Erstellt am: 26. 10. 2014 - 16:21 Uhr
What's in a Name?
Es muss viel mehr über Linguistik gesungen werden. Über rhetorische Figuren, über semantische Figuren, über Tropen. Über die Metapher, die Metonymie – nicht so sehr über die Ironie, die ist schon gut verhandelt.
Dass das neue, vor kurzem erschienene Album der österreichischen Band Dust Covered Carpet sehr gut geworden ist, wissen wir schon, Kammerpop, Folk, Wave, Zerbrechlichkeit, Überschwang, Licht. Der aktuellen Single der Gruppe gelingt das Kunststück, sich über sprachliche Verschiebungen, poetische Kunstgriffe Gedanken zu machen, ohne dabei proseminarhaft daherzukommen. Zudem behandelt der Song "Meteor" als Thema die Veränderung, was auch die Eigenheiten der in ihm besungenen Sprachfiguren spiegelt.
"A metonymical change / A heavy list of dislikes / A metaphorical bye / A meteor for us all” heißt es da im Refrain von "Meteor". Die Metonymie und die Metapher bezeichnen, verkürzt gesagt, beide die Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen, die nichtwörtliche Verwendung im übertragenen Sinne.
Bei der Metonymie stammen die beiden korrespondierenden Begriffe aus demselben Wirklichkeitsbereich, es besteht ein faktischer Zusammenhang, beispielsweise "Stahl" für "Schwert". Bei der Metapher nicht, gerne wirkt sie romantisierend oder arbeitet Zusatzbedeutungen des Gemeinten poetisch überhöht heraus. Es ist ein bisschen kompliziert, wir verwenden derlei Stilmittel tagein, tagaus, ohne größer darüber nachzudenken, und unsere heißen Worte wärmen uns die Brust.
Dust Covered Carpet
Was also ist der "metonymical change" in "Meteor"? Der Sachverhalt, das Ding bleibt dasselbe, wir nennen es bloß anders. Kann ein "Bye" überhaupt metaphorisch sein? Meint es das ganz große, lange, endgültige "Goodbye" am absoluten Schluss? Und wenn uns dann alle der Meteor erschlagen haben wird, kann vielleicht ein neues, besseres Leben blühen.
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.
Der Autor ist tot, der gewaltige Erschaffer auch, die Dinge werden das, was wir in sie hineindeuten, und sie tragen die Namen, die wir ihnen geben. "I’ve changed the look of a thing by staring at it" lautet gleich die erste Zeile in "Meteor", später dann heißt es in krachiger Eruption: "I am the sum of judgements / You are the sum of judgements". So, wie wir uns den Kosmos in Gedanken zurechtformen, sind auch wir bloße Konstrukte der Außenwahrnehmungen anderer.
Ein rätselhafter Song, anhand dessen man wirre Überlegungen dazu anstellen kann, ob wir das wirklich wollen, dass hinter uns die Welt zugrunde geht. Ob wir den scharfen Einschnitt, die Explosion und den kompletten Untergang brauchen, um den Neubeginn hinzubekommen. Die Türen und Fenster öffnen sich. Ein Nachgrübeln über Bezeichnetes und Bezeichnendes und über den ganzen prunkvollen Quatsch, den wir so den ganzen Tag daherreden. Demnächst dann bitte ein Lied, das sich mit dem Stilmittel der Synekdoche auseinandersetzt.