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Burstup

Physische Welt, virtuelle Realität. Politik und Kultur.

30. 10. 2014 - 18:00

Farbenspiele

Die Forderung der ÖH Uni Wien, Burschenschaftern das Tragen des Coleurs zu verbieten, wird von verschiedensten Seiten scharf kritisiert. Hinter der scheinbar patscherten Idee einer Bekleidungsvorschrift steckt aber mehr.

Jeden Mittwoch zu Mittag treffen sich deutschnationale Burschenschafter vor der Uni Wien. Sie tragen ihre bunten Bänder und Kopfbedeckungen und sie marschieren gemeinsam zum Siegfriedskopf, einem seit vielen Jahren kontrovers diskutierten Denkmal. Der Siegfriedskopf war in der Zwischenkriegszeit von der antidemokratischen und antisemitischen "Deutschen Studentenschaft" in der Aula der Universität aufgestellt worden. Heute steht er in einem Eck des Arkadenhofs der Uni und ist jede Woche das Ziel des sogenannten Burschibummels.

Marschierende Burschenschafte in vollem Prunk

apa/herbert p. oczeret

Burschenschafter in Coleurs

Das Ritual ist dem rot-grünen Vorsitzteam der ÖH Uni Wien ein Dorn im Auge. Deshalb hat die Universitätsvertretung mit den Stimmen von GRAS, VSStö und KSV-LiLi einen Beschluss gefasst. Dessen Titel: „Kein Hörsaal dem Faschismus“. Gefordert wird darin nicht nur ein Versammlungsverbot für die Studenten im Coleur, sondern auch eine Aufarbeitung der Verstrickung historischer Universitätspersönlichkeiten in den Faschismus. ÖH-Vorsitzende Camila Garfias (VSStÖ): „Personen, die einen positiven Bezug zum Faschismus hatten, sollen nicht mehr gewürdigt werden, und bestehende Denkmäler sollen kontextualisiert werden.“

Auch wenn es den ÖH-Vorsitzenden also um eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Uni Wien und der Burschenschaften geht, dreht sich ein Großteil der öffentlich geführten Diskussion derzeit nur um das ebenfalls gewünschte Coleurverbot. Der Vorwurf, die ÖH würde hier eine rigorose Bekleidungsvorschrift einfordern, treffe aber nicht zu, sagt Garfias. Ihr Argument: „Das Coleur ist keine Bekleidung, sondern Ausdruck und Symbol einer politischen Idee - einer Ideologie, die zu kritisieren ist und die auf einer Universtität nicht so öffentlich ausgetragen werden sollte, wie es zur Zeit passiert.“

Der Rektor der Uni Wien, Heinz Engl, lehnt den Vorstoß der ÖH ab, und der Wiener Verfassungsjurist Heinz Mayer sieht keine Rechtsgrundlage für ein Coleur-Verbot. Die grüne ÖH-Vorsitzende Cathy Schneider glaubt trotzdem, dass es durchsetzbar wäre: „Eine Universität hat eine Hausordnung, und was sie in die Hausordnung hineinschreibt, bleibt ihr noch immer selbst überlassen.“

Primär geht es dem ÖH-Vorsitzteam aber um eine Stellungnahme gegen die wöchentlichen Versammlungen der deutschnationalen Burschenschafter beim Siegfriedskopf: „Das Rektorat hat natürlich die Möglichkeit, den Burschibummel zu untersagen – und auch sich ganz klar von rechtsextremem und deutschnationalem Gedankengut zu distanzieren. Dazu bedarf es keiner Kleidervorschrift, sondern einfach eines Statements, das bisher ausgeblieben ist.“

Siegfriedskopf im Arkadenhof

APA/BARBARA GINDL

Siegfriedskopf im Arkadenhof

Scharfe Kritik an dieser Position übt der Mittelschüler-Kartellverband. Die Forderungen der ÖH seien ein Anschlag auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, sagt MKV-Jugendobmann Peter Stellnberger. Ihn stört, dass die ÖH in ihrem Forderungskatalog nicht zwischen den katholischen Studentenverbindungen und den deutschnationalen Burschenschaften unterscheidet. Die katholischen Verbindungen seien während des zweiten Weltkrieges verboten und ihre Mitglieder von den Nationalsozialisten verfolgt worden. Das ÖH-Vorsitzteam der Uni Wien gibt zu, dass es in seinem Forderungspapier die katholischen Studentenverbindungen „in einen Topf mit den deutschnationalen Burschenschaften geworfen“ hat. „Das ist eine berechtigte Kritik, das wollten wir nicht“, so Camila Garfias. Trotzdem müsse man auch die katholischen Verbindungen kritisieren. Auch sie seien Männerbünde, auch sie würden die Ausgrenzung von Frauen und Homoexuellen betreiben, so Garfias. „In deren Buden hängt immer noch Dollfuß. Auch sie waren beteiligt am Austrofaschismus.“

Aussagen wie diese haben mittlerweile zu einem Sturm der Entrüstung, auch jenseits der Grenzen Wiens, geführt. Der Tiroler MKV-Landesjugendobmann Johannes Reiter vergleicht die Forderung der Wiener ÖH gar mit „der Hitlertyrranei“ und verweist auf das Jahr 1938, in dem die Nazis den Studenten das Farbetragen verboten hat. Kritisch äußert sich auch Lorenz Stöckl, Präsident des Cartellverbands. Der in der Universitätsvertretung gefasste Beschluss würde bei seiner Umsetzung entscheidend in die persönlichen Rechte vieler Studenten eingreifen. "Der ÖCV - Österreichs größter Studenten- und Akademikerverband - soll mundtot gemacht werden! Dazu reicht anscheinend schon seine bürgerlich-christliche Ausrichtung. Damit beweist der linke ÖH-Vorsitz seine Intoleranz anderen Meinungen gegenüber."

Camila Garfias von der ÖH Uni Wien ist trotzdem erfreut über das Ausmaß der Debatte. Es sei gut, dass mit dem Antrag der ÖH endlich wieder eine breite Diskussion über die Rolle der Universitäten und der Burschenschaften im Faschismus gestartet werden konnte.