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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

27. 10. 2014 - 12:41

The daily Blumenau. Monday Edition, 27-10-14.

"Cream" gut finden geht nicht. Oder doch? Und wofür stand dieser komische Ende-Sechziger-Dinosaurier eigentlich? Eine Annäherung anlässlich des Todes von Jack Bruce.

The daily blumenau hat Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst.
Und bietet Items aus diesen Themenfeldern.

#musik #tod

Mit Cream ist es so eine Sache. Kaum einer anderen die Pop-Sixties prägenden Formation schlägt so viel so vage begründete Verachtung entgegen. Und das immer schon, nicht erst in den letzten 20 Jahren, wo das Unverständnis über die Antiquiertheit des Sounds sich mit den geänderten Hör- und Produktions-Gewohnheiten erklären ließe. Jetzt, wo Jack Bruce, Bassist, Songschreiber und Sänger der alten Supergroup gestorben ist, sollte man sich das nochmal anschauen.

Dass es just Bruce ist, der zuerst den Löffel abgibt, ist angesichts der Drogen-Karriere von Drummer Ginger Baker (selbstgeschätzte 29 gescheiterte Heroin-Entzüge) und des nicht nur von Betäubungs-Substanzen, sondern von Katastophen jeder Art getränkten Lebens von Gitarrist Eric Clapton eigentlich absurd. Bruce fiel aber (indirekt) der heimtückischsten, weil verniedlichbaren Sucht zum Opfer: dem Suff.

Baler/Bruce/Clapton kamen aus dem britischen Blues/Hardrock-Zirkel der frühen 60er, hatten bei John Mayall, Graham Bond oder den Yardbirds gespielt und wollten in diesem, an das Format der Jam-Session anknüpfenden, losen Vereinigung den handfesten Blues jener Tage in Richtung Härte, Länge und Verrücktheit vorantreiben, was ihnen mit ihrem recht einzigartigen psychedelischen Blues-Hardrock auch gelang. Baker klopfte wie Das Tier aus der Muppet-Show, Gitarrengott Clapton schaffte es sich nie in seinen aus der Hand geschüttelten Soli und Volten zu verlieren, immer Distanz zu wahren und Bruce knorrte aus seinem Bass stabile Lines, die man bis dorthin eher im Jazz gehört hatte.

Daraus entstand eine seltsam kühle, sehr käsegesichtige Version des Blues; die aber deutlich besser als vieles und viele andere die Wahrheit über diese Zeit (die zweite Hälfte der 60er im damaligen Weltmusikzentrum London) widerspiegelte. Denn natürlich waren all die jungen Genies, die von dort aus die Welt eroberten (Beatles, Stones, Kinks, Who, Pink Floyd etc...) junge weiße Männer, die auf der Basis einer letztlich nur importierten Kultur (Blues und Rock'n'Roll kamen transatlantisch daher) eine Variante der Exzessivität durchprobierten, die die Zeit, die die gesellschafts- und machtpolitischen Umstände von ihnen verlangten.

Die Heroisierung der Wirkungsmacht der daraus entstandenen Musik (und der daraus folgenden Heiligsprechung der Akteure) in allen Ehren: letztlich blieben es aus den Nachkriegsgenen der Entbehrung entstandene Käsegesichter, die eine distanzierte Nachinszenierung vornahmen. Weshalb dann doppelt missverständliche Männlichkeitsrituale, übertriebene Bedeutungsschwangerschaften und fehleingeschätzte Drogengetriebenheit entstand, die letztlich den Keim der Zerstörung, an der die Rockmusik seit vielen Jahren dahinsiecht, bereits in sich getragen haben.

Baker/Bruce/Clapton zeig(t)en das für alle, die genau hinsehen, am alleroffensichtlichsten. Das Projekt "Cream" zeigt die Schwächen der Zeit am deutlichsten, verkleistert nichts durch Personality-Überlagerung (dafür waren die drei immer zu wenig glamourös), versteckte sich nicht hinter Art-Ansprüchen oder Authentizitäts-Vorwänden, sondern stand zur eigenen Käsegesichtigkeit. Und weil damals praktisch alle so drauf waren, sind in Wahrheit Cream die Band dieser von Pop- und Rockexperten zum heiligen Zentrum erklärten Halb-Dekade.

Cream existierten von 66 bis 69, ehe sie sich mit einem Live-Monster verabschiedeten, das noch Jahre später die Wiener Programm-Kinos füllte. Dort hab ich sie dann gesehen, Mitte der 70er, auch schon mit Distanz und Verwunderung - aber durchaus im Bewusstsein der eigenen Käsegesichtigkeit und der Tatsache, dass sie (eher noch als Led Zep und Pink Floyd) auch die hiesige, zeitlich hinterdreinstapfende Generation vertreten würden, ob sie es wollte oder nicht.

Die Verachtung, die Cream von den diversen nachrückenden rockinteressierten Generationen entgegenschlägt, eine Verachtung, die sich auf Nachfrage vage in musikalischer Bekrittelung oder Soli-Allergie verliert, erwächst auch genau dieser, wohl instinktiven Erkenntnis, dass man letztlich auch so ist wie die - obwohl man's echt nicht sein will.

Aber: wer diese intuitiv aufgestellte Schranke überwindet, kann besser in seiner Seelenlandschaft spazierengehen. Und es bleiben zwischen all den Unwuchten und Unziemlichkeiten auch Momente von Klarheit, Schönheit und hörerer Blödheit übrig.

Im folgenden vier Beispiele aus den vier Alben


I feel free, das erste Cream-Stück überhaupt, eine der Koops von Bruce und seinem Texter Pete Brown, schwebend und auf edle Art töricht. Der Starter der US-Version von Fresh Cream.


Ein echter Klassiker muss sein, White Room erspar' ich euch eh, aber Strange Brew von der Disreali Gears, dieses wunderbar verschleppte Wannabe-Stop&Go-Ding ist einfach zu lässig hingeschlonzt um nicht geliebt zu werden.


Wieder eine Bruce/Brown-Arbeit, sogar eine textlich kritische, durchaus moderne. Und in der vorliegenden Altherren-Comeback-Live-Version des Stücks Politician von Wheels of Fire treten auch all die Solo-Stärken und Schwächen zutage


Anyone for Tennis, der Studio-Bonustrack vom Live-Album-Viech Goodbye, leichtarmig und montypythonesk, und - finally - selbstironisch statt selbstgefällig.