Erstellt am: 27. 10. 2014 - 16:25 Uhr
Finanzämter wollen Zugriff auf EKIS und IP-Adressen
Das Finanzministerium hat unter dem Titel "Abgabenänderungsgesetz" eine Gesetzesnovelle vorgeschlagen. Darin ist von Zugriffsmöglichkeiten auf personenbezogene Daten die Rede, die identisch mit den Befugnissen im Sicherheitspolizeigesetz sind. Hürden, wie etwa der Richtervorbehalt, fehlen allerdings völlig, sagt Thomas Lohninger. Er ist Gründungsmitglied des AK Vorrat, jener NGO, die heuer durch ihre Verfassungsbeschwerde die Vorratsdatenspeicherung zu Fall gebracht hat. Das vorgeschlagene Abgabenänderungsgesetz sieht Lohninger genauso kritisch: „Man kann sich das praktisch so vorstellen, dass die Finanzbehörde in ganz lapidaren Abgabeverfahren auf Daten zugreift, die die Kriminalpolizei vorher nur in Härtefällen erheben durfte. Im Sicherheitspolizeigesetz und in der Strafprozessordnung gibt es klare rechtliche Schranken, die nun ausgehebelt werden sollen, indem die Finanzbehörde sagt: Alles Daten die in irgendeinem Verfahren über irgendeine Person anfallen, dürfen wir verwenden.“
AK Vorrat
So wollen die Finanzbehörden etwa auch die Möglichkeit haben, die Namen von Usern hinter IP-Adressen bei den Internet-Providern einzufordern. Das darf bisher nur die Polizei, wenn die Gefahr besteht, dass eine gerichtlich strafbare Handlung begangen wird und wenn genau begründet werden kann, wofür die Daten gebraucht werden. Den wesentlichen Unterschied zum jetzigen Entwurf des Finanzministeriums erklärt der Rechtsanwalt Christof Tschohl vom AK Vorrat: „Im Sicherheitspolizei-Recht ermittelt die Polizei präventiv und muss dort grundsätzlich niemals einen Richter fragen. Im gesamten repressiven Bereich hingegen, also im Strafrecht, werden Ermittlungen für eine bereits begangene Straftat angestellt – und dabei muss ein Richter gefragt werden. Wenn es um IP-Adressen geht, ist es gemäß der Strafprozessordnung zwar kein Richter, aber zumindest der Staatsanwalt. Es gibt Einschränkungen der Zulässigkeit, IP-Adressen zu beauskunften. Der Staatsanwalt muss also argumentieren, und es gibt ein Vier-Augen-Prinzip innerhalb der Staatsanwalt - die Maßnahme ist also revisionspflichtig.“
Research Institute
Zahlreiche Passagen im Gesetzesentwurf des Finanzministeriums wurden einfach aus dem Sicherheitspolizeigesetz kopiert - doch die umfassenden Kontrollmaßnahmen würden fehlen, so Christof Tschohl. Der Rechtsanwalt kritisiert aber auch die Praxis des Gsetzgebers, immer neue Überwachungsbefugnisse in Begleitgesetze hineinzuschwindeln. An der Unwissenheit der Juristen in den Ministerien liege das nicht. „Ich glaube, es hat Methode. Das Finanzministerium handelt hier wider besseren Wissens und entgegen den Urteilen des Verfassungsgerichtshofes - insbesondere in jenem Fall, der in der Novelle selbst als Anlass für diese Gesetzesänderung genannt wird."
Laut einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes müssten derartige Zugriffsbefugnisse präzise ausformuliert sein und es vorhersehbar machen, unter welchen Voraussetzungen Daten ermittelt und verwendet werden dürfen. Ein pauschaler Zugriff, wie er hier vorgesehen ist, würde den Anforderungen des Verfassungsgerichtshofs nicht genügen, so Tscholl.
Nachdem AK Vorrat heuer die umstrittene Vorratsdatenspeicherung durch Verfassungsbeschwerden zu Fall gebracht hatte, beschloss der Verein, seine Arbeit fortzuführen. Die finanzielle Situation der privaten Organisation ist allerdings prekär. Deshalb bittet der AK Vorrat um Spenden. Muss auch das Abänderungsgesetz des Finanzministeriums durch eine private Initiative bekämpft werden, weil Regierung und Parlament wieder einmal verfassungswidrige Überwachungsmaßnahmen beschließen? Für Thomas Lohninger ist jedenfalls klar: „Dieser Gesetzesentwurf darf den Nationalrat nicht erfolgreich passieren.“