Erstellt am: 25. 10. 2014 - 15:17 Uhr
Die meiste Musik
Elevate 2014
Das Festival für Musik, Kunst & politischen Diskurs
23.-26. Oktober 2014, Graz
Alles dazu auch auf fm4.orf.at/elevate2014 und 2014.elevate.at.
Dass der oberste, kleinste Floor im Schloßberg beim Elevate den Namen "Dungeon" trägt, ist nur richtig, auch dieses Jahr wieder. Foltergeräusche drangen in die Grazer Nacht hinaus. Eine kalte Höhle, wie ohne größere Absicht in den Berg gehauen, einzig, um der schönsten unwirtlichen Musik einen passenden Raum zu geben. So war am Freitag im Dungeon Sperriges zu hören, Noise, Musik, die mit Dancefloor nur in den wenigsten Fällen etwas zu tun haben will, sexy Krach, der gute Rock, Rauschen.
Lupi Spuma
Die österreichischen Bands Fuckhead und Broken.Heart.Collector beispielsweise oder der amerikanische Musiker Lichens. Lichens hat unter anderem beim verlässlichen Label Kranky ein paar schöne Platten mit mulmig machendem Ambient und süßlichen Drones veröffentlicht, live legt er diese ohne Sensationen auskommende Musik mit höchster Dringlichkeit dar. Eine absurd verkabelte Elektronik, eine vokabellos jauchzende Stimme, die ein einziges hohes Summen ist. Ein wohliger Rausch, induziert von einer Musik, in der nicht viel passiert.
Im Tunnel weiter unten wurde inzwischen die Gegenwart von Techno untersucht. Sie ist schön. Die New Yorker Produzentin und Videokünstlerin Aurora Halal darf jetzt schon als Highlight des Festivals gelten. Halal hat bislang Videos für solch gute Leute wie Ital, Maxmillion Dunbar oder die Gruppe Friends gebastelt, sie war Teil des finsteren Minimal-Wave-Duos Innergaze und ist aktuell, eine tolle Solo-EP im Gepäck, heiß on the rise.
Ihr Live-Set, an echten Maschinen zusammengeklopft, war ein wunderliches Zusammenkommen von konzeptioneller Strenge und frei fließender Improvisation, Techno, hart und arty, Noise-Einsprengsel, Melodien, Leichtigkeit, Energie, Zauber. Aurora Halal. Kann man sich eintragen. Die ganze großartige, rohe Energie von ultrapuristischem Sperrmülltechno war danach beim Live-Set des amerikanischen Produzenten Container zu erfahren. Noise und Punk durch die Drum-Machine geprügelt, ausgekotzt mit der Angst vor dem Schlachtschussapparat. Spüren. Körper.
Lupi Spuma
Lupi Spuma
Die Nacht auf dem Mainfloor im Dom im Berg war ganz dem englischen Label Hyperdub gewidmet: Schon das ganze Jahr über - zu Recht - feiert das englische Label seinen zehnten Geburtstag, zum Elevate ist Hyperdub mit großer Gesandtschaft angereist. Nach wie vor ist Hyperdub eines der auf- und erregendsten Labels der Gegenwart, aktuell beispielsweise auf den bislang drei, eine kommt noch, heuer erschienenen, stilistisch jeweils leicht unterschiedlich gelagerten Jubiläumscompilations nachzuhören.
Auf dem Fundament von Dubstep errichtet, stöbert das von Produzent, DJ, Theoretiker und Autor Kode9 betriebene Label in den äußeren Randzonen des Dancefloors, lässt dann auch immer wieder in dessen Zentrum die allertollste Bombe hochgehen. Von Dubstep nach geil poliertem R'n'B mit Ambitionen fürs Schlafzimmer, verspukte Geisterbahn-Elektronik, Footwork, kaputter House, dystopische Liedermacherei, windschiefer Gesang über rudimentärem Geknistere und Angst und Bange machendem Dröhnen – die Wahrheit, dass der Weg aus dem Club, in dem die Leiber sich reiben, hinüber in die Denkerstube für interessantes Listening nur ein besonders kurzer sein kann, wird vom vielseitigen, doch stets mit eigener Note parfümiertem Katalog von Hyperdub nur allerbestens transportiert.
Lupi Spuma
Lupi Spuma
Schade, dass an diesem Abend im Dom im Berg keine Live-Performance zu erleben war, die Hyperdub-Gang begnügte sich mit DJ-Sets, mit gelegentlichen Wortspenden am Mikrofon. Beispielsweise Produzentin, Sängerin, Plattendreherin und allaround Superperson Cooly G hätte man dann schon gerne mit einem Konzert gesehen: Erst vor ein paar Tagen hat Cooly G über Hyperdub ein vernebeltes Album voller Minimal-R'n'B veröffentlicht, der sich ausdrücklich jenen körperlichen Aktivitäten widmet, die nichts mit Club oder Sport zu tun haben. Mit Erotik betankte Kuschelmusik, zusammengebaut aus kargen Drumpatterns, schwülstigen Synthesizer-Flächen und einer Stimme, die das Hauchen der Begierde durchdekliniert.
Freilich ist ein Abend, an dem die Gang von Hyperdub plus Freunde, Posse, Crew, Bande, Entourage hinter den Plattenspielern, CD-Playern und Laptops steht, sich selbst, das Publikum und die Pracht der Musik feiert, alles andere als Grund zur Enttäuschung: Im Gegenteil, Grund zur spritzenden Ekstase. Cooly G, Ikonika, Mala, Boss Kode9 und Scratcha DVA spielten sich so aufgekratzt und sichtlich in Champagnerlaune durchs gesamte britische Hardcore Kontinuum, inklusive Dubstep-Klassikern, Jungle und intensiven Ausflügen Richtung Chicago und Footwork. Explosionen an den Synapsen, der Klang der Familie.