Erstellt am: 25. 10. 2014 - 11:47 Uhr
Ein Normalo für Berlin
Nun ist er also gefunden, der neue Bürgermeister von Berlin. Die SPD- Mitglieder haben abgestimmt und mit sensationellen 59,1 % wurde der Stadtentwicklungssenator zum Bürgermeister gekürt. Am 11. Dezember wird er wohl mit den Stimmen der CDU offiziell gewählt und tritt dann Klaus Wowereits Nachfolge an.
Michael Müller heißt der Neue - und arg normal soll er sein. Allzu normal, meinen manche. Andere finden er sei normal und das sei gut so für Berlin. Seine Normalität manifestiert sich schon in seinem Namen und Geburtsjahr. Müller ist der häufigste Nachname in Deutschland, 1964 ist der geburtenstärkste Jahrgang der Geschichte Nachkriegsdeutschlands. "Thomas" war im letzten Babyboomerjahr vor dem Pillenknick der beliebteste Männername, dicht gefolgt von "Michael".

SPD
Der 49 jährige Michael Müller hat seine bisherigen Wirkungsfelder, Mietenpolitk und Wohnungsbau, brav und fleißig beackert, er gilt als arbeitsam und verlässlich, soll aber sogar über Humor und Selbstironie verfügen.
Und nach unserem Hallodri und Partybürgermeister Wowi brauchen wir Berlinerinnen mal wieder was Solides, hört und liest man zumindest überall. Denn schließlich leben in Berlin nicht nur Neuköllner Hipster, Expats, SUV- fahrende Latte-Macchiato-Mütter, Start-Up Unternehmer oder auf der anderen Seite Flaschensammler, Hartzer und Roma-Familien.
Berlin besteht aus 12 Bezirken, jeder Bezirk eine eigene Großstadt mit eigenen Probleme und seinen armen, kleinbürgerlichen oder relativ wohlhabenden Einwohnern. Und auch die ganz normalen Berlinerinnen, die Krankenschwester, der Verkäufer oder Gemüsehändler werden immer mehr aus den Innenstadtbezirken an den Stadtrand verdrängt. Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, können sich bald nur noch akademische Doppelverdiener oder die westdeutsche Erbengeneration das Leben in der Innenstadt leisten.
So ergab auch eine Umfrage der Berliner Abendschau, dass nach Ansicht der BerlinerInnen die Schaffung preiswerten Wohnraums das wichtigste Thema für den neuen Bürgermeister sein sollte. Dann erst kommen die Themen "Flughafen" und "Aufnahme und Integration von Flüchtlingen".
Was Mietenpolitk und Wohnungsbau angeht, kann man auf Müller vertrauen. Er hat auf diesem Gebiet schon Einiges bewirkt, und wenn der politische Wille da ist, kann in Berlin etwas gegen Verdrängung und Wohnungsnot getan werden. Was die seit 2012 immer weiter verschobene Eröffnung des Flughafens angeht, kann Michael Müller nicht viel ausrichten, da geht es um komplexe technische Probleme, sprich - da ist im Vorfeld schon sehr viel verhunzt worden.
Ganz schwierig wird es bei der Flüchtlingsfrage. Die Situation an der Schule in der Ohlauer Straße in Kreuzberg droht bereits wieder zu eskalieren. Die Flüchtlinge sollen am Ende des Monats ausziehen und weigern sich. Man hatte ihnen alles Mögliche versprochen, aber die Versprechen nicht eingehalten. Die zuständigen Kreuzberger Grünen sind mit der Situation völlig überfordert, der letzte Versuch die Schule zu leeren brachte einen zehntägigen Polizeieinsatz, ein ganzes Viertel im Ausnahmezustand, Flüchtlinge, die drohten vom Dach zu springen und tagelange Sitzblockaden aus Solidarität mit den Refugees.
Wer jetzt die Leute vor die Tür setzt und auch noch behauptet, sie wollen freiwillig gehen, nimmt all das ein zweites Mal in Kauf.
Ein erfreuliches Ergebnis hatte die Umfrage der Abendschau aber auch: Zwei Drittel der BerlinerInnen haben sich wieder mit Klaus Wowereit ausgesöhnt. Nach dem seine Beliebtheitswerte 2012 stark gesunken waren denken jetzt über 60% der Befragten Wowereit habe seine Sache gut gemacht und viel für Berlin getan.