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Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Politik, Alltägliches und andere Kuriositäten.

31. 10. 2014 - 06:00

Das Begräbnis der Milliardenstadt

Neunzehn Tage lang konnte man sich vor der Karlskirche wie Godzilla fühlen. Jetzt wurde die Planstadt Hypotopia "versenkt" – in Containern vor dem Parlament.

Es ist ein bizarrer Anblick, wenn mehrere hunderte Menschen mit Einkaufswagerln, Sackkarren und Scheibtruhen schwere Betonquader über den Ring transportieren. An manchen Transporthilfen sind Zettel angebracht. Darauf steht, wie viele Menschen in den 1:100-Beton-Modellen leben könnten und welchen äquivalenten Geldwert das Gebäude hätte. Bei einem Gebäude, das 13 Menschen beherbergen könnte, würde das einem Wert von rund 1,2 Millionen Euro entsprechen. Das sind 0,006315 Prozent (!) von der verlorenen Summe von 19 Milliarden Euro – nur so zum Vergleich.

Transporthilfen am Ring

Lottersberger/Radio FM4

Dass dieser schier unvorstellbare Betrag Geld weg ist, kann hier niemand fassen. "So etwas darf nie wieder passieren", lautet die einhellige Meinung unter den DemonstrantInnen. "Es fühlt sich im wahrsten Sinne des Wortes schwer an, diese Last herumzutragen", meint einer der Teilnehmer. Sicher ist, dass die Last, der seit gestern in eine Bad-Bank umgewandelte HypoAlpeAdria-Bank dem Steuerzahler für Jahre nachhängen wird. Dabei steht das genaue Ausmaß des Schadens noch nicht einmal ganz fest.

"Ideen weiterspinnen"

Trotz der unabsehbaren Folgen und der Schwere des wohl größten Finanz-Debakels der zweiten Republik, ist Hypotopia-Initiator Lukas Zeilbauer zuversichtlich, durch sein Projekt etwas bewirkt zu haben und hofft, "dass sich Leute inspirieren haben lassen, unsere Ideen vielleicht weiterspinnen und auch umsetzen werden. Vielleicht werden auch Bürgermeister hellhörig, wenn es darum geht, eine Stadt autofrei zu machen." Weiters wünscht er sich, "dass Politiker uns in Zukunft nicht nur als Wähler sehen, sondern als Menschen", und folglich künftig verantwortungsvoller handeln.

Die Ideen und Konzepte von Hypotopia wurden zwar nicht bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, jedoch klingen die innovativen Vorschläge für viele der Mitmarschierenden gut vorstellbar und vor allem erstrebenswert. Lukas' Lieblingsidee aus Hypotopia: "Dass die Dachflächen nicht als Wohnfläche benutzt werden, sondern zur Energiegewinnung und für Anbauflächen verwendet werden." So könnte ein großer Teil des Energiebedarfs von Privathaushalten gedeckt werden.

Wellen geschlagen hat das Studierenden-Projekt jedenfalls. Die Resonanz sei absolut positiv gewesen, erklärte Zeilbauer sichtlich zufrieden. Über den Veranstaltungszeitraum waren auch zahlreiche Oppositionspolitiker zu Besuch gekommen, aber auch UHBP Heinz Fischer (ja, der Echte) begutachtete die Modellstadt. Sogar international wurde berichtet – etwa in der Times of India.

Demonstranten versenken die Stadt

Lottersberger/Radio FM4

Das "Begräbnis"

Als der Demonstrationszug schließlich vor dem Parlament angekommen ist, ergreift Lukas das Wort und mahnt die Verantwortlichen des Debakels, dass jeder Betonquader für ein Wohnhaus, ein öffentliches Gebäude oder eine Einrichtung stehen könnte. Das Geld, das hier verloren gegangen ist, ging "an Verbrecher, von denen wir nicht einmal wissen, wer sie überhaupt sind". Doch das Geld ist weg, und das weiß jedeR hier. Schließlich bittet der Student die Menge, dass die Quader in bereitgestellte Behälter "versenkt werden" sollen.

Es rumpelt, es staubt am blechernen Grab der Planstadt. Hypotopia bleibt, was es ist – eine Utopie. Versenkt, versunken wie Atlantis – in Containern. Rest in Pieces.