker im Refrain. Wir sind wild und ermüdet, aber wir werden nicht aufgeben.

In "Bury our Friends" kann man wieder einmal hören, was Sleater-Kinney so großartig gemacht hat - und macht. Zwei Gitarren und ein Schlagzeug, aufeinander eingespielt und in schockierender Präzision ineinander verhakt, gleichzeitig aufgekratzt, rough, beschwingt und nicht streberhaft. Delikat, lustvoll, widerborstig und voller Saft. Schlau, rätselhaft, mit großem Ernst, mit Witz, das ganze Leben begreifend und in all seinen prächtigen und widerwärtigen Widersprüchlichkeiten spiegelnd.

Zwei unterschiedliche Gesangstile, zwei Stimmen, die sich gegenseitig austesten, umschwirren, auf Konfrontation gehen und gemeinsam das Gute finden. Möge die Welt dieser Schwesternschaft beitreten, diesen Geheimbund feiern und an ihm gesunden. Eine Gang mit ihren eigenen Ritualen: "We speak in circles / We dance in code" heißt es am Ende des Songs. Geheime, codierte Tänze, die sagen, dass wir eine Haltung haben, an ihnen werden wir einander erkennen.