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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

29. 10. 2014 - 22:24

The daily Blumenau. Wednesday Edition, 29-10-14.

Enttäuschte Hoffnung auf Debatte. Wenn eine Fehde nicht in die Tiefe gehen darf - wieder ein Fall austrojournalistischer Selbstlähmung.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

#journalismuskritik #medienpolitik

Im an Fehden und Ränken gewiss nicht armen österreichischen Kulturjournalismus poppen hin und wieder (eher zufällig) Startfenster auf, in denen es möglich wäre, das persönlich untergriffige Hahnengekämpfe zugunsten einer möglichen Struktur-Debatte über das Wesen des eigenen Schaffens zurückzustellen. Was in den Krisen/Konvergenz-Zeiten dringend (vielleicht sogar überlebensstiftend) nötig wäre.

Der Falter hat letzten Mittwoch die Hoffnung geäußert, mit einem Fremdtext (einer verqueren Wutrede eines wichtigen Players der hiesigen Filmszene) "eine Debatte auszulösen". Im heutigen Falter, also eine Woche später, findet sich weder Fortsetzung noch Vertiefung.
Durchaus zurecht: die Debatte, der Diskurs kam - wieder einmal; wie in dieser Branche eigentlich immer - nicht aus den Startlöchern, sondern blieb dort stecken, wo ihn Beteiligte eh gern verortet haben: in der simplen Durchschaubarkeit.

Nur ganz kurz zu den Fakten - die Filmleute kennen sie eh; und für alle anderen ist der inhaltliche Vorwand für das kleinliche Gezänk zu unbedeutend.

Am letzten Montag übte das Profil (recherchierte) Kritik an einer Institution, die zu einer der beiden wesentlichen Lager innerhalb der heimischen Filmszene gehört. Auf Basis alter Fehden-Stränge reagierte der Chef des angegriffenen Lagers wie erwartet und zieh die Kritiker Parteigänger des anderen.
In einigen gezielt gesetzten Wutreden bewegte sich die Kritik aber weit über den Anlass hinaus und schwang sich zu einer Generalschelte an einem ganzen Berufstand, dem des Film-Journalisten (die vom Lager-Chef ein wenig reduktionistisch als Filmkritik gesehen wird) auf.

Der Falter wollte die Suada durch ganzseitiger Breite aus der Unwesentlichkeit des Anlasses in die Bedeutung der Debatte heben. Das misslang spektakulär. Die Reaktionen waren gekonnt patronizing oder gingen nur auf den Anlassfall ein. Schon kaum einer traute sich über den Versuch die Sicht des anderen Lagers oder gar das Verstörende am Vorgang einzufangen.

Das aber wäre der einzig relevante Anknüpfungs-Punkt gewesen.

So kam es diesen Montag zu einem Showdown im Profil, wo man einander Durchschaubarkeit und primitive Motive vorwarf.

Und, ja, natürlich hat die mediale Aufmerksamkeit mit der gerade eröffneten Viennale zu tun - aber so what; wenn dabei Erkenntnisse purzeln sollten, ist jeder Zeitpunkt recht. So aber geschah nichts: der Falter lässt seine eigene Debatte versanden.

Es bleibt beim Runterreduzieren auf das Äußere, die Oberfläche. Es bleibt das Nicht-Eingehenwollen auf Tiefersitzendes.

Dabei wäre die Debatte aufgelegt. Nicht über den Sklavenseelen-Vorwurf im beleidigten Lager-Kampf oder andere billige Gags.
Sie könnte sich etwa bereits am Hurch'schen Begriff des Filmkritikers entzünden. Denn: ist das eine 2014 noch relevante Berufs-Gattung/Beschreibung? Sollte der Filmjournalist, der sich eh schon auf einer derart schmalen Sparte des Spektrums bewegt, nicht viel mehr als Vermittler des Systems Film und der Industrie Kino sehen? Ist ein Filmredakteur, der nie über Hintergründe seiner Branche berichtet, überhaupt ein Filmredakteur oder doch nur ein im 20. Jahrhundert steckengebliebener Rezensent?

Und um auf den Kern des Hurch/Horwath-Wickels einzugehen: Ist es in einer Untergruppe des Kulturjournalismus nötig, sich einer Partie zugehörig zu zeigen? Weil man womöglich nur so zu den lukrativen Jobs kommt, die von satt dotierten Projekten (und deren Playern) vergeben werden? Weil man nur so zu einem Organisations- oder Kuratoren-Job in der Branche kommt? Wenn ja: Wieso ist es für Filmjournalisten anstrebenswert sich in der Filmbranche andersweitig umzutun? Warum nicht gleich eine sattelfeste Ausbildung oder ein anderer Berufsweg, wozu der verdächtige Umweg über den Journalismus? Sind Kunstredakteure etwa auch selber bildend, werden Popredakteure Rockstars oder Theaterschreiber Regisseure? Warum ist gerade im Filmjournalismus die Szene-Karrierendichte so hoch?

Wieso erfahren Medien-Konsumenten und -Interessierte im wesentlichen nichts außer Sternderl- und andere Bewertungen von anlaufenden Filmen, uninteressante Festivalberichte über Filme, die nur ein einziger Saal zu Gesicht bekam; wieso sind Interviews außerhalb von Press-Junkets so selten?

All diese Fragen (und das ist nur ein Teil dessen, was sich sofort aufdrängt) haben das Kernthema österreichischer Film vs österreichischer Filmjournalismus noch nicht einmal tangiert. Denn hier wird es ganz haarig.
Über Hintergründe, auch solche, die der Branche nicht wehtun und die zu erfahren jede Menge Verständnis für die Lage einer Branche lukrieren könnte, traut sich kaum ein hiesiger Journalist drüber - was ich zum Thema weiß, erfahre ich im Privatgespräch mit Betroffenen. Etwas, was Filmjournalisten (nehme ich zumindest an) in ihrem Bereich wohl auch (vielleicht sogar fast täglich) tun. Verwertet wird dieses Wissen praktisch nie. Kann man eine derartige Herangehensweise überhaupt als Journalismus bezeichnen?

Diese (oder eine ähnliche) Debatte wäre nötig gewesen. Chance verkackt, wieder ein Versuch geblockt, wieder eine Hoffnung enttäuscht, wieder ein weiterer Schritt zur vollständigen Selbstlähmung.