Erstellt am: 27. 10. 2014 - 09:00 Uhr
Mürrische Opas, gehetzte Enkel
Es gibt sie, die Filme, die wir hier bei FM4 selten oder gar nicht besprechen. Daran ist glücklicherweise kein verschwurbeltes, elitäres Cineastenbewusstsein schuld. Sondern wir trauen uns schlicht nicht in die entsprechenden Pressevorstellungen.
Natürlich meine ich jetzt nicht bluttriefende Horrorstreifen, bei denen morgendlich im Kino Markus Keuschnigg oder meine Wenigkeit das Frühstücksweckerl auspacken. Die Rede ist zum Beispiel von klebrigen deutschen Komödien wie „Männerhort“, um ein prototypisches Examplar herauszugreifen.
Nur die geschätzte, derzeit pausierende Pia Reiser brachte innerhalb der Filmredaktion regenmäßig den Mut auf, sich solchen Werken zu stellen, deren Trailer alleine schon sämtliche meiner Nervenenden mit winzigen Bohrern zu zerfräsen scheinen. Wenn ich dann auf vertraulichen Quellen wie kino-zeit.de von einer „lustlosen Aneinanderreihung von Klischees über beide Geschlechter und einem Worst-of-Konglomerat strunzdoofer Herrenwitze“ lese, dann bestätigt das meine zugegeben nicht geringen Vorurteile.
In einen filmischen Männerhort habe ich mich allerdings dennoch mehrmals begeben in den letzten Wochen. Geschichten von gebeutelten Geschlechtsgenossen, die ganz unter sich mit den Widrigkeiten der Existenz ringen und wo Frauen eher nur als Nebenfiguren auftauchen, begegneten mir in Form dreier Filme, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Warner
Ernsthafte Rolle für den Ausnahme-Dandy
Schon seit einiger Zeit ist die Story eines Staranwalts auf großen Multiplex-Leinwänden zu sehen, der sich wegen tragischen Umständen mit seinem verdrängten Vater auseinandersetzen muss. „Der Richter - Recht oder Ehre?“, im Original „The Judge“, heißt das Familiendrama mit Robert Downey Jr. in der Titelrolle, der legendäre Robert Duvall gibt den bissigen Kontrapart.
"The Judge" läuft bereits in den österreichischen Kinos.
Ersterer ist für mich aber eindeutig die Hauptattraktion und vielleicht der einzige Grund, warum es wert ist, diese schnulzige Hollywoodfabel überhaupt ausführlicher zu erwähnen. Mit seiner ganz eigenen Mischung aus Smartness, Witz und Zynismus, aber auch einer unverkennbaren Verletztlichkeit, gehört Downey Jr. definitiv zu den Ausnahmeerscheinungen im Blockbuster-Kino.
Mögen andere sich in virtuoses Method Acting vertiefen, dem 49-Jährigen Ex-Drogenwrack merkt man schlicht an, in wieviele Abgründe er geschaut hat, über denen er mittlerweile humorvoll schwebt. Wie ein geläuterter Rock’n’Roll-Gott gockelt Robert Downey durch die Szenarien seiner Filme, ein herrlich arroganter Ausnahme-Dandy in einer Welt der Kleingeister. Diesem Mann einmal zwischendurch eine ersthafte Rolle zu geben, hörte sich für mich im Vorfeld verlockend an.
Warner
Schauspielkino mit Schlummerfaktor
Leider enttäuscht der Film, in dem Iron-Man erwachsen sein darf, auf etlichen Ebenen. Dabei macht es anfangs noch Spaß, dem abgeklärten Ungustl Hank Palmer bei seinen sarkatischen Tiraden zuzusehen. Nicht einmal als seine Mutter stirbt und er vor Gericht davon erfährt, verschlägt es ihm die Sprache.
Zurück in der verhassten Provinzheimat ringt Hank dann aber doch kurz nach Worten. Kaum hat er das Begräbnis im Kreise seiner dysfunktionalen Brüder hinter sich gebracht und nebenbei mit einer alten Highschool-Liebe angebandelt, passiert etwas, was die zerbröselnde Familie endgültig aus der Bahn wirft. Hanks tyrannischer Vater, ein alter Richter, steht nach einem mysteriösen Autounfall plötzlich unter Mordverdacht. Ausgerechnet der verstoßene Sohn, wir sehen es kommen, scheint der einzige, der den Patriarchen vor dem Gefängnis bewahren kann.
Regisseur David Dobkin, aus dem sehr flachen Comedybereich kommend, inszeniert „The Judge“ als perfekten Film für lange Flugreisen, bei denen man beim biederen Bordprogramm entschlummert: Sentimental bis zum Anschlag, aber eben nicht zu erschütternd. Traurig, aber auch voller flapsiger Heiterkeit. Um Wahrhaftigkeit bemüht, aber dennoch konstruiert und verlogen.
Dass ich trotzdem nicht verärgert aus dem Kinosaal stürmte, verdankte sich den Schauspielern. Neben the one and only Downey Jr., der trotz berechnendem Drehbuch ein paar großartige Auftritte als rasiermesserscharfer Pointenschleuderer hat, überzeugen auch Robert Duval als alter Grantscherben und Vincent D’Onofrio als am Boden zerstörter Bruder.
Centfox
Im Labyrinth der Pubertät
Die famose Vera Farmiga wirkt in dem Testosteron-Gefecht von „The Judge“ allerdings eher auf verlorenem Posten, nicht unähnlich ergeht es ihrer jüngeren Kollegin Kaya Scodelario in „The Maze Runner“. Die neueste Verfilmung eines stockdüsteren Jugendromanbestsellers kommt lange ohne weibliche Akteurin aus, ausschließlich Burschen sind zunächst in einem trügerischen Stück Natur eingeschlossen, das von einer riesigen Mauer umgeben ist.
"The Maze Runner" läuft bereits in den österreichischen Kinos.
Neuankömmling Thomas (Dylan O'Brien), der ohne Erinnerung in dem Freiluft-Gefängnis erwacht, lernt schnell, dass der einzige vermeintliche Weg in die Freiheit durch ein gefährliches Labyrinth führt. Dort lauern aber nicht nur tödliche biomechanische Monster, sondern möglicherweise auch noch andere Gefahren. Thomas wird zum „Maze Runner“, zu einem der ausgewählten Jungen, die das Labyrinth erkunden, um dessen Geheimnisse auszuforschen.
Drehten sich auch die „Twilight“-Bücher noch um Pferdeposter-Romantik in Vampir-Verkleidung, geht es seit dem Erfolg der „Hunger Games“-Saga in der Jugendliteratur härter zur Sache. Im aktuellen „Young Adult“ Universum und den obligaten Verfilmungen werden keine Gefangenen genommen. Oder eben doch wie in „The Maze Runner“, wo man schnell ahnt, dass irgendjemand ein grausames Experiment mit den Eingesperrten durchführt.
Natürlich kreist diese solide inszenierte Teenager-Dystopie, die mehr Augenmerk auf Action als auf Substanz legt, um die üblichen Young-Adult-Themen: Wo gehöre ich hin? Wie kann ich mich in einer Gruppe bewähren? Wer sind die Autoritäten, gegen die es zu rebellieren gilt? Aber auch für die Zuseher bleiben am Ende, dass doch nur der Auftakt für eine neue Kinotrilogie ist, entscheidende Fragen offen: Wie kriegen die eingesperrten Buben ihre hübschen Frisuren hin? Warum führt die Ankunft des einzigen Mädchens nicht zu einer Hormon-Explosion? Und wo zum Teufel bleibt Jennifer Lawrence, wenn man sie braucht?
Centfox
Strenge Gerüche in der Blutsauger-Küche
Der rundum überzeugendste Film über einen Hort der Männer und den strengen Geruch, der darin entstehen kann, kommt aus Neuseeland und ist eine Vampirkomödie. Allerdings eine der ganz besonderen Art. „What We Do In The Shadows“ begeistert als blutgetränkte Parodie auf das überstrapazierte Mockumentary-Genre und die inflationären Reality-Soaps der Gegenwart. Beide Formate und ihre Penetranz aufs Korn nehmend, knöpft sich der Film auch noch das Blutsauger-Genre vor.
"What We Do In The Shadows" läuft demnächst an und ist als FM4 Kino unter Freunden am Mittwoch, den 29.10.in der UCI Kinowelt Millennium City zu sehen.
Der angesprochene Gestank hat in der WG von Viago, Vladislav, Deacon und Pety, die am Stadtrand von Wellington in einer desolaten Villa hausen, auch etwas mit dem Stolz eitler Untoter zu tun. Wenn es wieder einmal Streitereien um den Putzplan gibt, fault das blutige Geschirr eben ungewaschen vor sich hin. Ansonsten vertragen sich die untoten Herren aber ganz gut. Man feiert, diskutiert und besucht Partys, nicht immer top gekleidet allerdings, weil man sich schließlich vorher nicht im Spiegel betrachten kann.
Jemaine Clement und Taika Waititi, die bei „What We Do In The Shadows“ Regie führen und auch in Hauptrollen zu sehen sind, entstammen der Comedyserie „Flight Of The Conchords“. Die hatte zwar nur eine kurze Laufzeit, allerdings erwies sich die kultisch verehrte Show als gewaltige Talenteschmiede. Mit kaum einem ihrer bisherigen Hollywoodabstecher konnten Clement und Waititi aber so sehr an das Conchords-Level anschließen wie jetzt mit „5 Zimmer Küche Sarg“, um auch einmal den schnöden deutschen Titel zu erwähnen.
Lunafilm
Die Gagdichte ist enorm, aber inmitten all der blutigen Blödelei nimmt der Film sein groteskes Personal auch ernst. Sogar Anflüge von Melancholie suchen den Vampir-Haushalt heim. Und, ja, die charmanteste Horrorkomödie seit „Shaun Of The Dead“ erzählt mehr über Männerprobleme und die Midlife Crisis, als deutsche Regisseure zu träumen wagen.