Erstellt am: 29. 10. 2014 - 15:00 Uhr
Apokalypse jetzt!
Mit Akzent
Die unaussprechliche Welt des Todor Ovtcharovs. Jeden Mittwoch in FM4 Connected (15-19h) und als Podcast.
"Die Leiden des jungen Todor"
Das Buch mit den gesammelten Kolumnen gibt es ab sofort im FM4 Shop.
Diese Frau ist anscheinend ein Riesenfan von Francis Ford Coppola. Ich mag "Apokalypse jetzt!" auch und gebe ihr meine Hand. Sie nimmt sie eifrig entgegen und schüttelt sie fest. "Ich liebe den Geruch von Napalm früh am Morgen!“, sage ich. Die Frau schaut mich verwundert an. "Apokalypse jetzt, nicht wahr?" - "Ja, ja", sagt sie mit einer wiedergewonnen Sicherheit, "Das Ende der Welt naht und wir müssen vorbereitet sein!"
Erst jetzt begreife ich, dass die Frau zu den Zeugen Jehovas gehört. Diese ältere Frau steht an meiner Tür und will meine Seele retten. Ich versuche ihr zu erklären, dass ich nicht getauft bin und zu keiner Religion gehören will. "Es ist nie zu spät!", erwidert sie, "Die Apokalypse naht!" Dieses Mal verstehe ich, dass es nicht um einen Film geht und ich lehne die Hilfe von Frau Burgstaller ab und schließe die Wohnungstür.
CC-BY-SA / Grégory Tonon / flickr.com/eriatarka31
Es ist sicherlich nicht leicht ein Missionar der Zeugen Jehovas zu sein. Und in dem Moment, in dem ich die Tür schließe, tut es mir auch schon Leid, dass ich meine Chance, vor der Apokalypse gerettet zu werden, verpasst habe. Was weiß ich eigentlich von den Zeugen Jehovas? Ich weiß, dass sie die Menschen vor dem letzten Gericht retten wollen, wenn man ihren Regeln folgt. Ich weiß auch, dass sie überall sind. An jedem Bahnhof und jedem Flughafen. Wer entscheidet sich eigentlich dazu, sich als Zeuge Jehovas taufen zu lassen, wenn er auf einem Zwischenstopp auf seinen Flug von Rio nach Delhi in New York wartet?
Diesen Sommer, um 3.30 Uhr in der Nacht, haben die letzten Bars in Thessaloniki zugemacht. Nur der Stand der Zeugen Jehovas auf der Meerespromenade war noch offen. Sie trugen strenge graue Anzüge, obwohl es selbst um diese Uhrzeit noch über 30 Grad hatte. Ob jemand um diese Uhrzeit nach dem dritten Ouzo plötzlich entscheidet, dass die Apokalypse naht und er eine Chance braucht um ihr zu entkommen?
Ich frage mich, ob ich doch noch die Tür öffnen soll, um Frau Burgstaller zu fragen, wie schwer es eigentlich ist Menschen vor der Apokalypse zu retten. Sie hat aber schon an der nächsten Tür geläutet. Meine Nachbarn sind gar nicht so nett wie ich mit ihr, und ich höre wie die arme Frau Burgstaller heftig beschimpft wird. Ich weiß nicht, wie es in Österreich ist, aber in Bulgarien werden die Zeugen Jehovas sogar oft verprügelt. Nachdem die allgegenwärtige Ideologie des Kommunismus zerfallen war, hatten mehrere neue Lehren versucht, ihren Platz einzunehmen. Die Armut, das Fehlen von Vorbildern und die Anarchie kreierten verschiedene Messiasse, die den Himmel auf Erden versprachen. Etwas Ähnliches sieht man jetzt wohl in einigen arabischen Ländern, wo die totalitären Diktaturen vom radikalen Islam abgelöst wurden.
Frau Burgstaller hat das Haus längst verlassen. Aber die Apokalypse ist nah, zu nah!